Novemberblues

Ich werde alt. Nein, nicht so nach und nach, jedes Jahr ein bisschen mehr. Ich werde jetzt, in diesen Tagen alt. So richtig, richtig alt. Geht es andern vielleicht auch so?

Man ist so alt, wie man sich fühlt. Diesen Satz höre ich vor allem im Fitnesscenter und von älteren Herren, die einen dann so aufmunternd anschauen. Wenn mich jeweils einer noch fragt, wie alt ich ihn schätze, zähle ich ganz schnell zehn Jahre von meiner ersten Vermutung ab. Ich bin im Fitness bei den älteren Sportlern sehr wohlgelitten.

Ein Bild von Franz Gertsch

Und jetzt hat es mich erwischt! Und niemand muss zehn Jahre schummeln, das nützt auch nichts mehr. Ich weiss es ja selber. Als ich heute mein Fenster im Schlafzimmer öffnete, hatte ich nur einen Gedanken: Wie wunderschön ist das denn! Die ersten Sonnenstrahlen spielten mit dem Laub meines Feigenbaumes und malten mit dem Grün, Gold und Gelb ein Bild, als hätte der Schweizer Maler Franz Gertsch schnell vorbeigeschaut. Jedes Blatt genau nachgezeichnet, jede Grün- und Gelbnuance sorgfältig ineinander komponiert – ein eigenes Gertschgemälde direkt vor dem Fenster!

So auf jedes Detail fokussiert malt nur Franz Gertsch – und der Herbst.

Und dann eben die Erkenntnis: Ich werde alt. Noch nie habe ich mich über solche Herbst- Stillleben gefreut. Immer habe ich den leisen Zerfall im Garten bedauert, den heissen Sommernächten, den Rosensträuchern voller Blüten, den Sonnenblumen, dem duftenden Lavendel ein Tränchen nachgeweint. Und nur einen Wunsch gehabt: Hoffentlich wird es bald wieder Frühling!

Der Sonne entgegen!

Mein Leben lang war ich ein Frühlingskind. Geboren in der längsten Nacht des Jahres, wuchs ich schon in meinen ersten Lebensmonaten dem Frühling entgegen, lebe seitdem erst richtig auf, wenn sich das erste Schneeglöckchen aus dem alten Laub im Garten kämpft. Jede Blüte, jede Knospe wird freudig begrüsst und im Mai juble ich jeweils mit Ludwig Uhland: Das Blühen will nicht enden. Soll nicht enden. Denn Herbst, das ist Melancholie, Abschied, langsames Verdämmern.

Und jetzt, zum ersten Mal sehe ich die Schönheit des Herbstes. Sehe, wie anmutig die Köpfe der Rosen schwer werden und sich zur Erde hin neigen, schmunzle, wenn die fröstelnden, bereits verblühten Oleander fast ungeduldig darauf warten, in den Schutz des Wintergartens umzuziehen. Weil sie langsam kalte Füsse bekommen. Sie müssen aber noch etwas abgehärtet werden. Denn in kalten Winternächten ist es auch im Wintergarten eher kalt als nur kühl.

Noch leuchten sie wie kleine Sonnen – noch. (b.r.)

Die strahlenden Sonnen der Chrysanthemen träumen zwar noch vom Sommer, aber nur so lange, bis die ersten Frostnächte kommen. Die braunen Blütendolden des Sedum, das jedes Jahr zwar spät, aber üppig blüht, und dem sein deutscher Name Fetthenne so gar nicht gerecht wird, werden über Mittag von den letzten Bienen besucht, die hoffen, noch eine einzelne überlebende rosa Blüte zu finden. Und ich finde dieses langsame Vergehen schön, stimmungsvoll, malerisch. Das muss das Alter sein!

Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht auf den Frühling oder zuerst noch auf den Winter freuen würde. Aber diese Herbststimmungen, mal voller Sonnenlicht, mal mit feuchten Nebelschwaden, mal nass und grau, die sind einfach zauberhaft. Und ein bisschen hoffe ich, dass diese Zeit noch etwas andauert – obwohl ich doch so gerne Schnee schaufle im Winter.

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5 Kommentare

  1. Wie schön für Sie, dass Sie die Pracht des Herbstes entdecken! Ich liebte ihn schon immer, schliesslich ist es die erste Jahreszeit, die ich als Neugeborenes wahrnehmen durfte, warm eingebettet im schweren Chaisenwagen in hellgrün (ich habe noch Fotos), der meine Mutter mit mir durch die Gegend schob.
    Aber es sind ja nicht nur die tollen Farben im Herbst, von Grün, Gelb, Orange bis Rot und Braun, die die Wälder und die Blätter färben. Es ist auch der Geruch, den die Böden, besonders nach dem trockenen Sommer, mit neuem Nass getränkt, einem intensiv in die Nase sticht. Dieser schwere, volle, erdige Duft des dampfenden Waldbodens, der Felder und Wiesen, der mich manchmal an den unvergesslichen Geruch meines ersten Kindes unmittelbar nach der Geburt erinnert.
    Wenn sich die ersten Nebel in zartem Grau über die Felder legen, werden viele Menschen depressiv. Vielleicht ist es so wie Sie schreiben, es liegt etwas Wehmut und Abschied in der Luft; die Natur legt sich zur Winterruhe, um dann im nächsten Frühjahr wieder mit neuer Kraft das spriessende Leben zu feiern. Ich hoffe, dass wir die Jahreszeiten noch lange in den gewohnten Formen geniessen dürfen, denn alles verändert sich in der Natur gerade extrem schnell. Daher empfinde ich den grössten Vorteil des Alterns im Müssiggang. Nach einem arbeitsreichen Leben, ohne schlechtes Gewissen einfach zu sein, die Sinne zu schärfen und die Gedanken ziehen zu lassen.

  2. Guten Morgen, eure Gedanken zum wunderbaren Herbst sind sehr schän, danke. Mit meiner Hündin erlebe ich täglich seit meiner pensionierung die wunderschönen Vierjahreszeiten. Dich was ich nicht ganz verstehe, sorry ist die Ueberschrift : und …ich werde alt,…….etc.ist dieser Abschnitt passend? Wünsche einen wunderschönen Tag, Grüsse aus dem Seeland

  3. Ich werde alt … so richtig …

    Auf jeden Fall will ich meinen baldigen 80. Geburtstag am kürzesten Tag das Jahres 2022 nicht feiern … ich habe erkannt, jetzt bin ich wirklich alt …
    … und trotzdem geniesse ich dankbar jeden Tag …

    • Den 80sten unbedingt feiern, Herr/Frau Winkelmann! So jung kommen wir nie mehr zusammen. Und wenn niemand mitfeiern will, sich selber eine Freude machen. Das Leben Revue passieren lassen. Dankbar sein für alles was gelang. Liebe Grüsse und eine gute Zeit für Sie.

  4. Zum Thema alt werden empfehle ich die Kolumne «Erinnern kann Zukunft haben» vom 17.11.2022 von Andreas Iten. Ich fühlte mich inspiriert und habe auch noch meinen Senf dazu gegeben.

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