Sie ist die klassische Friedhofsblume für die kalten Monate, füllt aber auch Blumenkästen, wenn sich Geranien und Lobelien in die Winterruhe verabschiedet haben. Und sie stiftet mit ihrem Namen und ihrer Frosttoleranz Verwirrung. Die Besenheide (Calluna vulgaris) ist eine ganz besondere Pflanze, gehört zwar zur Familie der Ericaceae, aber eine Erika ist sie nicht.
Es ist ein unvergesslicher Anblick: Eine Heidelandschaft, etwa in Norwegen, Irland, Schottland und Deutschland, die sich im Spätsommer einen rosaroten Teppich überzieht. Die Lüneburger Heide in Norddeutschland ist die grösste zusammenhängende Heidelandschaft Europas und zieht jedes Jahr Scharen von Besuchern an, die alle nur eine sehen wollen: die Erika. Die gar keine ist, denn die richtige Erika hat zwar tausend Verwandte, also Abarten, kommt aber nur in milden Klimazonen und auch in Afrika vor und ist mit ihren kleinen Glöckchen, die dicht an dicht zusammensitzen, bei uns nicht winterhart.
Im Herbst legen sich die Callunapflanzen wie ein rosa Teppich über die Heidelandschaften. Hier die Lüneburger Heide. (alle Bilder pixabay)
Was landläufig oft als Erika bezeichnet wird und Kälte und Schnee trotzt, ist die Besenheide, ein kleiner Strauch, der winterhart ist und jedes Jahr wieder blüht. Und mit ihren weissen, rosa bis roten kleinen Blüten, die in dichten Trauben an den etwas struppigen, schuppig belaubten Zweigen für Farbtupfer sorgt. Dann, wenn die meisten Pflanzen sich langsam auf die Winterruhe vorbereiten.
Bei Bienen im Herbst noch sehr gefragt
Sie bietet auch Insekten, vor allem Hummeln und wenn die Sonne noch zögerlich wärmt, auch Bienen noch reichlich Nektar. Im Jugendstadium sind ihre Ästchen weich und biegsam, je älter sie wird, desto mehr verholzen sie. Ist etwa so wie bei den Menschen: In der Jugend noch anmutig und leicht formbar, dann immer etwas reifer und charaktervoller und im Alter eher störrisch, härter manchmal, vielleicht auch etwas struppig. Nur dass wir eher an Jahrringen zulegen und uns weniger mit duftenden Glöckchen schmücken. Der botanische Name Calluna lässt sich auf das griechische «kalynein» zurückführen, was reinigen oder fegen bedeutet. Denn aus den zierlichen, aber zähen Zweigen wurden früher kleine Besen gebunden.
In der Literatur ist die Besenheide oder, wie sie auch genannt wird, das Heidekraut, kein grosser Star. Aber im Aberglauben ist sie fest verankert. Eine Legende der Kelten besagt, dass die Pflanze aus dem Blut erschlagener Helden gewachsen sei. Und da sich Kelten und Germanen des Öftern die Köpfe eingeschlagen haben, sind heute noch ganze Landstriche im Herbst blutrot.
Auch im Winter, wenn es schneit… . Die Besenheide nimmt so schnell nichts übel.
Weisse Calluna aber sollen nur dort wachsen, wo sich zuvor Feen ausgeruht haben. Gilt wohl weniger für die für den Verkauf produzierten Pflanzen. So viele schlafende Feen gibt es doch gar nicht! In Schottland aber hoffen junge Frauen, wenn sie in der Heide eine weiss blühende Pflanze finden, dass sie noch im selben Jahr ihrem Zukünftigen begegnen werden.
Hält Blitz und Hagel und Hexen fern
Ganz allgemein galt die Besenheide als Glücksbringer und war bereits im Mittelalter beliebt und gehörte zu den wichtigen Nutzpflanzen. Sie lieferte Stroh, das auch gerne als Matratzenfüllung verwendet wurde, weil es für einen tiefen, guten Schlaf sorgte. Aber auch Schnüre, Körbe, Taschen wurden aus dem etwas störrischen Kraut gefertigt und ein Sud aus den Blüten soll die Wolle schön olivgrün gefärbt haben. Ein Sträusschen, hinter einen Spiegel im Haus gesteckt, sollte zudem Blitz und Hagel abwenden. Küchen und Ställe wurden zudem regelmässig mit Heidekraut ausgeräuchert. Das schützte vor Schädlingen und Krankheiten – und, sehr wichtig, vor Hexen, die bis heute um das kleine winterharte Sträuchlein einen grossen Bogen machen. Wer Ferien in Schottland macht, sollte es nicht versäumen, in einem Pub ein Fraoch zu bestellen. Das ist gälisch und heisst Heidekraut, steht für Mut und Tapferkeit und ist ein Bier, das – unter anderem – aus der Besenheide gebraut wird.
Wer weiss, vielleicht schlafen kleine Feen auch heute noch in weissem Heidekraut. Ausprobieren!
Auch bei uns ist die Besenheide beliebt. Allerdings nur als Zierpflanze. In Blumenkistchen ist sie ebenso beliebt wie als Lückenfüller und Farbtupfer in Rabatten – und auf Friedhöfen. Und wer weiss? Wer vor der Haustüre in einem grossen Pflanzgefäss die Besenheide in verschiedenen Farbtönen arrangiert, entdeckt in der weissen Variante vielleicht eines Morgens doch auch eine kleine schlafende Fee.
Oh ja, ich mag die Besenheide; ihre Blüte ist kleinteilig und doch so wirkungsvoll. Sie macht sich besonders in Balkongefässen dekorativ breit und gibt mit der einjährigen hellgrün leuchtenden Erica arborea und weiteren weissen und winterharten Pflanzen einen ansprechenden und pflegeleichten Balkonschmuck ab. Dazwischen eine von der Sonne gespeisten Beleuchtung, und die Weihnachtszeit kann kommen.
Spannend, sehr Interessant! Wie Sie in den keltischen Mythen und dem damit verbundenen Volksglauben und den alten Bräuchen recherchiert haben.
Vielen Dank Frau Reichlin.