Eine aktuelle Studie unter der Leitung des Berner Inselspitals und der Universität Bern in Zusammenarbeit mit Forschenden aus Nepal, zeigt, dass bei jedem dritten Bergsteiger während des Aufstiegs auf den Mount Everest Herzrhythmus-Störungen auftreten.
Das menschliche Herz schlägt in einem gleichmässigen Rhythmus, der durch elektrische Signale gesteuert wird. Gerät dieses fein abgestimmte System aus dem Takt, beginnt das Herz zu stolpern oder zu rasen – es entstehen Herzrhythmus-Störungen, auch kardiale Arrhythmien genannt. Herzrhythmus-Störungen können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter Krankheiten, Stress, genetische Veranlagungen oder durch den Konsum von Stimulanzien wie Koffein und Alkohol.
Reaktion des menschlichen Körpers auf grosse Höhen
Blick vom Gipfel des Kala Patthar auf den Khumbu Gletscher und den Gipfel des Mount Everest.
Der abnehmende Luftdruck in der Höhe führt zu einem verminderten Sauerstoffangebot. Beim Aufenthalt in grosser Höhe versucht der menschliche Körper über verschiedene Anpassungsmechanismen, die geringe Sauerstoffkonzentration in der Umgebungsluft auszugleichen. Kleinere wissenschaftliche Studien in moderater Höhe weisen darauf hin, dass diese Reaktionen des menschlichen Körpers das Auftreten von Herzrhytmus-Störungen fördern.
Herzrhythmus unter Extrembedingungen: Studie am Mount Everest
In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben nun Forschende der Universitätsklinik für Kardiologie des Inselspitals Bern gemeinsam mit Forschenden aus Kathmandu, Nepal, die Auswirkungen von grosser Höhe auf das Auftreten von Herzrhythmus-Störungen bei gesunden Probanden während des Aufstieges zum Gipfel des Mount Everest untersucht. Dazu wurden 41 Studienteilnehmer zu Beginn der Studie mittels Elektrokardiogramm (EKG), Herzultraschalluntersuchung und Belastungstest auf zugrundeliegende Herzkrankheiten untersucht. Zusätzlich wurde der Herzrhythmus sowohl vor der Expedition in der Heimumgebung als auch während der Expedition mit einem tragbaren Gerät kontinuierlich aufgezeichnet.
Herzrhythmus-Störungen bei mehr als einem Drittel der Bergsteiger
Das «Yellow Band» ist ein Felsband auf 7700 Metern Höhe am Ende der Lhotse-Flanke; es ist die letzte Kletterpassage unterhalb der «Geneva spur», die zum Südsattel des Mount Everest führt. Die meisten Bergsteiger benutzen auf dieser Höhe zusätzlichen Flaschensauerstoff.
Von den 41 Studienteilnehmern erreichten 34 das Everest Basislager, 32 erreichten den Südsattel auf 7900 Metern Höhe und 14 erreichten den Gipfel des Mount Everest auf 8848 Metern. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bei mehr als einem Drittel der gesunden Studienteilnehmer während des Aufstieges vom Basislager (5300 Meter) zum Gipfel Herzrhythmus-Störungen auftraten, die in der Heimumgebung unter 1500 Meter Meereshöhe nicht dokumentiert wurden. Dabei handelte es sich grossmehrheitlich um langsame Rhythmusstörungen und Aussetzer von mehreren aufeinanderfolgenden Schlägen (Bradyarrhythmien). Allerdings wurden auch schnelle Rhythmusstörungen (Kammertachykardien) beobachtet.
Keine der in der Studie aufgezeichneten Herzrhythmus-Störungen führte zu schwerwiegenden klinischen Ereignissen. Der Anteil an Personen mit Herzrhythmus-Störungen blieb über die unterschiedlichen Höhenlagen hinweg stabil. Interessanterweise traten die meisten der Herzrhythmusstörungen unter 7300 Metern auf, wo die Mehrheit der Bergsteiger keinen zusätzlichen Flaschensauerstoff nutzte.
Blick vom Hochlager 2 talabwärts in Richtung des «Tal des Schweigens» (Western Cwm).
«Die beobachteten Rhythmusstörungen sind auf verschiedene Mechanismen zurückzuführen. Charakteristische Atemmuster während des Schlafes und Störungen des Salzhaushaltes im Körper nehmen dabei eine wichtige Rolle ein», erklärt Prof. Dr. med. Thomas Pilgrim, stellvertretender Chefarzt an der Universitätsklinik für Kardiologie und Leiter des Forschungsprojektes und ergänzt: «Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen harmlosen und bedrohlichen Herzrhythmus-Störungen. Zukünftige Studien müssen die möglichen Auswirkungen der beobachteten Rhythmusstörungen genauer untersuchen, um ein besseres Verständnis darüber zu gewinnen, ob Herzrhythmus-Störungen ein zusätzliches, bisher unterschätztes Risiko beim Höhenbergsteigen darstellen.» (Quelle: Medienmitteilung Insel Gruppe und Universität Bern)
Titelbild: Die Abnahme des Luftdruckes in grosser Höhe führt zu Anpassungsreaktionen des menschlichen Körpers. Bergsteiger am Everest. Alle Fotos ZVG.
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Universitätsklinik für Kardiologie
Publikation
Sherpa K, Sherpa PP, Sherpa T, et al. Risk of Cardiac Arrhythmias Among Climbers on Mount Everest. JAMA Cardiol. Published online April 2024. doi:10.1001/jamacardio.2024.0364
Experten
Prof. Dr. med. Thomas Pilgrim, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Universität Bern
Prof. Dr. med. Tobias Reichlin, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Universität Bern