StartseiteMagazinGesundheitAtrium Jung, eine Tagesstruktur für junge Demenzbetroffene

Atrium Jung, eine Tagesstruktur für junge Demenzbetroffene

Atrium Jung ist ein Pilotprojekt der Stiftung Basler Wirrgarten für Menschen mit Demenz im Alter von 50 bis 70 Jahren. Nun wurde das Projekt abgeschlossen. Welche Erkenntnisse wurden gewonnen? Wie geht es weiter?

Die Stiftung Basler Wirrgarten setzt sich seit ihrer Gründung im Jahre 1999 für die Unterstützung von Menschen mit Demenzerkrankungen und deren Angehörigen ein. Ab 2017 wurde das Angebot erweitert zugunsten von jung- und frühbetroffenen Menschen mit Demenz. Wegen mangelnder Angebote für diese Betroffenengruppe lancierten im September 2022 der Stiftungsrat des Basler Wirrgartens, der Kanton Basel-Stadt und die Age-Stiftung ein Pilotprojekt für eine Tagesstruktur für jung- und frühbetroffene Menschen mit Demenz, welches nun erfolgreich abgeschlossen wurde. Seit dem 01. April besteht das Atrium Jung als unbefristetes Regelangebot.
Am 16. September 2024 wurde die wissenschaftliche Auswertung des Projekts Atrium Jung der interessierten Öffentlichkeit präsentiert. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

1. Es braucht Angebote für Demenzbetroffene im Vorrentenalter

Gemäss Schätzungen gibt es in der Schweiz über 7146 demenzbetroffene Menschen im Alter von 30 bis 64. Für das Einzugsgebiet des Atrium Jung sind es rund 450 Menschen. Das Potential für die Nutzung des Tagesstrukturangebots wird im Einzugsgebiet von Basel auf ca. einen Drittel, d.h. etwa auf 150 Personen geschätzt.

2. Passende Angebote

Jung- und frühbetroffene Menschen mit Demenz sind in einer speziellen Situation und haben deswegen spezielle Bedürfnisse. Mit der Diagnose fallen sie oft aus dem Berufsleben und verlieren dadurch ihre gewohnte Tagesstruktur und einen Teil ihres sozialen Umfelds. Das hat nicht selten gravierende Folgen und greift ihre eigene Identität und das Selbstwertgefühl an. Die Abnahme von kognitiven Fähigkeiten, der Planungs- und Entscheidungsfähigkeiten erschweren die Alltagsgestaltung, obwohl Betroffene oft noch bei guter körperlicher Gesundheit sind.

Auch Angehörige von Betroffenen werden physisch und psychisch stark belastet. Oft sind sie noch im Berufsleben und sollten sich gleichzeitig stärker um die betroffene Person kümmern, was nicht selten zu Stress und Erschöpfung führt.

Das Atrium Jung konnte im Laufe der Projektphase Bedürfnisse von Betroffenen und Angehörigen konkretisieren und bietet zurzeit zwei Tagestreffs an von 09:30 bis 17:30, wo gemeinsam gekocht, gegessen und geredet wird, aber auch andere gemeinsame Aktivitäten geplant und erlebt werden. Zudem findet für Interessierte einmal pro Woche ein Wandertag statt von 11:30 bis 17:30, beginnend mit einem Mittagessen. Eine anschliessende Wanderung in der Umgebung dauert ca. zwei Stunden.

Blick in einen Teil des Gartens, in welchem Betroffene, Betreuende und Angehörige spazieren und die Natur geniessen können.

Küche: Das Mittagessen wird gemeinsam eingekauft, zubereitet und genossen.

Aufenthaltsraum: Ort für Begegnungen, Gespräche, Spiele

3. Wirkungen der Angebote

Am Tag der Präsentation der wissenschaftlichen Studie von Interface konnte sich Seniorweb mit beteiligten Fachpersonen, mit jungen Demenzbetroffenen und Angehörigen austauschen. Die Heiterkeit und Freude über das gelungene Pilotprojekt waren überall zu spüren. Zudem wurde eine eindrückliche Tonbildschau mit Statements von Betroffenen gezeigt.

Interface fasst die Wirkungen des Atrium Jung so zusammen: Die Angebote schaffen eine Tagesstruktur und ermöglichen bei den Betroffenen einen Austausch, soziale Kontakte und Gruppenzugehörigkeit. Alltagskompetenzen (etwa beim gemeinsamen Kochen) werden erhalten und gefördert, was die Lebensqualität und Lebensfreude stärken. Depressionen kann so vorgebeugt werden. Angehörige werden entlastet und Konflikte zwischen Betroffenen und Angehörigen werden seltener.

