Im Schwarzenburgerland steht eines der bestgeschützten Gebäude der Schweiz: das Hochsicherheitslabor des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI). Auf einem Anlass der Seniorenuniversität Bern hat Direktorin Barbara Wieland erklärt, was hinter den Stahltüren und Sicherheitsschleusen passiert.
Wir treffen uns etwas ausserhalb des Dorfs, vor dem Hauptgebäude des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) in Mittelhäusern, Gemeinde Köniz. Die beiden Nachbargebäude sind mit einem hohen Stahlzaun umgeben. Durch ein Drehkreuz kommt nur, wer über einen Batch verfügt. Doch der unscheinbare Bau, im Landwirtschaftsstil gestaltet, ist keine militärische Anlage, sondern das Hochsicherheitslabor des Bundes, in welchem hochansteckende Viren erforscht und Massnahmen gegen gefährliche Tierseuchen getestet werden.
Ruth Knorr, verantwortlich für die Biosicherheit des IVI, empfängt uns. Sie zeigt auf das Aussengehege, in dem Schafe und Ziegen weiden. Ein weit abgesteckter Zaun hält die Tiere von den Besuchenden fern. Oder umgekehrt: Um Ansteckungen zu vermeiden, dürfen Tier und Menschen unter keinen Umständen in Kontakt kommen. In speziellen Sicherheitsställen werden weitere Tierarten gehalten: Dazu gehören Rinder, Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse. Ihnen werden für diagnostische und Forschungszwecke regelmässig Blutproben entnommen. Eigentlich ist das IVI ein speziell geschützter Landwirtschaftsbetrieb.
Gesamtansicht mit dem Hauptgebäude (links), dem Wohngebäude (vorne rechts) und dem Hochsicherheitslabor (hinten rechts).
Das Institut zählt rund 120 Mitarbeitende. Dazu gehören Forschende, Laborantinnen und Laboranten, Tierpfleger, Techniker sowie Reinigungspersonal. Wer im Hochsicherheitslabor arbeitet, muss vor Eintritt und nach Austritt des Gebäudes ein aufwändiges Reinigungsprozedere durchlaufen. Nach Passieren einer Schleuse werden in einem Vorraum Schuhe und Jacken abgelegt. In Einzelgarderoben ziehen die Mitarbeitenden die restlichen Kleider aus, bevor sie sich in einer doppelt gesicherten Dusche gründlich reinigen. «Nichts von Wohlfühl-Dusche, der Wasserstrahl ist unangenehm, strapaziert die Haut», berichtet Ruth Knorr aus eigener Erfahrung. Auf der gegenüberliegenden Seite der Duschschleuse werden frische Kleider und Schuhe angezogen. Von da gehts dann an den Arbeitsplatz, an dem unter Umständen noch eine zusätzliche Schutzausrüstung getragen werden muss. In den Räumen herrscht Unterdruck.
In der Schleuse werden Keime durch UV-Strahlen unschädlich gemacht.
Da ein Verlassen des Gebäudes für eine Pause oder für das Mittagessen zu aufwändig wäre, können sich die Mitarbeitenden in einer internen Kantine verpflegen und erholen. Das Essen, Trinken und alle übrigen Materialien, die in das Labor gelangen, müssen «deaktiviert», das heisst keimfrei gemacht werden. Dies geschieht entweder durch Gas, durch UV-Strahlen oder indem das Tierfutter oder die Werkzeuge in einer speziellen Stahlkammer auf 121 Grad erhitzt werden. Nur so besteht Garantie, dass keine fremden Keime in das Labor gelangen. Wer abends nach Feierabend das Gebäude verlassen will, durchläuft das Reinigungsprozedere in die Gegenrichtung.
Auch Laborabfälle, Ausscheidungen von Tieren oder Tierkadaver werden sterilisiert, bevor sie die Anlage verlassen. Rindermist wird intern kompostiert. Eine entkeimte, unangenehm riechende Brühe holt ein externes Entsorgungsunternehmen regelmässig ab.
In einem Nebengebäude wohnen ein Techniker sowie ein Tierpfleger. «Sie sind unsere wichtigsten Angestellten. Sie sorgen dafür, dass es den Tieren gut geht und bei technischen Zwischenfällen unter Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen rechtzeitig gehandelt werden kann», erklärt Ruth Knorr.
Der Auftrag des IVI
Der Sicherheitszaun um das Laborgebäude.
Im Auditorium des Hauptgebäudes erwartet uns Institutsleiterin Barbara Wiegand. Sie ist die erste Frau an der Spitze der Eigenössischen Forschungsanstaltung und erklärt uns den Auftrag des IVI: Das Institut ist das offizielle Schweizer Referenzlabor für die Diagnose, Überwachung, Kontrolle und Forschung hochansteckender viraler Tierseuchen, einschließlich Zoonosen – also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Zu den häufigsten hochansteckenden Seuchen zählen die Vogelgrippe, die Afrikanische Schweinepest, die Maul- und Klauenseuche sowie die Lumpy Skin Disease (LSD).
Auszurottende Seuchen sind: Tollwut, Bovine Virusdiarrhoe sowie andere Virenerkrankungen. Neben Diagnostik und Erforschung von Tierseuchen werden in Mittelhäusern sowie am zweiten Standort in Bern neue Diagnosemethoden entwickelt, getestet und überprüft. Das IVI ist zudem die Nationale Zulassungsstelle für Impfstoffe und Immun-Seren im Veterinärbereich, inklusive Kontrolle einzelner Impfstoffchargen und Überprüfung ihrer Wirksamkeit. In einer Kooperation mit der Universität Bern geschehen Forschung und Lehre zu Virologie und Immunologie.
