Schwarzenburg feiert sein 1000-jähriges Bestehen. In einem reich bebilderten Jubiläumsbuch beleuchten 33 Autorinnen und Autoren Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde. Die überraschende Erkenntnis, dass das Jubiläum fünf Jahre zu früh zelebriert wird, leistet der hohen Qualität der Chronik keinen Abbruch.
Durch Sensegraben, Schwarzwasser und Gantrischkette von den mittelländischen Zentren abgeschnitten, lebte das Dorf Schwarzenburg während Jahrhunderten als «Markplatz im Wald» eher ein Schattendasein. Dank dem Ausbau der Kantonsstrasse, der Eisenbahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts und einer kantonalen Verwaltungsreform (2010) hat sich der Ort abseits der grossen Metropolen mittlerweile zu einer Zentrumsgemeinde gewandelt.
Vor zwei Jahren setzte die Gemeinde ein Projektteam mit Gemeindepräsident Urs Rohrbach an der Spitze ein, das mit Blick auf das 1000-Jahr-Jubiläum eine umfassende Dorfchronik, ein zitierfähiges Fachbuch mit einer ausführlichen Bibliografie, produzieren sollte. 35 Personen, Fachleute und Laien, mit wenigen Ausnahmen alle aus Schwarzenburg, recherchierten, schrieben Texte, suchten historische sowie aktuelle Fotos, erstellten Grafiken und Tabellen. Entstanden ist ein wunderbares Werk (Auflage 1000 Exemplare), das die Entwicklung der bernischen Randregion an der Grenze zum Kanton Fribourg darstellt und die Region sowie die Bewohner in allen Facetten portraitiert.
Korrigierte Ersterwähnung
In die medialen Schlagzeilen gekommen ist die Publikation bereits vor der Buchvernissage: Denn der Berner Mittelalterhistoriker und -archäologe Armand Baeriswyl stiess bei seinen Recherchen auf das korrekte Datum. Es geht auf einen Pachtvertrag vom 21. Mai 1030 zurück, in dem erstmals die Menschen und der Ort genannt werden. Damit ist Schwarzenburg – wissenschaftlich gesehen – «erst» 995 Jahre alt.
Die Originalurkunde ist verschollen, aber durch zwei Abschriften mit fehlerhaften Daten überliefert. Der deutsche Historiker Theodor Schieffer hat bereits 1977 herleiten können, dass die Originalurkunde aus dem Jahr 1030 stammen muss. «Allerdings sagt dieses Datum nichts darüber aus, wie lange es das Dorf vorher schon gab.» Wahrscheinlich sei es noch älter, meint der Baeriswyl.
Naturraum, Gewässer, Klima, Flora und Fauna
Eingebettet in eine wilde Hügellandschaft, thront die Grasburg zwei Kilometer nördlich von Schwarzenburg hoch über dem Sensegraben auf einem Felsen (Quelle: Buch Seite 51).
Die Chronik ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehung der hügeligen, von Schluchten durchzogenen Topografie (Gletscher, Flüsse und Findlinge), die Wasserproblematik (Hochwasser und Überschwemmungen), Flora, Fauna, Orts- und Flurnamen und die regionale Wasserversorgung. Heute beträgt der Waldanteil am Gemeindegebiet 26 Prozent. Durch die Jahrhunderte hindurch war Holz ein wichtiger Rohstoff, der auch den Ortsnamen prägte: «Schwarzer» (dunkler) Wald und das heutige «Burg» kommt nicht etwa von einer (schwarzen) Burg oder gar der nahegelegenen Grasburg, sondern vom althochdeutschen burc (lat. burgum), was Siedlung bedeutet, – zusammengesetzt: Schwarzenburg».
Besiedlung, Herrschaft und Verwaltung
Das Schloss Schwarzenburg wurde zwischen 1573 und 1576 teilweise in Fronarbeit erbaut (Seite 62).
Im zweiten Kapitel geht es um die Besiedlung des ursprünglich zum Herzogtum Burgund gehörenden Gebiets, die Verwaltung durch das Abtei St. Maurice und die Verkehrsverbindungen. Bereits in römischer Zeit (150 n. Chr.) existierte eine Verbindung von Aventicum an den Thunersee. Die Strecke wurde später zu einem Teil des Jakobswegs, der weiter über Fribourg Richtung Frankreich nach Spanien führt. Erst der Eröffnung des Schwarzwasserviadukts (1882) und der Eisenbahnlinie von Bern nach Schwarzenburg (1907) gelang die Verkehrsanbindung von Dorf und Region Schwarzenburg an die Kantons- und Bundesstadt. Die Kantonsstrasse und die Eisenbahnlinie führten in der Folge im 20. Jahrhundert zum wirtschaftlichen Aufschwung der Region.
Anschluss an den öffentlichen Verkehr: Am 31. Mai 1907 fuhr der erste Zug im Bahnhof Schwarzenburg ein (Seite 97).
Internationale Ausstrahlung
Aufgrund seiner Randlage galt Schwarzenburg lange als Armenstube. Hungersnöte und Missernten sorgten dafür, dass grosse Teile der Bevölkerung verarmten, Hunger litten und von der Gemeinde unterstützt werden mussten. Auch darüber berichtet die Chronik. Die Verantwortlichen begünstigten deshalb die Auswanderung in die «neue Welt» finanziell. Zur Ausreise gedrängt wurden auch Andersgläubige (Täufer), die nicht zur reformierten Amtskirche gehören wollten.
