StartseiteMagazinGesellschaftAlt und Jung – eine Schicksalsgemeinschaft?

Alt und Jung – eine Schicksalsgemeinschaft?

Am 22. Mai 2025 tagte der Schweizerische Seniorenrat (SSR) im Technopark in Brugg und fragte sich nach den Beziehungen zwischen Alt und Jung. Bilden Alt und Jung eine Schicksals-, eine Lebens- oder gar eine Glücksgemeinschaft?

Die Co-Präsidentin des SSR, Esther Waeber-Kalbermatten betonte in ihrer Eröffnungsrede, wie wichtig die Teilhabe aller Generationen sei. Weder Junge noch Alte dürfen diskriminiert werden, das wertschätzende Gespräch sei gerade in schwierigen Zeiten zentral für die Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, in der alle sich wohlfühlen können.

Stefan Campi, Generalsekretär des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, gab einen Einblick in die wichtigsten Handlungsfelder der aktuellen aargauischen Alters- und Gesundheitspolitik. Letzhin wurde das Altersleitbild erneuert und die Gesundheitspolitsche Gesamtplanung 2030 liegt vor.

Ueli Mäder, Prof. em. für Soziologie, erörterte in seinem Referat die Frage, inwiefern Alt und Jung eine Schicksalsgemeinschaft seien. Er hält wenig von der Einteilung der Generationen in Generation X, Y, Z usw. Hingegen träten in einer längeren Lebenszeit vier Generationen markant hervor, «erstens Kinder und Jugendliche, zweitens Personen im erwerbsfähigen Alter, drittens jüngere Pensionierte und viertens höhere Betagte.» Es gelte nun zu fragen, was das Verhältnis zwischen diesen Generationen präge, wie es sich gewandelt habe und wie es sich sinnvoll gestalten lasse, ohne kommende Generationen zu überlasten.

Ueli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Basel und der Hochschule für Soziale Arbeit (Foto bs)

Abgesehen von der Finanzierung der Renten bestehe zwischen den Generationen kein Generationenvertrag im umfassenden Sinne. Aber es sei wichtig, dass Alt und Jung gemeinsam Verantwortung übernehmen. Zu suggerieren, dass immer weniger Junge für immer mehr Alte zahlen und damit einen Generationenkonflikt herbeizureden, überzeuge nicht. Denn man müsse in Betracht ziehen, was die Älteren für die Jungen geschaffen haben, etwa was die Infrastruktur betrifft. Zudem sei die erhöhte Produktivität, die unbezahlte Arbeit der Älteren und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Renten zu berücksichtigen.

Was den sozialen Wandel betreffe, sei eine Entwicklung von der Gemeinschaft zur anonymen Gesellschaft festzustellen. Das zeige sich etwa darin, dass 1,5 von 4 Mio Haushalten in der Schweiz Einpersonenhaushalte seien. Globalisierung, Digitalisierung und die Ökonomisierung der Lebensverhältnisse seien ambivalente Entwicklungen, die demokratische Prozesse und den sozialen Zusammenhalt gefährden können.

Statt über das zu stolpern, was Jung und Alt trenne, sei das Verbindende zu betonen, nämlich ein soziales Miteinander, eine materielle Umverteilung von Reichen zu Armen und eine gemeinsame ökologische Orientierung, sodass zukünftigen Generationen keine überlastete Umwelt hinterlassen werde. Statt sich einseitig am materiellen Wachstum und am Haben zu orientieren, lohne es sich, soziale Verbindlichkeiten zu stärken und ein möglichst freies Leben für alle zu ermöglichen.

Die Teilnehmenden an der anschliessenden Podiumsdiskussion stammten aus unterschiedlichen Generationen. Die Moderatorin Priska Dellberg (geb. 1981) kann chronologisch der Generation Y (1980 -1995) zugerechnet werden, Melanie Racine (geb. 1998) der Generation Z (1996 – 2010) und Anita Fetz (geb. 1957) und Ueli Mäder (geb. 1951) sind Babyboomer (1946 – 1964). Es zeigte sich sehr schnell, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation und den ihr zugeordneten Eigenschaften sehr wenig aussagt über Persönlichkeiten. So gesehen scheint die Generationenzugehörigkeit eher Vorurteile zu bedienen als etwas über Personen auszusagen. Auch Begriffe wie Generationenkonflikt, Generationensolidarität oder Generationengerechtigkeit sind mit Vorsicht zu gebrauchen, da sie reale politische Probleme eher zu verdunkeln als zu erhellen scheinen.

An der Podiumsdiskussion vl.: Anita Fetz, Priska Dellberg, Melanie Racine, Ueli Mäder (Foto bs)

Melanie Racine, Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen, plädierte für eine Erhöhung des Rentenalters. Von den «Babyboomern» Mäder und Fetz wurde eine generelle Erhöhung des Rentenalters abgelehnt, aber sie zeigten sich durchaus offen für eine sinnvolle Flexibilisierung des Rentenalters. Steigende Lohnbeiträge und Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der AHV, wie das im Moment im Parlament diskutiert werde, würden die Jungen benachteiligen, so Racine.

Priska Dellberg gab zu bedenken, dass gemäss dem Generationen-Barometer 2025 die Zufriedenheit der Ältern recht hoch sei, vielen Junge mache aber der Blick in die Zukunft erhebliche Sorgen: Weltpolitische Spannungen, getrübte ökologische und ökonomische Aussichten, das Gefühl, die Zukunft nicht gestalten und verbessern zu können, trübe die Zukunftsaussichten vieler Jugendlicher. Das Podium war sich einig, dass diese grossen Probleme gemeinsam angegangen werden müssen von Jung bis Alt über alle Generationen hinweg. Hier müsse eine gemeinsame Gestaltung einer erfreulichen Zukunft für alle Ziel sein. Bei den Wegen, wie man dazu gelange, werde es unterschiedliche Auffassungen und auch Konflikte geben.

Reto Cavegn, Co-Präsident des SSR, zog in seinem Schlusswort mit einer gewissen Heiterkeit das Fazit: «Es ist kompliziert.» Heiter konnte er sein, weil die Tagung gezeigt hatte, dass Jung und Alt, Links und Rechts Kompromisse sichten können. Wichtig sei, im Gespräch zu bleiben und das Verbindende zwischen Jung und Alt zu suchen und zu pflegen.

Frohgemute Gesichter nach der Tagung, vl.: Reto Cavegn, Anita Fetz, Melanie Racine, Priska Dellberg, Ueli Mäder, Esther Waeber-Kalbermatten (Foto © Josianne Walpen)

Für die Teilnehmenden war am Ende der Tagung offensichtlich, dass Jung und Alt nicht eine Schicksalsgemeinschaft sind, sondern eine Lebensgemeinschaft, in der alle füreinander sorgen sollen, so dass ab und zu auch in einer schwierigen Epoche Glückserfahrungen nicht nur möglich sind, sondern wirklich werden.

Titelbild: Schon beim Begrüssungskaffee gab es angeregte Diskussionen (Foto © Josianne Walpen)

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