Das Verdikt des Schweizer Stimmvolkes ist klar. Sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative (55,5% Nein) als auch die Kostenbremse-Initiative (62.8 % Nein) hatten in der deutschen Schweiz im Gegensatz zu den Kantonen in der Romandie und im Kanton Tessin keine Chancen. Nur der Kanton Basel-Stadt und der sprachgeteilte Kanton Wallis gliederten sich ein in die Front der Westschweizer Kantone. Wieder einmal tut sich ein schmerzlicher Graben zwischen der französisch-italienischsprechenden Schweiz und der Deutsch-Schweiz auf. Nur schon allein diese Tatsache verpflichtet Bund und Kantone, nun erst recht und vehement die Reform des Schweizer Gesundheitswesens voranzutreiben.
So wie bisher kann es schlicht und einfach nicht weiter gehen. Die beiden Initiativen waren leider zu wenig durchdacht, sie liessen viel zu viele Fragen offen. Selbst das Bundesbüchlein zu den Abstimmungsvorlagen war derart ungenügend verfasst, so dass darin selbst die zentrale Frage nach den möglichen Kosten der Entlastungs-Initiative nicht klar beantwortet blieb. Je nach politischem Standort der Protagonisten hätten sie bei einer Annahme der Initiative zwischen 2 und 12 Milliarden Franken betragen. Dass da die eher sparsameren Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer skeptischer reagierten als die offeneren, experimentierfreudigeren Menschen in der Westschweiz, im Wallis, im Kanton Tessin ist nicht verwunderlich.
Dennoch: Alle, aber auch wirklich alle, haben sich an der Nase zu nehmen und sich zu fragen: Was und wie kann ich dazu beitragen, damit die Gesundheitskosten nicht ins Unermessliche steigen? Schlichte Antwort: Für alle Akteure im Gesundheitswesen, aber auch für uns als potenzielle und wirkliche Patienten gilt, jetzt zwingend zu handeln.
Es sind also die Gesundheits-Politikerinnen und -Politiker auf allen Ebenen, im Bund, in den Kantonen und in den Gemeinden, es sind die Krankenkassen und ihre beiden Verbände, es sind die Ärzte und ihre Standesorganisationen, die Pflegenden und ihre Berufsorganisationen und nicht zuletzt die nachweislich zu vielen Spitäler und Kliniken, die Mitverantwortung tragen; sie haben vernünftig, angmessen zu reagieren. Und diese Vernunft ist auch von uns allen zu verlangen. Es liegt also sicher nicht allein an Elisabeth Baume-Schneider, der zuständigen Bundessrätin, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Von ihr sind Impulse zu erwarten und vor allem ein Weitblick über das Gestrüpp hinaus. Sie hat sich von Experten beraten zu lassen, die nicht ihre eigenen Interessen, sondern die der Gemeinschaft verwirklichen wollen.
Es ist aber nicht wegzudiskutieren, dass immer mehr Menschen körperlich, psychisch, sozial und so auch finanziell belastet sind und jetzt durch die beiden Nein nicht entlastet werden, auch nicht mit dem indirekten, sanften Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative. Es braucht mehr, weil die Betreuung und Begleitung von Menschen in solchen Situationen immer komplexer wird. Kommt hinzu, dass die Spezialisierung in Medizin und Pflege laufend zunimmt. Auch die Vielfalt an sozialen Dienstleistern wird immer umfangreicher und ist daher zunehmend nur noch schwer zu durchschauen für alle, sowohl für die betroffenen Menschen und ihre Vertrauenspersonen wie auch für alle Aktiven im Gesundheitswesen. Zudem lehnen Kostenträger oft Zahlungen ab und verweisen an die nächste Stelle. Es ist daher unabdingbar, dass Menschen in solch komplexen Situationen eine weit bessere Koordination erfahren. Denn die heutige, stark fragmentierte Versorgung geht an den Bedürfnissen der betroffenen Menschen sehr oft vorbei, kann ihre Leidenszeit verlängern und ist ganz insbesondere kostentreibend. Und eines ist noch nicht flächendeckend erkannt: die personalisierte Medizin und eine Pathologie davor, statt danach, damit eine erfolgversprechende Therapie gezielt angewendet werden kann. Das Gesundheitswesen ist deshalb an Haupt und Gliedern zu reformieren. Ohne staatlich gestützte, gar verordnete Koordination ist das Schweizer Gesundheitswesen nicht zu heilen. Noch handeln alle zuerst nur für sich, im eigenen Interesse, statt für die Gemeinschaft.
Ausser Spesen nichts gewesen. Der Kleingeist und die materiell besser dastehende Deutschschweiz hat sich wieder einmal, mit Ausnahme von Basel-Stadt, gegen die französichen und italientischen Kantone durchgesetzt. Wen wunderts ?
Nun tritt der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft, sofern das Referendum dagegen nicht ergriffen wird. Die Kantone werden jetzt verpflichtet, mehr Geld für die Prämienverbilligungen einzusetzen und ihre Beiträge in Zukunft automatisch zu erhöhen, wenn die Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung steigen. Der Bund macht das heute schon, eine Mehrheit der Kantone aber nicht. Einzelne Kantone hatten ihre Prämienverbilligungen unberechtigterweise in den letzten Jahren sogar reduziert. Kantönligeist vom Schlimmsten! Frage: Wer kontrolliert die Umsetzung dieser neuen gesetzlichen Verpflichtungen?
Die SP plant nicht nur Initiativen zur Deckelung der KK-Prämien in den Verliererkantonen, sondern will 2025 auch die Idee einer öffentlichen Krankenkasse wieder aufs Tapet bringen, was nach meiner Auffassung die beste Lösung überhaupt wäre. Der Grundsatz: eine allgemeine notwendige Absicherung bei Krankheit, Unfall und Invalidität. Wer mehr medizinische Dienstleistungen haben will als die Grundversicherung anbietet, kann sich nach eigenem Gusto bei den Angeboten der privaten Versicherungsgesellschaften und deren wettbewerbsabhängigen Tarifen, bedienen.
Eine eidg. obligatorische Krankenversicherung wäre genau so logisch wie die eidg. obligatorische Volksrente AHV/IV. Für darüber hinaus erwünschte Leistungen gibt es massenhaft grosse und kleine private Versicherungsanbieter, bei deren Geschäftsmodell nicht die sozialgerechte Absicherung der Bürger:innen das Ziel ist, sondern die Gewinnmarge. Bis diese Erkenntnis jedoch bei einer Mehrzahl der Stimmbürger:innen angekommen ist und die Knüppel der konservativ Denkenden und Profiteuren des Ist-Zustandes aus dem Weg geräumt sind, braucht es noch sehr viel Überzeugungskraft und vorallem gesunden Menschenverstand.
Leider sieht man nicht die Kosten die ohne Krankenkasse Beitrag übernommen werden. Unser System funktioniert nicht mehr.
Ärzte und Pflegenes Personal verdienen weniger wie im Nationalrat oder im Aldi