Mit dem Superlativ liege ich im Streit. Immer wieder taucht er in Zeitungen, in News auf meinem Handy oder am Nebentisch einer Beiz auf. Da wird einer als bester Sportler, eine Stadt als die schönste, eine Wanderung als die tollste, ein Mensch als der freundlichste bezeichnet. Ranglisten, wo die glücklisten Menschen leben, werden publiziert. Wen interessiert es, wer der reichste Mann der Welt ist? Und dass gerade ein Superlativ in Person jeden Tag in den Medien erscheint, wird erst am Ende glossiert.
Dass einer am schönsten Ort wohnt, vergönne ich ihm nicht. War schon bei ihm, der dies behauptete, auf Besuch, musste aber zugestehen, dass es schönere Orte gibt, an denen ich wohnen möchte. Ich war nie neidisch auf Reiche, die sich den schönsten Flecken als Wohnsitz aussuchten. Wie sollte ich sie bewundern? Sie müssen mit sich als die Besten selber fertig werden.
Urteile sind abhängig vom Standpunkt und dieser relativiert den Superlativ. Wer Roger Federer als den besten Tennisspieler aller Zeiten bezeichnet, muss ein Schweizer sein, weder ein Spanier noch ein Serbe würde dies tun. Man beginnt etwa die Siege zu verrechnen und sieht, dass diese nicht restlos vergleichbar sind. Genügt der Superlativ nicht, wird dem Sportler von den Medien Heldenstatus verliehen und er wird zur Legende. Aber ist jemand ein Held, der sportlichen Erfolg feiert?
Oft schon bin ich betrogen worden, wenn ich ein Buch kaufte, das in Superlativen angepriesen wurde. Es sei ein nicht überbietbarer Bestseller, hiess es. Ich legte das Buch bald weg, weil ich mehr suchte als Spannung. Reklame protzt mit Superlativen und narrt oft Menschen. Ich kaufte einen Staubsauger, der super sei. Als die Raumpflegerin ihn benutzte, wünschte sie einen besseren. Er sauge nicht gut. Sogar der Alltag zeigt mir, dass ich Superlativen skeptisch gegenüberstehen sollte. Zudem entziehen sie sich der Diskussion. Sie vertreten etwas Endgültiges.
Inzwischen hat ein wandelnder Superlativ die politische Bühne betreten und wir hören von ihm fast täglich. Es habe in der Geschichte des Landes noch nie einen grossartigeren Präsidenten gegeben. Alle Vorgänger waren in seinen Augen Zwerge. Seine Vorgänger hätten ihm einen Staat hinterlassen, den er, von Gott berufen, wieder gross zu machen habe. Er vergass aber, dass er selbst sein Vorgänger war. Das «Wieder» sagte er unbedacht. Damit setzte er voraus, dass es schon früher Präsidenten gab, die Amerika gross gemacht hätten.
Als er sich als KI-Papst vorstellte, hätte er mit einer gewissen Bescheidenheit merken können, dass es eine Grösse gibt, in die er als Deal- und Money-Maker nicht passt. In der verschlissenen Welt von heute sucht der Mensch nach anderer Grösse. Thomas Ribi* bringt es auf den Punkt: «In dem überwältigenden Interesse am Papst zeigt sich auch der Wunsch nach einer moralischen Stimme in einer Welt, die zusammenbricht.» Von dieser Art von Grösse spricht niemand im Superlativ.
*Thomas Ribi: NZZ vom 16. Mai 2025
Herr Iten, was Sie schildern ist einfach nur menschlich. Ich glaube, der Mensch lernt erst aus eigenen Erfahrungen. Superlative sind wie Sterne, die kurz aufflackern, den Moment beherrschen und uns glauben machen, dass nur mit der richtigen Superlative alles gut wird. Der Mensch ist manipulierbar und leicht für einfache Lösungen zu begeistern.
Das Alter, wenn man es dann erreicht, gibt uns die Demut und die Klarheit darüber, was für jeden einzelnen und im besten Fall auch für die Menschheit, wirklich wichtig ist.