StartseiteMagazinLebensartDie Zeit zwischen den Zeiten

Die Zeit zwischen den Zeiten

«Zwischen den Jahren» werden die Tage zwischen Weihnachten und 6. Januar genannt. Seit Jahrhunderten ranken sich um diese Zeitspanne Mythen und Rituale. Wo oder von wem musste Abschied genommen werden, was bringt das neue Jahr? Es ist ein Leben zwischen Vergangenheit und Zukunft, irgendwie im Irgendwo. Es sind die Raunächte.

Sie sollen etwas ganz Besonderes sein, diese zwölf Nächte zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar, dem Dreikönigstag. Seit Jahrhunderten ranken sich Mythen und Rituale um diese Zeit, diesem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft. In den letzten Jahren hat auch in unserer rationalen Zeit das Interesse an dem alten Brauchtum wieder zugenommen – Menschen brauchen oder suchen etwas fassbare Spiritualität, ein Stück Magie.

Magische Sonnenwende

Genau verorten lassen sich die Raunächte nicht, die in germanischen, keltischen und slawischen Regionen und Kulturen eine Rolle spielen. Manche Quellen verweisen sogar auf vorchristliche Bräuche. Da sich erste schriftliche Aufzeichnungen erst im Spätmittelalter finden, bleibt vieles im Dunkeln. Die Ahnung, dass in der Zeit der Sonnenwende die Grenze zwischen der realen und der jenseitigen Welt besonders dünn, wenn nicht sogar durchlässig wird, zieht sich aber wie ein roter Faden durch alle Deutungen.

In den Raunächten stürmen die wilden Kerle durch den Nachthimmel.

Was in allen Mythen erzählt wird, ist «die wilde Jagd», eine als eisige Winde übers Land fegende Horde von Geistern und Dämonen, angeführt je nach Quelle vom nordischen Gott Odin, wahlweise auch von Donar oder Loki, vom Ostgotenkönig Theoderich oder sogar Frau Holle.

Gut gibt es heute den Tumbler

Um sich diese Geisterschar vom Leibe zu halten, gibt es seit altersher gewisse Rituale, von denen einige in der heutigen Zeit eine Art Revival erfahren. Die Warnung, während der Zeit der Raunächte im Freien keine Wäsche aufzuhängen, weil sich darin Geister verfangen und so ins Haus geschleppt werden könnten, hat sich mit dem Tumbler wohl etwas überlebt. Aber die Tradition, das Haus oder die Wohnung von negativen Energien zu befreien, indem die Räume «ausgeräuchert» werden, wurde in den letzten Jahren wieder richtig populär. Es ist ein Schutzritual, das seit Hunderten von Jahren in vielen Kulturen angewendet wird.

Die Wohnräume mittels eines Rituals «auszuräuchern», wird heute wieder des öftern praktiziert. Nicht nur von Teufelsaustreibenden.

Es gibt Räuchermischungen zu kaufen, manche sogar spezifisch auf jeden der zwölf Tage abgestimmt. Man kann sich aber auch selbst eine Mischung zusammenstellen, aus Weihrauch, Salbei, Wacholder, Wermut, ergänzt durch Zedernholz und, wer es ganz intensiv mag, durch Kampfer. Dass nach dem Ritual kräftig gelüftet werden muss, versteht sich von selbst. Und wer es nicht so mit dem Rauch hat, kann wahlweise auch etwas Salzwasser in jeder Zimmerecke versprühen.

Die zwölf Tage stehen in der mystischen Wahrnehmung für die zwölf Monate. Sie sind deshalb auch eine Art Langzeit- Wetterprognose und, fast noch wichtiger, ein Orakel. Dazu werden die Träume aufgeschrieben, Karten gelegt oder – wer kennt es nicht – an Silvester, dem sechsten Tag, Blei gegossen.

Das Wunschzettel- Orakel

Die Verbindung mit der geistigen Welt stellt man auch mit einem Wunsch- Orakel her. Dazu werden auf 13 Zetteln ebenso viele Wünsche aufgeschrieben. Nein, natürlich nicht der Wunsch nach einem Sechser im Lotto oder einem neuen Auto, eher Wünsche auf spiritueller Ebene. Die Zettel werden einzeln sorgfältig klein gefaltet und in einem Gefäss gemischt. An jedem Tag der Raunacht- Zeit wird ein Zettel gezogen und ohne ihn zu lesen verbrannt. Ist momentan schon etwas spät, aber wer verbietet es denn, die ersten drei Zettel zusammen zu verbrennen? Mit diesem Ritual – und dem dabei entstehenden Rauch – schickt man die Wünsche an eine höhere Stelle, ob das nun das Universum oder einfach die geistige Welt ist. Der Zettel, der am Ende der Raunächte am 6. Januar übrigbleibt, der wird aufgefaltet. Und dieser Wunsch, den muss man sich selber erfüllen, das ist die ganz persönliche Aufgabe.

Was bringt das neue Jahr? Was klann man sich erhoffen, wovor muss man sich hüten? (alle Bilder pixabay)

Es gibt noch andere Bräuche, die man zelebrieren kann. Sinnvoll ist es, während dieser Tage aufzuräumen, die Wohnung, die Mailingliste, aber auch sein Inneres – einfach alles sollte von unnötigem Ballast befreit werden. Auch Schulden werden jetzt am besten beglichen und Ausgeliehenes zurückgegeben. Haare oder Nägel schneiden, sollte vermieden werden. Sonst drohen Kopfschmerzen und Arthritis. Und, ganz wichtig, im Haus zu pfeifen, sollte man unterlassen. Es beschwört Unheil herauf. Sicher ist, mit all diesen Schutzvorkehrungen und den erfragten Zukunftsaussichten vergehen die zwölf Raunächten wie im Flug. Und dann kehrt der Alltag wieder ein.

 

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0<

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-