Im abgelegenen bündnerischen Val Nandro sind es vor allem «Zweitheimische», die die Restaurants am Leben erhalten. Sie tun dies mit Leidenschaft, grossem Einsatz und Herzblut. – Ein Augenschein.
Wer den Weg ins bündnerische Savognin und von da ins Val Nandro fährt, tut dies in aller Regel aus vielleicht drei Gründen: Entweder (in der Wintersaison) für den Wintersport. Oder zum Wandern im Sommer und Herbst. Oder einfach so.
Oder, dies als vierte und fünfte Option (die sich bestens mit den anderen kombinieren lassen), um hier fein zu tafeln und urchig zu übernachten. Wir haben in Parsonz das Restaurant «Bellavista» ausgesucht und zum Übernachten das «Tigia». Interessant ist bei beiden Lokalen, dass diese bis auf eine Ausnahme von sogenannten «Zweitheimischen» geführt werden, von Leuten also, die nicht im Val Surses geboren und aufgewachsen sind.

Priska und Walter vom «Bellavista»
Auf den Juli 2025 haben Priska Van den Heuvel (49) und ihr Partner Walter Straumann (62) das Restaurant Bellavista in Riom-Parsonz übernommen. Sie, die nach einigen Jahren im Bankensektor in den Gastrobereich gewechselt hat und zuletzt 15 Jahre am Herd des Kultlokals «Gemsi» im solothurnischen Balsthal gestanden ist. Und er, der als selbstständiger Zimmermann und Dachdecker im Baselbiet beschäftig war.
Die beiden hätten schon lange die Idee gewälzt, gemeinsam etwas zu machen, erzählen sie. Auf eine Anzeige hin seien sie nach Parsonz gefahren und waren, wie Priska sagt «auf Anhieb begeistert».
Zum Glück konnten sie ein gut eingerichtetes Restaurant übernehmen und deshalb praktisch über Nacht eröffnen. Priska räumt ein, dass sie noch in der Findungsphase seien und sich zuerst noch gemeinsam organisieren müssen. Grundsätzlich aber sei sie in der Küche und für die Administration zuständig, während Walter für die Umgebung, das Putzen und den Service verantwortlich zeichnet. Walter ergänzt mit einem Augenzwinkern: «Ich bin die Serviertochter und so zuständig für die Freundlichkeit in unserem Betrieb». Den Einkauf machen sie häufig gemeinsam; dabei bevorzugen sie einheimische Produkte.

Die Resonanz der Gäste bezeichnet die beiden «Bellavista»-Gastgebenden als sehr gut. Dies würden auch die Internet-Bewertungen und Gäste-Feedbacks beweisen. Angesprochen auf die Stärken (im Vergleich zu anderen) sagt Priska Van den Heuvel: «Wir sind authentisch in dem, was wir sind und anbieten. Und das, was wir machen, machen wir gut.» Die Küche, so Priska, sei relativ einfach, aber wir sind mit viel Herzblut dabei – ohne Schischi Gaga». Und, wie Walter mit einem Schmunzeln anfügt: «Das Essen wird serviert von der tollen Serviertochter. Zudem haben wir hier die schönste Gartenwirtschaft im ganzen Tal mit prächtiger Aussicht». Als kulinarische Spezialitäten stehen zum Beispiel Cordon bleu und Läberli und gerade im Herbst Wildspezialitäten auf der Karte.
Die Bilanz der beiden nach rund vier Monaten fällt alles in allem positiv aus. Der Besuch sei gut, aber selbstverständlich stark wetterabhängig. Allerdings haben die beiden auch realisieren müssen, dass ein Restaurant zu führen sehr anstrengend und zuweilen aufreibend sein kann. Walter: «Wir haben 15-Stunden-Tage und alles ist etwas viel für zwei Menschen. Die Zeit füreinander fehlt.» Und Priska ergänzt: «Wenn wir gut gelaunt sind, ist es ganz toll. Wenn nicht – und das kommt vor – ist es sehr anstrengend.» So sind die beiden derzeit am Überlegen, ob sie neben dem Dienstag einen zweiten Ruhetag einführen sollen.

Christina und Remi («Tigia»)
Schon etwas länger als die «Bellavista»-Bäizer – nämlich seit Juni 2024 – sind Christina Peterelli (50) und Remi Trenkwalder (48) das Gastgeberpaar im «Tigia» einige Kilometer weiter hinten im Val Nandro. Sie, die als gebürtige Tirolerin seit 27 Jahren in Savognin wohnt und seit jeher im Gastrobereich tätig ist. Und er, der in Savognin geboren und aufgewachsen ist, gelernter Plattenleger und praktizierender Gartenbauer ist und bisher nur in der Wintersaison im Gastrobereich tätig war.
Sie beide würden sich gut ergänzen und reibungslos zusammenarbeiten, bestätigen sowohl Remi als auch Christina. Die beiden strahlen aus, dass sie die Berghütte auf rund 1800 m ü. M. mit Leidenschaft und Herzblut führen.
Die Wintersaison ist ganz klar Hauptsaison. Dann sei im «Tigia» (was übrigens so viel heisst wie Hütte») maximaler Betrieb – sowohl im Restaurant wie auch bei den Übernachtungen. Angeboten werden insgesamt sechs einfache, herzige Gästezimmer mit einem Dutzend Betten.

