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Die ermüdete Gesellschaft

In den letzten Tagen erschienen in verschiedenen Zeitungen Berichte, die schildern, dass bis zu 70 % der befragten Menschen, sowohl Jung als auch Alt, unter einer lähmenden Müdigkeit leiden. Es werden unterschiedliche Gründe für diese Erschöpfung genannt: Dauernder Stress, das Gefühl, alles müsse sofort erledigt werden, und viele seien mit der rasanten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung überfordert. Schon die Schule überfordere die jungen Menschen. Der «Tages-Anzeiger» stellt fest, dass über ein Drittel der Bevölkerung sich müde und erschöpft fühlt. Viele Menschen sind ausgelaugt und empfinden sich nicht als vollständig gesund. Diese Tatsachen führen zu einer wachsenden Kritik an der Gesellschaft: „Wir arbeiten zu viel, das geht nicht mehr lange gut.“

Die Erklärungen für diese Müdigkeit greifen jedoch zu kurz. Tatsächlich leben wir in einer Gesellschaft, die sich immer mehr auf die «Work-Life-Balance» konzentriert, wobei der Schwerpunkt immer mehr vom Beruf hin zu Freizeitverhalten und Konsum verschoben wird. Es ist nicht allein die Arbeit, die uns müde macht. Wer einen Beruf hat, der ihm für die eigene Existenz wichtig ist und der erkennt, dass seine Arbeit auch für andere bedeutend ist, empfindet Freude und erfährt Anerkennung. Stress wird leichter bewältigt, wenn man Sinn und Wert in der eigenen Tätigkeit sieht. Ein erholsames Wochenende reicht dann oft aus, um am Montag wieder frisch an die Arbeit zu gehen.

Ein oft übersehener Faktor der Ermüdung ist der exzessive Gebrauch moderner Technologien, insbesondere die ständige Nutzung von Smartphones. Studien zeigen, dass Menschen im Durchschnitt mehrere Stunden pro Tag am Handy verbringen. Der ständige Zugang zu Informationen führt zu einer Dauerbelastung für das Gehirn. Anstatt echte Erholung zu finden, verlieren wir uns in digitalen Welten. Die Folge ist ein Zustand ständiger Anspannung und Erschöpfung – eine digitale Müdigkeit.

Ist jemand jedoch mit seinem Beruf – ob akademisch oder handwerklich – unzufrieden, bietet die heutige Zeit zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung. Wer sich hier engagiert und fokussiert arbeitet, kann sein Ansehen und seine Selbstachtung steigern. Warum sollte er sich also zur Masse einer ermüdeten Gesellschaft zählen? Neue Kompetenzen werden geschätzt, und sie verleihen Stolz und Erfüllung. Diesen inneren Antrieb kann der flüchtige Aktivismus in der Freizeit oder das ständige Verfolgen von Trends nicht ersetzen.

Diese gesunde Einstellung zur Arbeit und Selbstverwirklichung scheint jedoch zunehmend verloren zu gehen. Das Wochenende wird zum grossen Erlebnis, bei dem das „echte“ Leben endlich beginnt. Lebensstil und Konsum in all seinen Facetten werden geradezu aufgesogen. Es muss immer etwas passieren, um dem tristen Alltag zu entkommen. Doch was ursprünglich Entspannung versprechen sollte, ist oft eine weitere Quelle des Drucks. Menschen hetzen von einem Event zum nächsten, überfüllen Freizeitorte und schaffen so kaum mehr Raum für echte Erholung. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen einwandern müssen, um die Arbeit zu erledigen, während die heimische Bevölkerung immer mehr in Konkurrenz zu einander tritt. Das Unbehagen wächst, und der Ruf nach dem Staat wird lauter.

Es ist dringend notwendig, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies kann nur durch eine gesunde Einstellung zu Beruf und Arbeit gelingen. Eine Arbeit, die geschätzt wird, ermüdet nicht – selbst bei gelegentlichem Stress. Zudem ist die Arbeitszeit gesetzlich geregelt, und die Freizeit beginnt oft schon am Freitagnachmittag, wenn sich Autoschlangen in den Süden oder in die Berge wälzen und Menschen online nach Wochenendaktivitäten suchen. Doch dieser hektische Aktivismus verhindert, dass man sich fragt, woher die Müdigkeit wirklich kommt. Die „Ach-ich-mag-nicht“-Haltung ist in vielen Fällen selbstverschuldet – und dies ist die zentrale Diagnose für eine Gesellschaft, die sich selbst als ermüdet wahrnimmt.

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2 Kommentare

  1. Seit es das Internet gibt, besonders die «Sozialen Medien», wird das Denken und Handeln von uns Menschen, vor allem jedoch von Kindern und Jugendlichen, die täglich Stunden auf Plattformen wie Tik Tok verbringen, kontrolliert und manipuliert und durch Algorithmen und künstliche KI-gesteuerte Programme verführt. Neuste Studien zeigen, dass durch übermässigen Konsum dieser Medien bei Kindern und Jugendlichen eine starke Abhängigkeit entsteht und schliesslich zur einer Sucht wird, aus der ein junger Mensch nicht mehr ohne Hilfe herausfindet. Es ist vergleichbar mit einer Spielsucht um Geld, wie z.B. die Sportwetten, die der erwachsene Internetanwender auch immer mehr betrifft.

    Ich befürchte Herr Iten, ohne drastische Einschränkungen und Regulierungen des freien, ausufernden und für unsere Gesundheit schädlichen, ja gefährlichen Auswirkungen dieser Internetplattformen, die hauptsächlich von China und Amerika betrieben werden und damit Milliarden unversteuerte Gewinne erzielen und keine Verantwortung für die bedrohlichen Folgen übernehmen, werden wir keine Verhaltensänderung bei den Menschen erleben. Ein sofortiges Handeln der Politik und neue Gesetzte für die Medien weltweit, mit saftigen Bussen bei Missachtung und Zuwiderhandlung, wäre aus meiner Sicht dringend erforderlich, damit die nächsten Generationen keine ferngesteuerten und gläserne Zombies werden.

  2. Lieber Res
    Ich bin eine ehemalige Schülerin von Dir ( Kindergärtnerinnen (1969-71).
    Du sprichst mir mit Deinem Beitrag in jeder Hinsicht total aus dem Herzen und ich teile Deine sämtlichen Begründungen ! Du triffst es voll auf den Punkt!

    Herzlichen Dank für Deinen tollen Beitrag!
    Gertrud

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