Rund um den Globus bekannt wurde Schwarzenburg durch den Bau der Sendeanlagen «Schweizer Radio International». Der Kurzwellendienst KWD, der ab 1939 in der Stadt Bern produzierte Radiobeiträge in mehreren Sprachen in den Äther sandte, war während des Zweiten Weltkriegs bekannt für die von Rudolphe von Salis gesprochene «Weltchronik» und für seine volkstümliche Musik. Die Sendeanlage standen aus militärischen Gründen (Abgeschiedenheit) und der Nähe zu Bern in der Ebene zwischen Elisried und Mamishaus. Der Sendemast war wegen des Elektrosmogs im Dorf wenig beliebt und wurde im Zeitalter der aufkommenden Satellitentechnologie 1998 stillgelegt.
International bekannt ist auch die Schwarzenburger Firma «Gilgen Door Systems», die ihre Türsystem inklusive modernste Schliesstechnik weltweit in siebzig Länder exportiert und einen qualitativ hochstehenden Service bietet.
Zentralisierung und Zentrumsgemeinde
Ab 1969 setzte in Schwarzenburg verwaltungstechnisch die Zentralisierung ein: Durch eine Fusion der Einwohnergemeinde mit den Nachbargemeinden Albligen und Wahlern wurde am 1.1.2011 das Gemeindegebiet vergrössert. Ein Jahr zuvor, am 1.1.2010, war der ehemalige Hauptort des Amtsbezirks zur Zentrumsgemeinde der neuen Verwaltungsregion mit ehemals 26 Gemeinden umfunktioniert worden. Heute positioniert sich die grösste Gemeinde in der Region Gantrisch als attraktiver Wohn- und Arbeitsort mit Ausstrahlung nach bis Bern, Thun und Fribourg.
Mensch und Kultur
Bauernpferderennen, Alpabzug, «Blackburry Scramble», Bachfest, Altjahrs-Esel… Schwarzenburgs Vereine sorgen für ein reichhaltiges Dorfleben (Seite 156).
Das vierte Kapitel der Chronik erzählt von den Menschen und ihrer Kultur: Im 19. Jahrhundert entstanden Schiess- und Sportvereine, die im Dorf noch heute eine wichtige Rolle spielen. Nach und nach wurden auch Instrumentalmusik-, Chormusik- und Theatervereine gegründet. Das heutige Dorfleben wird bereichert von lokalen Künstlern, Malern, Bildhauerinnen, Schriftstellerinnen und Dichtern.
Die spannenden Inhaltskapitel werden ergänzt um den reich bebilderten Teil zur regionalen Baukultur sowie mehreren Portraits von Dorforiginalen. Ein zusätzlicher Mehrwert sind die umfassende Bibliografie, der Abbildungsnachweis und das Autorenverzeichnis.
Wohin geht die Reise?
Den Abschluss der reichhaltigen Chronik bildet ein kurzes fünftes Kapitel, in dem die Redaktion einen Ausblick gibt, wie Schwarzenburgs Zukunft aussehen könnte: Dank bezahlbarem Wohnraum sei es gelungen, etliche Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger ins Dorf zu holen. Frische Arbeitskräfte seien für den Dienstleistungssektor und das Gewerbe wichtig. Dank Verdichtungsprojekten werde, so die Prognose, Schwarzenburg seinen dörflichen Charakter auch in Zukunft bewahren und das durch im Bundesinventar geschützte Ortsbild erhalten.
1000 Jahre Schwarzenburg. Vom Marktort im Wald zum Zentrum der Region. Herausgeberin: Gemeinde Schwarzenburg, 2025. Grafische Gestaltung. Artmax. Druck: Edubook Merenschwand. ISBN 978-3-033-11249-0
Das Buch kann am Schalter der Gemeinde, im Regionalmuseum Gantrisch und in der Buchhandlung Schmiedgasse zum Preis von 49 Franken gekauft werden.
Titelbild: Schwarzenburg damals und heute. Alle Fotos wurden aus dem Buch übernommen.
Grosses Interesse der Bevölkerung an der neuen Schwarzenburg-Chronik: Die Vernissage fand am Sonntag 4. Mai 2025 im Tätschdachhaus hinter dem Schloss statt. Foto PS.
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Ausstellung
Eine Jubiläumsausstellung im Regionalmuseum Gantrisch (Leimern 5 in Schwarzenburg) ergänzt die Chronik und bietet eine Gelegenheit, deren zentrale Themen zu vertiefen. Sie präsentiert die wichtigsten Geschichten und Ereignisse des Dorfs. So wurden zum Beispiel Adelheid und Regenfried zum Leben erweckt, die wir aus der Urkunde mit der Ersterwähnung kennen. Im Museum können besondere Aspekte wie Auswanderung und Familienforschung anschaulicher und im Austausch mit der interessierten Bevölkerung vorgestellt werden. Die Ausstellung, die jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet ist, lädt dazu ein, Fragen zu stellen, eigene Erlebnisse einzubringen und sich aktiv mit Schwarzenburgs Vergangenheit zu beschäftigen.
Das ganze Jahr über feiert das Dorf sein Jubiläum mit zahlreichen Anlässen und Projekten.
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Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Ein Heimweh-Schwarzenburger Jg.1943