Seniorweb stellte den fachlichen und administrativen Projektverantwortlichen des Atrium Jung, Flurina Manz und Birgit Sachweh, je zwei Fragen:

Inwiefern ist das Pilotprojekt «Tagesbetreuung von Jung- und Frühbetroffenen von Demenz» gelungen? Inwiefern gab es unerwartete Herausforderungen

Flurina Manz: Das Projekt ist sehr gut gelungen, unsere Erwartungen wurden übertroffen. Es ist schön zu sehen, wie zufrieden die Betroffenen mit dem Angebot sind und welche

Flurina Manz ist die Leiterin der Atrium Beratungsstelle und fachliche Projektverantwortliche des Atrium Jung. Für ihren grossartigen Projekteinsatz erhielt sie von Birgit Sachweh einen Blumenstrauss.

Lebensqualität es ihnen zurückgibt. Das Zusammensein in der Gruppe ist ganz wichtig für ein gutes Lebensgefühl, man ist einfach nicht mehr alleine.

Herausforderungen gab es vor allem bei der Personalsuche bei der Erweiterung von einem auf drei Tage. Am Anfang des Projektes war es auch sehr schwierig, einen geeigneten Raum zu finden, der regelmässig an einem Tag genutzt werden konnte für die Pilotzeit von zwei Jahren.

Nun wird das Pilotprojekt in einen Regelbetrieb überführt. Braucht es da noch Anpassungen?

Flurina Manz: Wir konnten sehr schnell eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basel-Stadt schliessen. Wir haben aber auch viele Tagesgäste, die aus anderen Kantonen kommen. Auch vom grenznahmen Ausland gäbe es Bedürfnisse. Die Finanzierung über die Kantonsgrenzen hinweg wird uns noch weiter beschäftigen, da das Angebot regional verankert sein soll. Im Moment leistet unsere Stiftung im Übergang noch Zuschüsse, aber wir werden langfristig Kooperationen mit den Gemeinden abschliessen müssen – und dies sind schon nur im Kanton Baselland 86 Gemeinden!

Teilnehmende an den Tagestreffs (dienstags und donnerstags, 09:30 – 17:30) oder am Wandertag (mittwochs 11:30 – 17:30) bezahlen Fr. 60.50.- inkl. Mittagessen. Wer bezahlt den Rest?

Birgit Sachweh: Einen eher kleinen Beitrag bezahlt die Krankenkasse nach einer RAI Einstufung. Der grössere Teil der Restkosten wird vom Kanton Basel-Stadt übernommen.

Birgit Sachweh ist Geschäftsleiterin des Basler Wirrgartens und administrative Projektverantwortliche des Atrium Jung.

Dies müsste wie bei anderen Tagesstrukturen bei Gemeinden anderer Kantone auch so sein, nur dass das Atrium Jung aufgrund der kleineren Zielgruppe überregional aufgebaut ist.

Worauf müssen Akteure achten, die anderswo eine ähnliche Tagesbetreuung einrichten wollen?

Birgit Sachweh: Es ist sicher hilfreich, wenn die Institution, die den Aufbau macht, schon bekannt ist bei den kantonalen Behörden und einen gewissen Namen in der Fachwelt hat. Dies hilft, Stiftungsgelder und auch beim Kanton eine Finanzierung zu bekommen. Da geht es um Vertrauen bei den Geldgebern.
Andererseits ist es wichtig, die Tagesstruktur nicht auf der grünen Wiese zu planen, sondern schon im Kontakt mit den Betroffenen und den Angehörigen zu stehen und sie in den Prozess des Aufbaus einzubeziehen.
Als dritten Punkt war es wichtig, dass parallel zur Tagesstruktur auch eine Beratungsstelle existiert für die Aufnahme der Betroffenen und die Beratung der Angehörigen. Die Tagesstruktur ist nur ein Puzzleteil im Hilfssystem. Um eine Stabilität für die Betroffenen und Angehörigen zu schaffen, braucht es aber weitere Unterstützung.

Zum Titelbild: Aussenansicht des Gemeindehauses Oekolampad. Das Atrium Jung des Basler Wirrgartens befindet sich seit 2024 in schönen Räumlichkeiten des Gemeindehauses Oekolampad, inkl. grosszügigem, geschütztem Garten. Die Wibrandis Stiftung vermietet die Räumlichkeiten an verschiedene Institutionen, eine davon ist die Stiftung Basler Wirrgarten. Foto©Wibrandis Stiftung. Weitere Fotos von bs.

Schlussbericht von Interface zum Pilotprojekt Atrium Jung: Be_Evaluation_Atrium_Jung_2024_09_03_INTERFACE_Web_einseitig

Website Stiftung Wirrgarten

Die Age-Stiftung unterstützte das Pilotprojekt mit einem Beitrag von Fr. 160 000.- 

 

 

 

 

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