Frühlingserwachen bedeutet für viele einfach nur schlafen, schlafen, schlafen. Morgens kommt man nur schwer aus dem Bett, ohne Kaffee läuft gar nichts, und mittags zöge man sich am liebsten wieder die Bettdecke über den Kopf. Frühjahrsmüdigkeit ist mehr als nur eine faule Ausrede, um sich vor anstehenden Aufgaben zu drücken.
«Geh nach draussen, bewege dich, geniesse die Sonne und reiss dich ein bisschen zusammen» sind gängige Ratschläge für die mit halboffenen Augen durch die Gegend schleichenden Mitmenschen. Nur, was tun, wenn die Beine so schwer wie Blei sind, im Kopf mehr Watte als Gehirn ist und vielleicht darüber hinaus auch noch die Augen triefen wegen einer Pollenallergie. Ein Lichtblick gibt es: In einigen Wochen ist alles vorbei.
Denn Frühjahrsmüdigkeit ist keine Krankheit. Aber wenn das Wetter Purzelbäume schlägt – mal fast 20-Grad warm, dann wieder eine «Schneefallgrenze bis in tiefere Lagen» – dann macht bei vielen der Organismus einfach mal schlapp. Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen und ganz allgemein Antriebslosigkeit machen, so zeigen Studien, fast der Hälfte der Bevölkerung mehr oder weniger zu schaffen. Frauen leiden etwas häufiger an dem Phänomen.
Früjahrsmüde oder krank?
Was also tun? Zuerst mal sollte genau hingeschaut werden. Wenn die Erschöpfung schon einige Wochen anhält, empfiehlt sich eine medizinische Abklärung. Liegt vielleicht ein Mangel an Vitamin B12 oder Eisen vor, ein chronisches Erschöpfungssyndrom (chronisches Fatigue-Syndrom CFS), das (auch) nach einer Corona-Infektion auftreten kann, leidet man an einer Schlafapnoe (häufige Atemaussetzer im Schlaf), einer Schilddrüsenunterfunktion, einer Gluten-Intoleranz, einer Depression? Die Aufzählung ist unvollständig, es gibt viele Krankheitsbilder, die mit einer chronischen Müdigkeit in Zusammenhang stehen.
Kaum hat man sich an die morgendliche Helligkeit gewöhnt, kommt die Sommerzeit. Und wieder steht man im Dunklen auf.
Bin ich also frühlingsmüde oder vielmehr richtig krank? Die Antwort braucht nur etwas Zeit: Wer sich so nach Mitte April wieder gesund und unternehmungslustig fühlt, dem machte wohl wirklich nur der Wechsel der Jahreszeiten zu schaffen. Am Morgen wird es früher hell, was das Aufstehen etwas erleichtert. Und dann kommt der Wechsel auf «Sommerzeit» Ende März und die innere Uhr, die sich am Tageslicht orientiert, wird wieder zurückgedreht. Einen ganzen Monat dauert es, bis der Tag wieder so hell beginnt wie vor dieser künstlichen Zeitumstellung.
Hormone spielen verrückt
Die Folge: Der ganze Organismus kommt aus dem Takt, die Lichtsensoren im Gehirn, die gewisse Hormonumstellungen einleiten, vom Winterdunkel auf hellere Phasen, werden gestört. Die Folge können Müdigkeit, Verlust an Antriebskraft, vermehrtes Verlangen nach Kohlenhydraten (Schokolade!), gestörter Schlaf und depressive Verstimmungen sein – Frühlingsmüdigkeit.
Die Frühjahrsmüdigkeit verschlafen? Keine gute Idee.
Die lässt sich übrigens einfach erklären: Im Winter sinkt, bedingt durch die dunklen Tage, die Produktion des Aktivitätshormons Serotonin, dafür findet sich dessen Gegenspieler, das Schlafhormon Melatonin, in höherer Konzentration im Blut. Werden die Tage länger und heller, wird mehr Serotonin gebildet, das Melatonin im Blut wird aber nur langsam reduziert. Dieses Ungleichgewicht der beiden neurobiologisch aktiven Komponenten bringt den Körper durcheinander.
Das einfachste Mittel dagegen ist, analog den Methoden zur Linderung eines Jetlags, das Licht: Raus ins Freie, am besten in der ersten Tageshälfte. Ob Regen oder Sonnenschein, ob blauer Frühlingshimmel oder die letzten Schneeflocken, ein zügiger Spaziergang weckt die Lebensgeister. Man könnte, denkt vielleicht der eine oder die andere, diese paar Wochen auch einfach «durchseuchen», lange im Bett liegen bleiben und die jahreszeitlich bedingte Umstellung einfach verschlafen.
Raus an die frische Luft!
Keine gute Idee, denn je mehr man sich schont, desto länger dauert die Akklimatisation an die sich verändernden Verhältnissen. Der im Winter hohe Melatoninwert wird am besten mit viel Tagesicht und Bewegung im Freien abgebaut. Der ganze Kreislauf wird schon durch einen zügigen Spaziergang aktiviert und mit viel Sauerstoff versorgt, was auch volatilen Blutdruckwerten entgegenwirkt. Denn im Frühling kann der Blutdruck plötzlich schwanken – etwa so wie auch das Wetter.
Frische Kost macht munter. Und wird jetzt auch wieder reichlicher angeboten,
Empfehlenswert ist am Morgen allerdings ein sanfter Start in den Tag. Also sich im Bett erst mal genüsslich strecken und dehnen, am Fenster nach dem Wetter schauen und dabei einige tiefe Atemzüge machen. Und dann ganz tapfer sein und die morgendliche Dusche mit einigen kalten Güssen abschliessen. In den ersten Tagen vielleicht nur die Beine kalt abbrausen, ein paar Tage später die Arme dazu nehmen – und plötzlich ist der schnelle kalte Guss über Rücken und Bauch gar keine grosse Sache mehr.
Frühlingsmüde? Was ist das?
Allerdings ist zu bedenken, dass die Haut langsam an die wieder stärker werdenden Sonnenstrahlen gewöhnt werden muss. Also gut eincremen und, sollten die Haare etwas lichter geworden sein, im Freien auch eine Kopfbedeckung tragen. Dazu kommen die üblichen Ratschläge wie gesunde, möglichst frische Kost – ein paar Erdbeeren mit etwas Rahm, an der Sonne sitzend genossen, gehören doch einfach zum Frühling – und wichtig: viel trinken. So wird der letzte Wintermief aus dem Körper geschwemmt und man kann bei Klagen über diese lästige Frühjahrsmüdigkeit locker sagen: Hab ich super im Griff, ich könnte (fast) Bäume ausreissen!
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