«Was das Leben jetzt verspricht», reflektiert die emeritierte Rechtsprofessorin Denise Buser in ihrem neuen Buch über Die Altenboomer. Der Titel irritiert mich. Kommt jetzt schon wieder so ein Lamento über die vorübergehende Zunahme alter Menschen, die Medien und politische Diskurse beharrlich missdeuten? Nein, das kann doch nicht sein bei dieser Autorin, sie hat vermutlich mit dem häufig abwertend gebrauchten Wort Babyboomer ein Wortspiel zum Nachdenken gemacht.
Vor bald zwei Jahrzehnten erhielt die Staatsrechtlerin den Basler Wissenschaftspreis. Immer noch engagiert sie sich mit der forschenden Gemeinschaft «Mensch im Recht» für Gerechtigkeit. Und im Frühjahr 2025 erzählte die ehemalige Strafrichterin im Sissacher Kulturbistro Cheesmeyer vom harzigen Leben lange verkannter Dichterinnen. Sie tat dies, wie gewohnt, fein, fundiert und differenziert. Und so kommt auch ihr neues Oeuvre daher. Zudem witzig und spitzig.
In ihrem Vorwort berichtet Buser zunächst von ihrem Vater, der seine Arbeitsstelle verlor und keine neue mehr fand. Solch bittere Erfahrungen machen es im Alter schwierig, das Ende des werktäglichen Wecker-Klingelns so beglückt wahrzunehmen, wie andere, die nun gerne zum Schritttempo wechseln und geruhsam einfache Begebenheiten sinnlich wahrnehmen.
Das Buch hat drei Kapitel. Das erste setzt sich mit der «Vergänglichkeit im Bild» auseinander. Die Autorin nimmt uns Lesende an Ausstellungen mit. Aussagekräftige Bilder stellen das Alter respektvoll oder kränkend dar. So kommen Ambivalenzen und feine Unterschiede zum Vorschein. Beispielsweise zur Sexualität im Alter, die Buser weiter erhellt und vertieft. «Sex ist für mich immer mit Spiel verbunden», schreibt sie. Und das rette ihn ins Alter, in dem wir auch mit dem eigenen Feind, dem Ehrgeiz, entspannter umgehen, stimmiger «Non, je ne regrette rien!» singen, «Schönheit selbst definieren», «Verletzlichkeit zeigen» und uns mit dem Alter versöhnen können.
Zum zweiten Kapitel leitet ein «Zwischenhalt: Überforderung» über. Was tun, wenn das Bedienen einer Waschmaschine schon fast ein Studium erfordert? «Ich muss und will nicht mehr alles mitmachen», lautet eine Antwort. Der Rückzug kann aber auch die «Einsamkeit im Alter» verstärken, die Buser im zweiten Kapitel «Filme/Oper» angeht. Mit konkreten Hinweisen darauf, was niederschwellig hilft, «dem unfreiwilligen Alleinsein zu entfliehen». Anregende soziologische Gedanken dazu finden sich bei Alain Ehrenberg Das erschöpfte Selbst (2004), bei Norbert Elias Über die Einsamkeit der Sterbenden (1982) oder bei Jean Améry Hand an sich legen (1976) und Über das Altern. Revolte und Resignation (1968). Diese Bücher sind alle erhältlich – wenn nicht neu, so antiquarisch, oder in einer grossen Bibliothek.
Der folgende «Zwischenhalt: Würde im Alter» plädiert dafür, bis zuletzt Haltung zu bewahren. Was das heisst, zeigt Denise Bucher im dritten Kapitel «Politik/Glaube» anhand der Pazifistin Bertha von Suttner. Und da geht um das Bemühen, sich im Alter erst recht zu versöhnen, statt zu verbittern. Dabei hilft das Regenerieren in der Natur. Vielfältig und komplex gewachsen, vermittelt sie «Trost und Hoffnung». Und dazu zitiert Denise Buser auch, was Philosoph Cicero ein paar Jahrzehnte vor unserer Zeitrechnung über das Alter sagte: «Wenn ich mich aber darin irre, dass ich an die Unsterblichkeit der Seele glaube, so irre ich mich gern». Ja, ein wichtiger Sinn des Lebens sei eben zu leben, so Buser.
Was folgt ist ein berührender Ausblick, in dem Denise Buser eindrücklich berichtet, wie eine frühe Krebsdiagnose ihr Leben verändert hat: «In der Krankheit habe ich gelernt, dass Demut und Mut zusammen gehören.» Ich freue mich nach der für mich gewinnbringenden Lektüre des Buchs auf das öffentliche Gespräch mit der Autorin Ende Januar in Rheinfelden und lade Sie gern dazu ein, mit uns auch über den Titel Altenboomer zu diskutieren.
Titelbild: Porträt Ueli Mäder © Foto Christian Jaeggi
Buch: Denise Buser: Die Altenboomer. Was das Leben jetzt verspricht. Zytglogge, Basel 2025, ISBN: 978-37296-5206-4
Veranstaltung: Mi, 28. Januar 2026, 19.30-21.00: Denise Buser im Gespräch mit Ueli Mäder im Hotel Schützen, Rheinfelden. Hier können sie sich anmelden.

