Der Schwarze Tod

Ebola versetzt heute nicht nur Westafrika in Panik. Seit dem Spätmittelalter war es für Jahrhunderte die Pest, die in Europa Tod und Angst verursachte.

Anfang 1519 kam Huldrych Zwingli nach Zürich. Damals zog wieder einmal eine Pestwelle den Rhein herauf. Im Sommer brach der Schwarze Tod auch in Zürich aus und dezimierte die Zahl der Einwohner in wenigen Monaten um mindestens ein Drittel.

Mit Quarantänevorschriften und Ausräucherungen der betroffenen Häuser versuchten die Behörden, die Seuche aufzuhalten. Feldscher, auch Schärer genannt, schnitten den vom Fieber bewusstlosen Kranken mit der Zange die Eiterbeulen heraus. Die verordneten Pulver und Arzneien nützten meist wenig oder nichts. Damals war man sich in Zürich nicht bewusst, dass die Flöhe der Ratten die Pest übertrugen, nebst mangelnder Hygiene. Krankheit und Tod galten als unvermeidliches Schicksal oder als Strafe Gottes. Wer konnte, floh aus der durch den Schwarzen Tod gelähmten Stadt. Viele suchten bei Verwandten an scheinbar sicheren Orten Unterschlupf – und verbreiteten dort zuweilen die Krankheit.

unten: Pestopfer in Tournai werden begraben.

Zwingli als Leutpriester durfte seine Gemeinde trotz Ansteckungsgefahr nicht verlassen. Wie es sein Amt von ihm verlangte, stand er den von ihrer Familie oft alleingelassenen Kranken und Sterbenden bei. Das Ausmass des Leidens und die Hilflosigkeit der Zeitgenossen gegenüber der Beulenpest, die Junge und Alte gleichermassen dahinraffte, bewogen Zwingli später, sich für ein staatliches Armen- und Krankenwesen einzusetzen, das allen Bedürftigen die notwendige Hilfe ermöglichte.

Im September 1519 fröstelte es den kommenden Reformator plötzlich. Er konnte sich noch heimschleppen, dann schwebte er selbst wochenlang in Lebensgefahr. Wie durch ein Wunder entkam er der schweren Krankheit.

Tiefe religiöse Erfahrungen und mörderischer Fanatismus

Diese Erfahrung verarbeitete Zwingli in Gedichten und im Pestlied, seinem bekanntesten literarischen Werk. Dem Tode nahe, vom Fieber und Schmerzen erschöpft und zum Sterben bereit, wuchs in Zwingli die Überzeugung, nicht er, sondern Gott habe sich offenbar für sein Weiterleben entschieden. Zwingli empfand sich in seinem Kampf um die Erneuerung der Kirche als Werkzeug Gottes. Das ist einer seiner Beweggründe, die Reformation in die Wege zu leiten.

Kollektive Angst und das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber der tödlichen Epidemie führten vielerorts zu Verleumdungen der Juden und zu brutalen Ausschreitungen. Die ersten Pogrome gegen die Juden in Mitteleuropa waren wohl auf solche Panik und Ignoranz zurückzuführen. Andererseits richteten sich religiöse Fanatiker auch gegen ihre christlichen Mitbürger, indem sie vorgaben, durch Geisselungen das Übel aus den Menschen herauspeitschen zu können.


Darstellung der Beulenpest in der Toggenburgbibel (1411)

Seit 1348 zog die Pest durch Europa. Sie folgte dabei den Handelswegen – die Kaufleute schleppten am ehesten Seuchen aus fremden Ländern ein. Nach Bern gelangte die Pest entlang der Rhone, nach Basel und Zürich den Rhein hinauf. Deshalb trat die Pest nicht immer gleichzeitig an allen Orten der Schweiz auf. Unter dem Eindruck der hilflosen Kranken entstand in Bern das erste Spital, gegründet von der wohlhabenden Bernerin Anna Seiler. Das Seilerspital existiert noch heute. Aus Angst vor Ansteckung wurden Spitäler, auch Siechenhäuser genannt, ausserhalb der Stadtmauern gebaut.

Es waren die Ärzte mit ihren damals beschränkten Hilfsmitteln, Geistliche, Mönche und Nonnen, die zur Pflege der Kranken verpflichtet waren. Oft wurden die Toten nur in ein Tuch gewickelt und vors Haus auf die Strasse gelegt, von Helfern abgeholt und auf extra eingerichteten Pestfriedhöfen auf einfachste Art begraben.

links: Linde von Linn

Bei besonders dramatischen Umständen wurden Massengräber ausgehoben. Am Bözberg bei Linn AG steht eine rund 800 Jahre alte Linde, von der erzählt wird, sie sei über einem solchen Pestgrab gepflanzt worden, mit dem Wunsch, auf diese Weise die Menschen vor weiteren Plagen zu beschützen.

 

 

Forschung und Medizin – bis heute gefordert

Pest, Lepra («Aussatz»), Cholera und andere Krankheiten, die sich epidemisch verbreiteten, blieben, wo immer sie auftauchten, lange der Schrecken der Menschen. Erst im 19. Jahrhundert fanden forschende Ärzte die Ursachen vieler dieser Krankheiten: Bakterien. Henri Pasteur, Robert Koch oder Ignaz Semmelweis gehören zu den Pionieren im Kampf gegen die Infektionskrankheiten und für die Einführung effizienter Hygienemassnahmen. Die Entdeckung des Pestbazillus gelang 1894 dem Schweizer Arzt Alexandre Yersin. Anschliessend dauerte es noch einmal ein halbes Jahrhundert, bis das erste Antibiotikum eingesetzt werden konnte: das Penizillin. Zur Prävention entwickelten Wissenschaftler im gleichen Zuge Impfungen, die den Körper gegen bestimmte Krankheitserreger immunisieren.

links: Arnold Böcklin, Die Pest (1898) im Kunstmuseum Basel 

Die Euphorie war Mitte des 20. Jahrhunderts gross. Man glaubte, nun die ansteckenden Krankheiten in den Griff zu bekommen. Aber es waren eben nicht nur die verhältnismässig «einfachen» Formen der Bakterien, sondern oft die wandlungsfähigeren Viren, die z.B. Grippe in allen ihren Formen verursachen. Wir erinnern uns an die furchtbare Spanische Grippe 1919/20 kurz nach dem Ende des 1. Weltkriegs, an der weltweit ca. 25 Millionen Menschen starben. Andere neue Formen wie die sog. Vogelgrippe erschrecken uns heute noch. Das Beispiel Ebola zeigt: Wir müssen einsehen, dass nicht einmal heute alle Krankheiten sofort geheilt werden können.

Die Pest kommt heute noch auf einigen Kontinenten vor. Ausbreiten kann sie sich allerdings nur dort, wo die medizinische Versorgung schlecht ist, z.B. im Februar 2011 in Madagaskar; auch in Indien, in Algerien und im Kongo (Zaïre) wurden in den letzten Jahrzehnten Pesterkrankungen festgestellt, allerdings keine Epidemien.

Wie verhalten sich Menschen in existenziellen Ausnahmesituationen, wie nehmen sie sich selbst wahr, was bedeutet ihnen ihr Leben? Albert Camus hat darüber seinen Roman «Die Pest» geschrieben. Es sind zeitlose Fragen, die wir uns alle stellen können. Und ob die Katastrophe nun «Pest» heisst oder einen anderen Namen trägt, darauf kommt es letztlich nicht an.

Alle Bilder: commons.wikimedia.org

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