Seit Jahrhunderten wird Schweizer Käse exportiert – auf unterschiedliche Art in verschiedene Weltgegenden. Im Nationalen Milchwirtschaftlichen Museum in Kiesen BE ist bis Ende Oktober 2025 eine Sonderausstellung zu sehen: «Käseexport – gestern und heute».
Wussten Sie, dass Schweizer Käse schon seit dem Spätmittelalter, seit dem 14. Jahrhundert, exportiert wurde? Bekanntlich gibt es den Schweizer Käse nicht. Sogar im Ausland hat man inzwischen gelernt, dass Emmentaler und Appenzeller nicht gleich schmecken. Eine wichtige Einnahmequelle waren die verschiedenen Käse seit jeher, die grossen runden Laibe von beträchtlichem Gewicht. Der Transport war in früheren Zeiten schwierig, so sollte es uns nicht wundern, dass die Käsesorten je nach Region der Herstellung in verschiedene Regionen verkauft wurden.
Hat der Sbrinz seinen Namen von Brienz?
Von den Alpwirtschaften der Innerschweiz wurde der Sbrinz nach Brienz gebracht, dem Ausgangspunkt einer beschwerlichen Reise. – Übrigens sagt man, der Name des Innerschweizer Hartkäses Sbrinz bedeute: «Z’ Brienz zum Transport bereit gemacht.» Andere Sprachforschende führen den Ursprung dieses berühmten Käses auf noch ältere römisch-lateinische Wurzeln zurück, denn der Sbrinz sei schon zu Römerzeiten hergestellt worden.
Blick in die ständige Ausstellung
Jedenfalls war er nicht nur in der Innerschweiz beliebt, sondern auch in Norditalien. Von Brienz aus wurde der Käse nämlich auf Pferden und Maultieren ins Val Formazza gebracht, auf schmalen Saumpfaden über die Grimsel und zuletzt über den Griespass nach Domodossola. Auf dem Rückweg beluden die Säumer ihre Tiere mit Wein, Reis, Mais und verschiedenen Stoffen, wodurch im Berner Oberland ein gewisser Wohlstand Einzug hielt.
Ständige Ausstellung: Käse muss gerührt werden.
Das Museum im Berner Aaretal, in zwei kleinen traditionellen Gebäuden untergebracht, verfügt nur über wenig Platz für die lange und verzweigte Geschichte der Herstellung und der Vermarktung von Käse aus den Berggebieten. Zum Sbrinz-Transport nach Italien gibt es ein schönes Video anzuschauen, denn vor einiger Zeit haben Käse- und Wanderfreunde den Säumerpfad wieder belebt und führen jährlich einmal eine Wanderung in traditionellen Gewändern durch, entsprechend der früheren Expeditionen.
Emmentaler finden kostensparende Transportmöglichkeiten
Einen noch abenteuerlicheren Weg nahmen die Käselaibe aus den Emmentaler Bergen. Der Käse wurde auf eigens für diesen Zweck gebauten Flossen auf Ilfis und Emme, dann auf der Aare und dem Rhein bis nach Holland transportiert. Das war sehr gefährlich, denn Flosse sind bekanntlich nicht sehr stabil und schwer zu steuern. Trotzdem wurde diese Transportweise in bergigen Gegenden früher sehr häufig gebraucht, etwa im Schwarzwald oder im Bayerischen Wald. – Es gibt viele Geschichten von Unfällen, wo Flosse sich verhakten und zerbrachen.
Hier ist die gesamte Geschäftsabwicklung dokumentiert, in feinster regelmässiger Schrift (2. Hälfte 19. Jahrhundert).
Die Emmentaler Flösser hatten noch ein anderes Anliegen: Ihr Transportweg führte an verschiedenen Zollstellen vorbei. Um unterwegs grosse Ausgaben – insbesondere Zölle – zu vermeiden, versteckten die Flösser ihren Käse in Bierfässern. Der Käse wurde wohl teils auf dem Weg nach Holland verkauft, in Köln vielleicht oder vorher in Mainz. In Holland verkauften die Flösser nicht nur den Käse, sondern auch ihre Flosse als Bauholz, denn flussaufwärts diente ihnen ihr Schmuggelfahrzeug nicht.
Der Flösserkäse, ein Halbhartkäse, der aktuell nur an einem Ort, der Rüegsegg bei Röthenbach, hergestellt wird, darf aus urheberrechtlichen Gründen nicht als Emmentaler bezeichnet werden.