Aussengehege für Grosstiere.
Institutsleiterin Barbara Wiegand stellt klar: Tierseuchen, Krankheiten beim einzelnen Tier und Zoonosen seien keineswegs rückläufig, sondern stellten die Gesellschaft heute und in Zukunft vor grosse Herausforderungen: «Mit der zunehmenden Globalisierung, dem Klimawandel und sich verändernden Tierhaltungssystemen muss vermehrt mit dem Auftauchen mutierter Viren gerechnet werden. Neue Technologien und Forschungsansätze schaffen neue Möglichkeiten, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und zukünftigen Herausforderungen kompetent vorbereitet entgegenzutreten.»
Coronaviren
Schleuse für Mitarbeitende.
Seit Jahren geforscht wird beim IVI auch an respiratorischen und enteralen Coronavirusinfektionen (CoV) bei Mensch und Tier. Ziel ist es, die Interaktion des Virus mit dem Wirtsorganismus besser zu verstehen, um die Mechanismen der Übertragung zu entschlüsseln und dadurch Strategien zur Vorbeugung und Kontrolle von Corona-Infektionen zu entwickeln.
Aktuell beschäftigt die Vogelgrippe das Institut sehr: Das entsprechende Virus ist weltweit stark verbreitet und die Situation sehr dynamisch. Die Zukunft kann derzeit nicht vorhergesagt werden, weil noch unklar ist, ob sich das Virus inzwischen auch in der Schweiz bei heimischen Wildvögeln wie Enten und Möwen etabliert hat. Die Situation bleibt laut Wiegand besorgniserregend. Denn bereits im vergangenen Jahr war das hochansteckende Virus H5N1 erstmals den ganzen Sommer über in Europa präsent. So kam es zum Beispiel vor allem an Küstengebieten der Nordsee, etwa in den Niederlanden, Deutschland und Grossbritannien, zum Massensterben von unter anderem Seeschwalben oder Tölpeln. Ganze Brutkolonien waren betroffen. Dies kann langfristig auch Folgen für den Bestand von Arten haben.
Geschützte Flamingos im Zoo
Aus diesem Grund wurde am IVI ein Vogelgrippe-Impfstoff entwickelt, der seit August 2023 an 317 Vögeln von insgesamt 24 verschiedenen Arten im Zoo Basel und im Tierpark Dählhölzli in Bern im Rahmen eines Forschungsprogramms getestet wird. «Vom Pelikan über den Brillenpinguin bis hin zum Flamingo, der Schneeeule oder dem Seidenhuhn bekamen sie alle eine Spritze ins Muskelgewebe und fünf Wochen später nochmals eine Booster-Impfung», sagt Wieland. Geimpft sind die Tiere vor einer Infektion geschützt und können während einer Risikolage besser artgerecht gehalten werden.
Unter den in der Schweiz geimpften Zoovögeln sind viele, die in Zuchtprogrammen zur Arterhaltung sind und damit besonders schutzwürdig. Derzeit gibt es in der Schweiz zwar keinen H5N1-Fall mehr. «Die Situation ist aber dynamisch und kann sich jederzeit ändern», sagt Wieland. Besonders das Hausgeflügel könne sehr schnell zu einer Virenschleuder werden, sodass man sofort eingreifen müsse. Man müsse wachsam bleiben, um eine Weiterverbreitung der Seuche zu verhindern.
Schweine, die nicht übel, sondern nach nichts riechen.
Tollwut-Zentrale
Am Standort Bern des IVI ist auch die Schweizerische Tollwutzentrale untergebracht. Das diagnostische Angebot umfasst sowohl den Virusnachweis als auch die Überprüfung der Antikörper nach einer Tollwutimpfung.
Zudem überprüft die Tollwutzentrale den Impferfolg am Mensch, führt Antikörpertests durch, unterstützt die Gesundheits- und Veterinärbehörden des Bund und der Kantone bei der Erkennung und Überwachung der Tollwut und bietet Tierärzten Beratung an.
Nach dem dreistündigen Besuch des IVI verabschieden wir uns von auffällig sauberen Schweinen, die wir durch eine Glasscheibe beim Fressen beobachten. Die Tiere sind in einem keimfreien Stall untergebracht und riechen nach Angaben von Ruth Knorr nach nichts. Da wir den Innenbereich des Hochsicherheitslabors nicht betreten haben, bleibt uns das aufwändige Duschen und Kleiderwechseln erspart.
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«Arealentwicklung»
Das 1992 eröffnete IVI in Mittelhäusern ist in die Jahre gekommen. Gemäss einer Mitteilung des Bundesamts für Bauten und Logistik (BBL) wurde im September 2024 ein Studienauftragsverfahren zur «Arealentwicklung» gestartet. In diesem Verfahren werden derzeit Projektvorschläge für die zukünftige bauliche und funktionale Gestaltung Grundstücks in der Gemeinde Köniz eingeholt.
Der Zeitplan sieht vor, dass bis Dezember 2025 ein Siegerprojekt ausgewählt und zur Weiterbearbeitung empfohlen wird. Ziel ist, die bestehenden Gebäude und Sicherheitsinfrastrukturen des IVI – darunter die Hochsicherheitslabore – langfristig zu modernisieren und teilweise zu ersetzen. Das IVI bleibt in dieser Zeit weiterhin am Standort Mittelhäusern sowie an seinem zweiten Standort in Bern aktiv. Ein konkreter Baustart hängt vom Abschluss des Evaluationsverfahrens sowie der anschliessenden Projektierung ab. Die «Arealentwicklung» soll bis 2035 abgeschlossen sein.
Titelbild: Blick in den Hochsicherheitstrakt des IVI. Foto: PS und IVI/ZVG
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