StartseiteMagazinKulturPirouetten durch ein Stück Ballettgeschichte

Pirouetten durch ein Stück Ballettgeschichte

Mit «Countertime» taucht der neue Ballettabend am Zürcher Opernhaus in eine Zeitenwende ein: die 50er- und 60er-Jahre. Es herrschte Aufbruchsstimmung, in der Kunst wie auch in der Gesellschaft. Mit «Concerto» der Ballettlegende Kenneth MacMillan, «Mrs. Robinson», einem Handlungsballett von Cathy Marston und der Uraufführung von «Colorfull Darkness» von Bryan Artias wird ein Bogen über ein Stück Ballettgeschichte gespannt.

Der Abend beginnt wie ein Gruss aus der Vergangenheit mit «Concerto» des 1992 verstorbenen Kenneth MacMillan, der zu den führenden Choreografen des 20. Jahrhunderts zählt. Zu den Klängen des Klavierkonzerts Nr.2 F-Dur op.102 von Dmitri Schostakowitschs wird von zwei Solistenpaaren – Nancy Osbaldeston und Carles-Louis Yoshiyama im 1. Satz, Max Richter und Brandon Lawrence im 2. Satz – und Solistin Sujung Lim im 3. Satz, ergänzt durch ein begeisternd präzises und trotzdem beschwingtes Corps de Ballet, eine faszinierende Reminiszenz an die Balletttradition zu Beginn des 20. Jahrhunderts getanzt.

Szene aus «Concerto» von Kenneth MacMillan. Solistin ist Nancy Osbaldeston.

Es ist nicht leicht, die mit Synkopen versetzte Taktsprache des Komponisten in ein fliessendes Bewegungsbild umzusetzen. Dem Ballettensemble gelingt das aufs Schönste. Und das Wiedersehen mit der «klassischen Ballettsprache» weckt, vor allem beim älteren Teil des Publikums, nostalgische Erinnerungen. Und Bewunderung für das Zürcher Ballett, das beweist, dass es die stringente und anspruchsvolle Technik trotz aller moderner Strömungen noch meisterhaft beherrscht.

«Die Reifeprüfung»

Ja, und dann kommt Cathy Marston mit ihrem 2022 in San Francisco uraufgeführten Ballett «Mrs. Robinson». Der Roman «The Graduate» («Die Reifeprüfung») von Charles Webb, wurde vor allem bekannt durch die Verfilmung 1967 mit Dustin Hoffman und Anne Bancroft in den Hauptrollen. Die Story mutete damals ziemlich revolutionär an: Eine reife Frau, die schöne Mrs. Robinson (die keinen Vornamen hat), versucht auf einem Fest den frisch von der Uni kommenden, schüchternen Benjamin zu verführen. Was ihr erst nach einiger Zeit gelingt. Dann aber in ein leidenschaftliches erotisches Abenteuer mündet.

Aber dann kommt Elaine, die Tochter ins Spiel – und Benjamin verliebt sich. Die gedemütigte Mrs. Robinson kämpft erst noch um den jungen Mann, dann verbietet sie ihrer Tochter den weiteren Umgang mit Benjamin, der durch sie vom unsicheren Jüngling zum Mann gereift ist. Soweit die Filmvorlage.

Mrs. Robinson (Yun-Su Park) spielt ihre erotische Anziehungskraft voll aus. Benjamin (Lucas von Rensburg) ist machtlos.

Yun-Su Park tanzt die schöne Missis, die ihre erotische Anziehungskraft und Erfahrung erfolgreich einbringen kann – allein schon mit ihrem Spiel mit ihren Beinen und Strümpfen. Lucas von Rensburg, zur Zeit noch Mitglied des Junior Balletts, aber ab nächster Saison Mitglied im Corps de Ballet, gibt den erst linkischen, unsicheren Benjamin sehr überzeugend. Die Pas de deux mit Mrs. Robinson – wunderbar subtile Verführungsszenen voller Leidenschaft – werden abgelöst durch die witzige Sequenzen eines «Hausfrauenballetts» (Kostüme Patrick Kinmonth). Elaine Robinson wird von Nehanda Péguillan jugendlich frisch getanzt und Karen Azatyan gibt den fürsorglichen Mr. Robinson, der seine Frau wieder aufnehmen und an den heimischen Herd zurückführen möchte.

Doch so weit kommt es bei Marstons Inszenierung nicht. Anders als im Film, wo die letztlich verschmähte Verführerin allein zurückbleibt, bringt die Zürcher Ballettdirektorin einen «modernen» Touch in die Handlung. Die Musik von Terry Davies nimmt die Emotionen und Verwicklungen der Handlung subtil auf.

Bunt und laut – und leider vielfach zu dunkel– präsentiert sich, Nomen ist Omen, Colorful Darkness von Brian Arias. (Alle Bilder Opernhaus Zürich/ Caros Quezada)

Und dann: Szenenwechsel! «Colorful Darkness» heisst Bryan Arias Choreografie nach den «Symphonischen Tänzen» Leonard Bernsteins aus «West Side Story». Mit dem weltbekannten Musical hat die Arbeit allerdings nichts zu tun, das verbieten die Aufführungsrechte der Verleger. Arias transferiert die Tänze in das Land seiner Kindheit: Nach Puerto Rico. Die Karnevalsszenen sind dem New Yorker, der bis zum neunten Lebensjahr in Puerto Rico lebte, so vertraut, dass er sie nun in seiner Uraufführung in Zürich auf die Bühne bringt. Es sind wilde Tanzszenen voller folkloristischer Gestalten, abgelöst von fast lyrischen Pas de deux – ein Fest von Farben und leider auch viel Dunkelheit, Bewegungen und – sehr lauter – Musik.

Drei Stücke, drei sehr unterschiedliche Choreografien. «Colorful Darkness» grenzt als einzige Produktion die Bühne zeitweise stark ein, verlagert den Tanz in die Zweidimensionalität. Aber dem Publikum gefiels. Der Applaus war riesig.

Nicht vergessen darf die Philharmonia Zürich, das Opernhaus-Orchester. Der Dirigent Robert Houssard führt die Musiker durch die drei vom Stil her sehr unterschiedlichen Werke sehr souverän und immer authentisch. Was beweist, dass sowohl Orchester wie Corps de Ballet enorm wandlungsfähig und flexibel sind.

Weitere Vorstellungen: 16.,23., 25., Mai, 5., 25., 27. Juni

 

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