StartseiteMagazinKolumnenSaturiert in schweren Zeiten

Saturiert in schweren Zeiten

Gelesen in der «Die Zeit». In vierzig Jahren fragt die Enkelin von Jana Mestmäcker (heute 31, dann 71), Psychologin und Aktivistin der «Letzten Generation», ihre Grossmutter: «Wieso habt ihr so lange gebraucht, etwas zu verändern?» Nach Bedenkzeit die Antwort der dannzumaligen Grossmutter: «Wir hatten nicht verstanden, dass wir das könnten.» Heute kleben sich die Aktivistinnen und ihre Mitkämpfer auf die Strassen, auf Landepisten und verärgern die meisten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen zutiefst, leisten dem Umweltschutz mehr als einen Bärendienst. Ihre Aktionen bestärken das Gegenteil von dem, was sie anstreben: ein Festhalten am Gewohnten. Noch ist tief in uns verankert, dass doch alles so bleiben soll, wie es war: stetiges Wachstum, steigender Wohlstand. Hat also die «Letzte Generation» mit ihren Klebe-Aktionen eine Chance verpasst, nicht auf ein beharrliches Aufklären gesetzt? Jana Mestmäcker ahnt es wohl schon jetzt.

Derweil bombardiert und attackiert Putins russische Armee mit Raketen ukrainische Städte und Dörfer, legt sie in Schutt und Asche. In russischen Talk-Shows wird bereits lautstark prophezeit, wie es den Portugiesen unter russischer Herrschaft gehen wird, wenn die russische Armee am Atlantik angekommen ist: blendend. Dazwischen liegen Polen, Deutschland, Frankreich, Spanien und am Atflantik eben Portugal. Und die Schweiz beinahe mittendrin. Ist das ein schlicht überhöhter Grössenwahn, von Putin inspiriert oder doch mehr: Putin tatsächliches Ziel? Wir wissen es nicht. Es wäre nach den Erfahrungen der letzten Jahre aber mehr als sträflich, dieses hochgeschraubte Machtstreben Putins treuer Experten als unerreichbare Utopie einfach vom Tisch zu wischen.

Israel kämpft um seine Existenz, überschreitet dabei Grenzen der Menschenrechte. In den USA bahnt sich ein Kampf ums Weisse Haus an, der Trump im November 2024 zu erneuter Präsidentschaft führen könnte. Wird er, wie er grossspurig ankündigt, den Ukraine-Krieg in 24 Stunden beenden, indem er Putin die Ukraine überlässt, indem er es zulässt, dass Israel den ganzen Gasastreifen schleift, währenddessen tausende Menschen unter ihren Bomben sterben müssen? Indem Trump dem palästinensischen Volk kein Land überlassen, der Zweistaaten-Lösung jede Chance nehmen wird, indem er, wie zu seiner Regierungszeit, ganz auf Israel setzt, wie damals als er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte, Jerusalem damit faktisch zur Hauptstadt Israels erklärte, ohne auf die Ansprüche der Palästinenser Rücksicht zu nehmen?

Wahrlich keine schönen Aussichten auf das neue Jahr; sie lassen uns nicht jubeln. Aktuell überlassen es die USA und Europa zunehmend den Ukrainerinnen und Ukrainer allein, die Kohlen aus dem Feuer zu holen, den ersten Schritt der russischen Armee an den Atlantik zu stoppen. Wenn Putin in Finnland, wo er 80’000 Mann an der Grenze stationieren will oder in die baltischen Staaten, in Polen einfallen wird, dann wird es ernst, sehr ernst. Parallel dazu wird er mit der Atomkeule drohen, damit vor allem die USA, die Nato zögern, den Bündnisfall auszulösen, um einen globalen Atomkrieg zu vermeiden. Die Nato, das westliche Verteidigungsbündnis, wird dann aber handeln müssen. Aber kann der Westen warten, zuerst die Ukraine verbluten lassen? Und welchen Beitrag leistet die neutrale Schweiz? Kann sie nicht mindestens eine Friedensinitiative lancieren, wenn sie schon keine Waffen an die Ukraine liefern will oder eben kann?

Wir dürfen aber auch nicht resignieren. Trotz Pandemie mit Folgen sind wir auf Wachstumskurs: 6 % seit zwei Jahren. Mehr als in irgendeinem Land in Europa. Der Schweizer Franken ist so stark wie nie, gut für die Ferien im Ausland, weniger erfreulich für die Exportindustrie. Aber immerhin: ein Zeichen der Stärke unseres Landes.

Eigentlich bedrängt uns im Inneren unseres Landes nur eines: Wir haben noch nicht richtig verstanden, was wir, unser Parlament, der Bundesrat alles rechtzeitig zum Guten verändern könnten. Warum stellen wir uns nicht der Frage der Neutralität? Gerade jetzt beim Ukraine-Krieg, beim angestrebten Verbot der Hamas? Warum handeln wir immer und überall so zögerlich?