«Wir leben vom Winter», sagt Christina. Und Remi berichtet, wie beschwerlich es gerade dann ist, die Waren und Lebensmittel hier hoch zu bringen: Während in der wärmeren Jahreszeit die Strasse bis zum «Tigia» und noch weiter hinauf frei ist (aber 5 Franken pro 24 Stunden kostet), wird die Strasse ab Dezember als Skipiste und Winterwanderweg genutzt. Dann, so Remi, «müssen wir die Waren vor 9 Uhr morgens oder abends nach 17 Uhr mit dem Schneetöff holen».
«Es ist kein Schleck», geben beide zu Protokoll und erinnern an die Aussage von Priska und Walter. Auch bei ihnen sei der 15-Stunden-Tag keine Ausnahme. Zum Glück hätten sie die Freude noch nicht verloren – im Gegenteil. Bezüglich der Arbeitsteilung verstehen sich Christina und Remi blind. «Wir beide machen alles, aber ich bin für die Kuchen zuständig und für den Einkauf». Sie ist auch meistens in der Küche anzutreffen, während Remi am Morgen häufig der erste ist, um zu putzen, vorzubereiten und aufzudecken. Zudem ist er auch verantwortlich für den Umschwung und backt jeweils das Brot. Im Service wechseln sie sich ab.
Angesprochen auf die Einzigartigkeiten des «Tigia» erwähnen sie die selber gemachten Speisen aus regionalen Zutaten und die Knödelspezialitäten. Christina sagt dazu: «Wir wollen den Gästen Gemütlichkeit und ein Gefühl von Wir-freuen-uns, dass-du-da-bist vermitteln. Unseren einfachen Hüttengerichte sind immer aus frischen Zutaten und werden mit unserem selbstgebackenen Brot serviert, das es auch zu kaufen gibt. Und für die süssen Gelüste bieten wir täglich selbstgemachte Kuchen an. Es geht bei uns sehr persönlich zu und immer wieder hilft ein Familienmitglied aus.»
Die Perspektiven beurteilen Remi und Christina als gut. Der Sommer 2025 sei eher schlecht gewesen, wetterbedingt. Aber die Wintersaison werde erneut erfolgreich, aber auch anstrengend.

Giatgen Peder Demarmels
Bei unserem neuerlichen Besuch im «Bellavista», wo wir Hirschragout mit Urdinkelspätzle und Rotkraut mit Marroni geniessen, treffen wir auf Giatgen Demarmels, ehemaliger Landwirt und Gemeindevorstand von Riom-Parsonz. Er lobt das Engagement und die Küche von Priska und Walter und erklärt, er sei schliesslich der erste einheimische Gast gewesen, seit das «Bellavista» wieder geöffnet sei. Und jetzt zufriedener Stammgast.
Das Val Nandro, sagt Giatgen, profitiere vom Tourismus, vor allem im Winter. Umso wichtiger sei es, dass das Tal noch über solche Einkehrmöglichkeiten verfüge wie das «Bellavista», das «Tigia» sowie die beiden anderen im Tal, das «Muntanela» und das «Berghuus» ganz hinten in Radons.
Schöne Landschaften, gemütliche Bäizen, freundliche Gastgebende: Das Val Nandro ist in jeder Jahreszeit eine Reise wert.

http://www.bellavistaparsonz.ch
Val Nandro im Surses
Das Tal Val Nandro reicht von Radons (1866 m ü.M.) bis nach Tigignas (1563 m ü.M.). Eingeschlossen wird das Tal linksseitig vom Piz Cartas und vom Piz Martegnas, rechtsseitig erheben sich der Piz Arblatsch (mit 3202 m ü.M. der höchste), der Piz Arlos und der Piz Mez, die alle um die 2700 Meter hoch sind. Das Val Nandro wird durchflossen von der Ava da Nandro, die letztlich bei Savognin in die Julia fliesst.
Die Dörfer und Weiler im Val Nandro gehören zur politischen Gemeinde Surses, die auf 1. Jänner 2016 aus dem Zusammenschluss von 11 Dörfern (Bivio, Cunter, Marmorera, Mulegns, Riom, Parsonz, Salouf, Savognin, Sur, Tinizong und Rona) entstanden ist. Surses ist bezogen auf die Fläche die viertgrösste Gemeinde des Landes.