Greyerzer Käse reist nach Süden
Aus dem Pays-d’Enhaut und seiner Umgebung kamen die Greyerzer Käse nach Bulle FR. Von dort aus wurden sie mit Maultieren nach Vevey transportiert und dann auf Schiffen nach Genf und die Rhone hinunter über Lyon bis ans Mittelmeer. Auch der Greyerzer fand guten Absatz. Insbesondere im 17. Jahrhundert diente er dem französischen Staat, der nämlich nach dem Dreissigjährigen Krieg seine Soldaten und viele Arme in der Bevölkerung zu versorgen hatte.
Während in der Dauerausstellung die traditionellen Utensilien zur Käseherstellung in schönster handwerklicher Arbeit (s. oben) zu sehen sind, steht im Vorraum des Ausstellungsgebäudes dieser Dampfkessel (links). Der Druckbehälter wurde 1937 von der Kesselschmiede Richterswil ZH hergestellt, die Armaturen, Anschlüsse und Ummantelung von der Firma Ott in Worb BE zusammengebaut und eingerichtet. Von 1937 bis 1972 war er in der Käserei Theilingen / Rumikon ZH in Betrieb.
Eingewandert in die Schweiz
Zwei Kuriositäten seien noch erwähnt: Der Tilsiter, heute als Schweizer Käse im Thurgau beheimatet, ist nämlich aus der Ferne in die Schweiz gereist. Das Rezept für diesen eher milden Käse wurde in Tilsit, in Ostpreussen, entwickelt. Mennoniten aus Holland, Salzburger und Einwanderer aus der Schweiz, die nach der Großen Pest in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Religionsflüchtlinge ins wenig besiedelte Ostpreußen zugewandert waren oder den Aufrufen der preußischen Könige gefolgt waren, «erfanden» diesen Käse. Ende des 19. Jahrhunderts kamen Schweizer Auswanderer zurück und brachten ihr Käserezept mit.
Konservenkäse – ebenfalls eine Kuriosität
Bei Schmelzkäse würden echte Käsekennerinnen und -kenner nur die Nase rümpfen, – nicht beim Gerberkäse! Der Emmentaler Käsehändler Walter Gerber bemerkte auf seiner Reise nach Marseille, dass der Käse bei den Mittelmeer-Temperaturen «schwitzte» und an Qualität verlor. Gemeinsam mit einem befreundeten Chemieprofessor der Universität Bern entwickelte Gerber eine Rezeptur mit Zitronensäure und Natriumkarbonat zur Konservierung des Käses. Der Schmelzkäse war geboren. An der Landesausstellung 1914 wurde er ein grosser Erfolg und danach eine wichtige Verpflegung für die schweizerische und deutsche Armee.
Modelle technischer Geräte waren im 20. Jahrhundert bei jungen und älteren Bastlern beliebt. Hier ein Rührgerät mit automatischem Antrieb.
2024: Fünfzig Jahre Milchwirtschaftliches Museum Kiesen
Das kleine Museum bietet viel Interessantes über die Geschichte der Käsereien: Eine alte Käseküche zeigt die Produktionsbedingungen vor 200 Jahren, ein Video zeigt die Entstehung und Herstellung von Emmentalerkäse. Gegenstände und Bilder erklären den Beginn der gewerblichen Käseherstellung.
Blick in die Dauerausstellung
Ursprünglich wurde in der Schweiz nur auf den Alpen Käse hergestellt. Erst um 1815 nahm in Kiesen BE die erste genossenschaftlich organisierte Dorfkäserei für Emmentaler ihren Betrieb auf. Die kleine Käserei war bis gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Betrieb und wurde 1974 zum Museum umgestaltet.
Öffnungszeiten: Von April bis Ende Oktober mittwochs 14 – 17 Uhr, sonntags 13 – 17 Uhr.
Nach Vereinbarung sind auch andere Besuchszeiten möglich.
Führungen – sehr zu empfehlen! – auf Anfrage.
Für Gruppen werden auch Apéros (mit Käse) angeboten.
Alle Informationen hier.
Titelbild: In der malerischen Umgebung von Kiesen ist das Museum mit den beiden kleinen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden und dem Türmchen leicht zu finden. Die Glocke im Turm diente als Alarm bei Feuer oder Hochwasser. (Foto mp)