Es ist fast nicht zu glauben, aber wahr. Vor dem zweiten Weltkrieg war Altwerden für viele eine Armutsfalle. Heute sind wir Alten, insbesondere die künftigen Rentnerinnen und Rentner die, welche gar geschröpft, ja noch stärker zur «Steuer-Kasse» gebeten werden sollen, um die Bundesfinanzen ins Lot zu bringen. Quasi: Von den einfachen AHV-Bezügern zu den Sanierern des Bundeshaushaltes.
Erinnern wir uns: Die Altersvorsorge war bis 1948 weitgehend Sache der Familien, gemeinnützigen Organisationen und der Kirchen. Zwar wurde bereits 1925 die Verfassungsgrundlage für die AHV gelegt, die aber erst 1948 in Kraft trat, nachdem die Schweizer Männer ihr 1947 zugestimmt hatten. Immerhin: Während des zweiten Weltkrieges nutzte der Bundesrat seine Vollmachten und schuf die Lohn- und Verdienstersatzordnung für die Soldaten. Ohne diese Regelung hätten damals viele Schweizer Familien noch weit ärger darben müssen, was sie sie ohnehin schon mussten.
Immer wieder wurde das beliebteste Sozialwerk der Schweiz reformiert, bis es gar mit einer 13. Rente 2024 stark aufgewertet wurde. Betrug 1948 eine AHV Rente 40 Franken (Wert heute: 194 Franken) kommt sie ab 2026 inkl. 13. Rente auf etwa 2’700 Franken im Maximum im Monat zu stehen. Das ist viel im Vergleich zum Start, aber zu wenig, um davon zu überleben, obwohl verfassungsrechtlich die AHV-Rente die Existenz zu sichern hätte.
Unsere Mütter und Vater wussten darum. Sie schufen unter gütiger Mithilfe von uns damals noch Jungen 1972 das Dreisäulenprinzip, welches für die 2. Säule 1985 in Kraft trat. Das alles mit dem Ziel, die Altersarmut definitiv zum Verschwinden zu bringen. Was nicht vollständig gelang, weil immer noch etwa 300’000 ältere Menschen in der Schweiz auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, wenn sie die Zusatzleistungen denn auch beantragen oder es aus unnötiger Scham nicht tun. Auf der anderen Seite schuf Bundesbern Steuervergünstigungen für die zweite und insbesondere für die dritte Säule mit dem Ziel, die Altersarmut nicht nur definitiv zu besiegen, sondern den älteren Menschen ein sorgenloses Leben nach dem Berufsleben auch zu sichern. Viele vertrauten darauf, «sparten in der Zeit, um in der Not», respektive im langen Leben als Pensionäre nicht darben zu müssen. Wenn es nun tatsächlich nach dem Bundesrat gehen sollte, werden die Steuervergünstigungen einen radikalen Schnitt erfahren. Neu soll bei einem Kapitalbezug aus den Pensionskassen ein progressiver Tarif angewendet werden.
Speziell bei hohen Summen werden die Unterschiede zwischen der aktuellen und der vorgesehenen Besteuerung gross. Beträgt beispielsweise das Kapital in der 2. Säule beim Bezug rund 250’000 so steigt die Steuer von 3’677 auf 5’096, bei 1’000’000 von 23’000 auf 42’595 und schliesslich bei 3’000’000 von 69’000 auf 192’590 Franken. Daraus wird ersichtlich, dass es vor allem die hohen Kapitalien trifft. Das mag die Menschen mit tiefen Guthaben trösten, aber auch die Arbeitnehmenden, die hohe Beiträge mit den Arbeitgebenden einbezahlt und so zugute haben, gingen davon aus, dass sie das angesparte Kapital steuerbegünstigt ausbezahlt bekommen. Für sie ist es so, wie wenn während des Spieles die Regeln geändert würden. So sind Kommentare in den sozialen Medien mehr als verständlich, wenn die vom Bundesrat geplanten Massnahmen als einen «Angriff auf den Mittelstand» bezeichnet werden. Oder wenn in der NZZ die folgende Reaktion zu lesen ist: «Die Dummen sind wie immer diejenigen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben.» Immerhin: Die «Heiratsstrafe» soll abgeschafft, die Ehepartner sollen einzeln besteuert werden.
Tatsächlich: Ein kleiner Teil von uns Alten ist sehr gut versorgt, überversorgt, der Mittelstand ganz ordentlich, viele kommen knapp durch wie die schon erwähnten 300’000 Bezüger von Ergänzungsleistungen. Und wenn die NZZ schreibt: «Schon heute zahlen die Rentner dem Fiskus viel Geld.» Für ein Ehepaar erreiche die Steuerbelastung im Schnitt fast 20’000 Franken.» So ist die Zahl zu relativieren, weil es eben ein Durchschnittswert ist, der nur deshalb zustande kommt, weil die Reichen und der obere Mittelstand weit höhere Steuern zu zahlen haben, aber dazu auch zu zahlen in der Lage sind. Nicht zu unterschlagen ist, mit welch grossem Beitrag viele von uns Alten für die nachkommenden Generationen bei der Enkelbetreuung, gar beim Kauf eines Eigenheimes, der Gesellschaft ehrenamtlich leisten. Milliarden, die leider nicht so einfach zu erfassen sind.
Und wahr ist aber auch, dass der Bundeshaushalt weit besser dasteht, als immer wieder von Bundebern bis zum Bundesrat behauptet wird. Einmal beträgt die Staatsverschuldung in der Schweiz nur 36% des Bruttoinlandsozialproduktes BIP im Gegensatz zu Deutschland, dort sind es 60%, in den USA 126% und in Italien gar 140% als Beispiele. Und die Rechnung des Bundes 2024 schliesst lediglich mit 80 Millionen Defizit ab. Budgetiert waren sage und schreibe 2,6 Milliarden. Wer hat sich da bewusst verrechnet? Nicht zuletzt Karin Keller-Sutter. Unsere Finanzministerin hat schlechte Karten, wenn sie sich gegen die künftigen Rentnerinnen und Rentner durchsetzen will, die ihr Kapital aus den Pensionskassen beziehen wollen. Kommt hinzu, dass Kapitalbezüger in der Tendenz nach eher ihrer Partei, der FDP, angehören.
Was sich der Bundesrat da leistet, ist ein extrem grober Verstoss gegen den über 2000jährigen fundamentalen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (bona fides).
Einem solchen Bundesrat glaubt man dann gar nichts mehr.
Noch schlimmer: Ein Rechtssystem, in dem man sich auf diesen Grundsatz nicht mehr verlassen kann, kann man komplett in die Tonne treten.
es kann sein, dass die freisinnige mit dem kürzel KKS ihren laden im griff hat.
aber sie ist auch die unsozialste finanministerin der letzten jahrzehnte. null feeling für die nöte der ärmeren.
Was können wir denn dagegen tun? Ich meine, die «Funktionäre» wurden allesamt vom Volk gewählt (nicht von mir!)….