Der Satz von Corbusier: «Travailler n’est pas une punition, travailler c’est respirer», werden viele bestreiten, aber wenn sie es richtig bedenken, trifft er zu. Arbeit ist nicht bloss Mühsal. Man stelle sich vor, man hätte Millionen geerbt und man dürfte sein Leben nur geniessen. Zu welchen Dummheiten und Lastern könnte dies führen. Der Mensch würde wohl schnell in eine Sinnkrise geraten. Kann ich die Welt nur nutzen und sie will nichts von mir? Das wäre unerträglich.
Der berühmte Architekt Santiago Calatrava erwidert im Interview* auf die Frage, wie er es mit der Metaphysik halte und ob er an Gott glaube: «Ja, wenn ich arbeite.» Die Antwort ist verblüffend, aber sie überrascht nicht. Denn die Arbeit, welche es immer auch ist, erhebt den Menschen in eine Sphäre, in der er fühlt, dass er gebraucht wird und nützlich ist. Dieses Gefühl erhebt ihn über sich hinaus. Ist seine Arbeit zugleich schöpferisch, überstrahlt sie erst recht seine eigene Person. Sich bloss zu vergnügen, würde wohl zu einer der sieben Todsünden führen – Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid oder Trägheit.
Nicht jede Arbeit ist schöpferisch wie diejenige von Calatrava, der sagen kann, die höchste Qualität der Bauwerke, die er baue, liege im Immateriellen, im Licht und im Spiel der leeren Räume. Wenn nicht von jeder einfachen Arbeit so geurteilt werden kann, wird doch auch selbst der Strassenkehrer erkennen, dass saubere Strassen gut und schön sind und der Gemeinschaft dienen. Jede sorgfältige Arbeit wird eine Qualität erlangen, die Anerkennung verdient. Der schweren Arbeit einer Krankenpflegerin zeigt ein dankbares Lächeln des Patienten den Sinn ihrer Tätigkeit.
Wenn eine Arbeit die Fähigkeiten eines Menschen unterfordert, kann er sich eine andere suchen oder sich durch ein Engagement in der Freizeit nutzbar machen. Arbeit ist ein Beitrag an die soziale Gemeinschaft. Wer sich aber der Todsünde der Trägheit verschreibt, wird kaum eine innere Befriedigung erfahren. Er spürt mit der Zeit, wie Trägheit Neid und Zorn befördern.
Leben wir nicht in einer Welt von Unzufriedenheit und sozialem Neid? Diese Sünden sollten wir vermeiden. Das gelingt am besten, wenn wir gute und seriöse Arbeit verrichten und damit geschätzt werden. Sie bestätigt unser Selbstbewusstsein. Auch die einfachste Arbeit weist über sich hinaus, in dem sie im Dienst einer höheren Sache steht. Egoisten und Narzissten werden von Hochmut und Habgier verzehrt. Dass sie auf jeder Ebene der sozialen Pyramide vorhanden sind, weiss jeder selbst. Entweder merkt er die Untugenden bei sich selber oder er erfährt, dass er nicht geschätzt wird, dass ihn andere meiden und manchmal sogar verachten.
Eine Gesellschaft, in welcher die Menschen in der Arbeit keine Befriedigung finden, gleitet von der guten Lebenspraxis ab und fällt aus dem Gleichgewicht. Die persönliche Gleichgewichtslage kann dann nur mit persönlicher Anstrengung wieder hergestellt werden. Dazu gibt es den einfachen Satz von Erich Kästner: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.»
*Interview in der NZZ am 17. Mai zwischen Roman Bucheli und Santiago Calatrava.
Auch von Erich Kästner: Bürger, schont Eure Anlagen
Arbeit läßt sich schlecht vermeiden,
und sie ist der Mühe Preis.
Jeder muß sich mal entscheiden.
Arbeit zeugt noch nicht von Fleiß.
Arbeit muß es quasi geben.
Denn der Mensch besteht aus Bauch.
Arbeit ist das halbe Leben,
und die andre Hälfte auch.
Seht euch vor, bevor ihr schuftet!
Zieht euch keinen Splitter ein.
Wer behauptet, daß Schweiß duftet,
ist (ganz objektiv) ein Schwein.
Zählt die Arbeit zu den Strafen!
Wer nichts braucht, braucht nichts zu tun.
Legt euch mit den Hühnern schlafen.
Wenn es geht: pro Mann ein Huhn.
Manche geben keine Ruhe,
und sie schuften voller Wut.
Doch ihr Tun ist nur Getue,
und es kleidet sie nicht gut.
Laßt euch auf den Sofas treiben!
Gut geträumt ist halb gelacht.
Hände sind zum Händereiben.
Sprecht schon morgens: »Gute Nacht.«
Laßt die Wecker ruhig rasseln!
Zeigt dem Krach das Hinterteil.
Laßt die Moralisten quasseln.
Bietet euch nicht täglich feil.
Wozu macht ihr Karriere?
Ist die Erde denn kein Stern?
Tut, als ob stets Sonntag wäre,
denn er ist der Tag des Herrn.
Vieles tun heißt vieles leiden.
Lebt, so gut es geht, von Luft.
Arbeit läßt sich schlecht vermeiden, –
doch wer schuftet, ist ein Schuft!