So gelang es dem Parlament beispielsweise sage und schreibe erst nach 17 Jahren, eine neue Finanzierung des Gesundheitswesens zwischen den Dienstleistern zu etablieren. Greifen soll sie aber erst ab 2027. So werden wir auch für 2025 und 2026 mit wiederum erhöhten Krankenkassen-Prämien zu rechnen, zu kämpfen haben. Bereits am 3. März werden wir zu AHV-Vorlagen Stellung beziehen können. Wie die Abstimmungen auch ausgehen werden, sollte die 13. AHV-Rente gar Zustimmung finden, ist eines sicher: die Finanzierung unseres wichtigsten Sozialwerkes ist noch lange nicht gesichert. Im Gegenteil.

Unser Verhältnis zur EU, wichtigste Handelspartnerin unseres Landes, ist so ungeklärt wie schon immer, obwohl nun ein Verhandlungsmandat des Bundesrates vorliegt; eine kraftvolle Gegnerschaft beginnt sich einmal mehr zu formieren.

Zur Erinnerung: Was  fragt die Enkelin von Jana Mestmäcker: «Wieso habt ihr so lange gebraucht, etwas zu verändern?» Die Antwort: «Wir hatten nicht verstanden, dass wir das könnten.» Gilt diese Antwort nicht auch für uns? Sicher ist: Unsere direkte Demokratie ist dazu kein Hindernis. Im Gegenteil. Oder sind wir einfach zu verwöhnt, gar zu saturiert? Zu sehr auf uns bezogen, vermeintlich so gesichert,  dass wir uns selbst genügen können?

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1 Kommentar

  1. Zum gewählten Wort «saturiert» in der Überschrift sagt das Wörterbuch zum einen: Jemandes Verlangen, etwas Bestimmtes zu bekommen, ist gestillt und zum zweiten: Eine Substanz ist nicht weiter aufnahmefähig für andere Substanzen. Wikipedia meint den Zustand der bürgerlichen Zufriedenheit oder abwertend „übersättigt, ohne geistige Ansprüche“.

    Sie haben mit diesem Wort den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir sind nicht nur vom Wohlstand übersättigt, wir zeigen auch kein grosses Verlangen, etwas daran zu ändern, im Gegenteil. Die Devise lautete immer schon: Am Alten festhalten oder das Wort, das gerne in diesem Zusammenhang genommen wird: Stabilität. Auf die sind wir doch so stolz und brüsten uns im Ausland immer wieder mit unserem stabilen politischen System. Dass dieses System längst eingefroren ist und kaum mehr die nötige Flexibilität zulässt, um auf die grossen sozialen Veränderungen bei uns und um uns herum, dem Zeitgeist entsprechend, zu reagieren, wird weitgehend negiert und ist auch kein Thema in den gängigen Medien.

    Ein Beispiel: seit den 1980-Jahren wissen wir konkret und wissenschaftlich bewiesen, dass es drastische Klimaveränderungen geben wird. Bei vielen ist diese Tatsache doch erst angekommen, als das Wasser buchstäblich ins eigene Häuschen drückte oder die Felder der traditionell bewirtschafteten Felder der Bauern, wo bei Starkregen das Wasser nicht mehr abfliessen kann, weil die Böden verdichtet und gesättigt sind durch falsche Bewirtschaftung; die Flüsse und Seen wegen zuviel Abwässer aus landwirtschaftlichen Betrieben veralgen und deshalb die Population und Artenvielfalt der Fische stetig abnimmt. Dass sauberes Trinkwasser einmal zur Mangelware werden könnte, halten doch die Meisten noch immer für ein Gerücht.

    Dieses starre Festhalten am «Alten und Bewährten» ist meiner Einschätzung nach die Erklärung, warum es in wichtigen Themen politisch nicht vorwärts geht. Dazu kommen die äusserst starken Vertretungen der Bauern-, Pharma-, Energie- und Wirtschaftslobby in unserer Regierung. Unser vom Volk gewähltes Parlament, aber auch die Vertreter der Kantone und der Bundesrat, stehen quasi im Würgegriff dieser Lobbyisten und finden deshalb kaum Mehrheiten, um neue Wege zu beschreiten. Und das Volk, also wir alle, verharren wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor den Entscheiden unserer Regierung und tragen durch nichtwählen und Medienhörigkeit dazu bei, dass ausser unnötige Aufreger nichts geht und wenn was geht, dann in die falsche Richtung, also eigentlich gegen die Interessen des Volkes und unseren demokratischen Werten.

    Die Frage der Enkelin an ihre Grossmutter: Wieso habt ihr so lange gebraucht, etwas zu verändern? und die Antwort der Grossmutter: Wir hatten nicht verstanden, dass wir das könnten, trifft ins Schwarze. Die neuen Plakate der SVP und ihren ach so einfachen Erklärungen zu Allem, werden mich nicht überraschen. Klugheit, Voraussicht und richtige Entscheide im richtigen Moment sind in unserer Politik und leider auch bei vielen von uns Normalos Mangelware. Traurig aber wahr.

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