Sie haben einen Kunstnachlass geerbt und wissen nicht, wie damit umgehen. Eine neue SIK-Studie liefert mögliche Antworten im Umgang mit Künstlernachlässen.
Es gibt immer mehr Kunstschaffende, es gibt immer mehr Kunst und immer mehr Museen, die Kunst aufbewahren und zeigen. Und es gibt immer mehr Kunstnachlässe, doch die Museen und Märkte sind wählerisch, interessieren sich nur für ausgewählte künstlerische Hinterlassenschaften. Eine schwierige Situation für Kunstschaffende oder ihre Erben. Die öffentliche Kulturförderung verfügt nur über begrenzte Mittel, verschiedene private Initiativen wie Art Dok in Zürich, die sich um den Erhalt des Lebenswerks des Künstlerpaars Otto Müller und Trudi Demut kümmert, versprechen Lösungen, erheben aber Anspruch auf öffentliche Unterstützung.
Das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) hat im Auftrag der Stadt Zürich eine Studie zum Umgang mit Künstlernachlässen in der Schweiz verfasst und dieser Tage im Rahmen einer Podiumsdiskussion am SIK-Sitz in Zürich einem interessierten Publikum vorgestellt. Neben Erklärungen zu kulturpolitischen Fragen wie „Wie wichtig ist die Bewahrungskultur?“ oder „Wer entscheidet, was aufbewahrt werden soll?“ listet die Studie eine Reihe von Empfehlungen für die zuständigen Gremien wie Museen, Archiven und privaten Sammlungen sowie für die Kunstschaffenden und deren Erben auf.
Zentrale Informationsstelle schaffen
Einmal wird festgehalten, dass auch im Bereich Kunst nicht alles aufbewahrt und erinnert werden kann und dass Nachlassbestände später eine Aufwertung oder Abwertung erfahren können, wobei eher letzteres zutreffend ist. Sodann wird für eine bessere Koordination zwischen Museen, Archiven, Sammlungen und privaten Initiativen geworben und die beteiligten Institutionen aufgefordert, ihre Strategie bezüglich Erhalt von Künstlernachlässen öffentlich zu machen sowie den Informationsaustausch untereinander zu pflegen und den gegenseitigen Zugang zu den eigenen Beständen zu ermöglichen.
Die Kunstschaffenden werden angehalten, die Kunstwerke auf verschiedene Sammlungen zu verteilen, um „die Chance auf eine diversifizierte und kontinuierliche Rezeption“ zu erhöhen, sowie neben den Kunstwerken auch biografische Dokumente und Arbeitsmaterialien wie Skizzen aufzubewahren. Schliesslich wird die öffentliche Hand eingeladen, eine zentrale Informationsstelle für Kunstschaffende und ihre Angehörigen zu schaffen, die diese beim Umgang mit Nachlässen berät und sie an geeignete Institutionen oder Initiativen verweist.
Mehr Platz für Neues in den Museen
Die Podiums- und anschliessende Publikumsdiskussion zeigte deutlich die unterschiedliche Erwartungshaltung zwischen den beteiligten Institutionen und den Kunstschaffenden auf. Während die Institutionen über volle Archive und Sammlungen klagen und immer öfters Anfragen abwehren müssen, Künstlernachlässe integral zu übernehmen, fordern die Kunstschaffenden einen neuen Umgang mit Künstlernachlässen. Vorab wünschen sie ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand, insbesondere beim Nachlass lokaler Kunstgrössen. Die Museen werden ermuntert, mehr Platz für Neues zu schaffen und Künstlernachlässe aktiv in Form von thematischen Ausstellungen zu bewahren. Eine Möglichkeit der Aufbewahrung ist die Digitalisierung von Nachlässen, wie sie das SIK betreibt. Doch zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass die heutige Technik der Digitalisierung schnell veraltet sein wird.
Die Studie gibt keine konkrete Antwort auf die Frage, wie mit der wachsenden Zahl an Künstlernachlässen umgegangen werden soll. Sie liefert lediglich ein paar grundsätzliche Überlegungen zur heutigen und künftigen Bewahrungskultur und nützliche Tipps, wie Private, Museen und öffentliche Hand vermehrt in die Pflicht genommen werden können. Wertvoll ist vorab der Hinweis zur Schaffung einer zentralen Informationsstelle für Kunstschaffende und ihre Angehörigen. Es ist schon viel erreicht, wenn Betroffene wissen, wohin sie sich wenden können.