StartseiteMagazinKulturEin lustvoll überdrehter Dürrenmatt

Ein lustvoll überdrehter Dürrenmatt

Das Theater Kanton Zürich in Winterthur-Grüze startet mit einer gelungenen Inszenierung vom Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“ in die neue Spielsaison.

Es ist ein zweiter Mord geschehen in der von Dr. Mathilde von Zahnd geleiteten psychiatrischen Klinik: Einstein hat Schwester Irene Staub mit einem Stromkabel erdrosselt. Monate zuvor hatte Newton Schwester Dorothea Moser erdrosselt. Inspektor Voss sollte die beiden Mörder dingfest machen. Vergeblich, denn Geisteskranke können keine Verantwortung für ihre Taten übernehmen.

So beginnt Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“ aus den frühen 1960er Jahren über die drei Physiker Möbius, Newton und Einstein, die getarnt als geisteskranke Patienten in der Klinik leben. Einer von ihnen, Möbius, hat eine Entdeckung gemacht, die die Gefahr der Vernichtung der Welt in sich birgt. Die beiden anderen wollen ihm die Entdeckung entlocken. Dabei schrecken alle drei vor Mord nicht zurück. Doch die Klinikleiterin von Zahnd ist ihnen einen Schritt voraus. Sie hat sich die Erkenntnisse von Möbius längst angeeignet und die Schwestern berechnend auf die Physiker angesetzt und sie so zu Mördern gemacht.

Kurzweilig und heiter

Gemäss Dürrenmatt muss jede durch Zufall ausgelöste Handlung die schlimmstmögliche Wendung nehmen. Die drei Physiker müssen am Schluss erkennen, dass das Opfern ihrer Freiheit sinnlos gewesen ist, sie zeitlebens ausgeliefert sind und eingesperrt bleiben. Die Schauspielertruppe des Theaters Kanton Zürich bietet zum Saisonstart eine frische und pointierte Neuauflage dieses grossartigen Stücks. Die von Regisseur Niklaus Helbing gebotene Inszenierung ist kurzweilig, heiter und dennoch mit dem nötigen Tiefgang versehen. Dafür gabs am Premierenabend starken Applaus.

Streng bewacht von Pflegern in Boxermontur: die drei Physiker Newton, Möbius und Einstein (v.l.). 

Gespielt wird in einem stimmigen Bühnenbild mit barockverzierten Türöffnungen und doppelt verklebten Stühlen (Bühnenbild: Alain Rappaport). Newton (Axel Julius Fündeling) und Einstein (Doris Schäfer) stellen mit ihren Perücken überzeichnete Charaktere von Wissenschaftlern dar, die bestens zu amüsieren wissen. Nichts deutet anfänglich darauf hin, dass ihr Wahnsinn nur Mittel zum Zweck ist, dass sie Möbius` Entdeckung im Auftrag konkurrierender Mächte in ihren Besitz bringen sollen.

Gleichgestimmte Gefangene

Möbius (Michael von Burg), der vom Erscheinen des König Salomos philosophiert, entpuppt sich mehr und mehr als gepeinigter Wissenschaftler. Um seine Identität als wahnsinniger Wissenschaftler zu wahren, verjagt er in einer etwas gar grotesk inszenierten Begegnung mit seiner Frau Rose (Miriam Wagner) und den Kindern wüst beschimpfend seine Familie und tötet die Schwester Monika Stettler, die mit ihm ein neues Leben in Freiheit verbringen wollte.  Ein jeder der drei Wissenschaftler spielt mit lustvoll ausgespielter Komödiantik seine Macken aus, und doch sind sie als gleichgestimmte Gefangene der Klinikleiterin Mathilde von Zahnd (Katharina von Bock) ausgeliefert, die mal mit Charme und mal mit Strenge das Geschehen diktiert, die toten Schwestern mit männlichen Pflegern in Boxermontur ersetzt und ihre wahre, infernale  Absicht in einem fulminanten Ausbruch triumphierend manifestiert, den Globus mit Möbius` Entdeckung der Weltformel zu beherrschen.

Einstein mit Geige wird von Inspektor Voss befragt, links Klinikleiterin Mathilde von Zahnd. Fotos: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

Geboten wird eine lustvoll überdrehte Inszenierung, die die bizarre Tragikomik mit klamaukigen Einlagen überhöht. Die Ensemblemitglieder, die teilweise in mehrere Rollen schlüpfen, glänzen durchwegs mit darstellerischen Leistungen, die sowohl für amüsante als auch anspruchsvolle Unterhaltung sorgen.

Weitere Spieldaten siehe Website Theater Kanton Zürich

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