Max Gubler, anfangs das Schweizer Genie unter den internationalen Malern. Sein Spätwerk wird jedoch vorerst ignoriert.
In den frühen Fünfzigerjahren war die Welt um den Maler Max Gubler (1898-1973) noch in Ordnung. Bekannt geworden vor allem durch Gotthard Jedlicka, galt er damals als „das einzige Genie der Schweizer Malerei“.
Wie es dazu kam, dass sein Glanz verblasste und seine Werke von 1958-1961 vor der Öffentlichkeit geheim gehalten und versteckt wurden, steht unter anderem in „Max Gubler. Ein Lebenswerk“, von Matthias Frehner, Daniel Spanke und Beat Stutzer. Das informative Werk, das „den ganzen Max Gubler“ reich dokumentiert, ist der Katalog zur Ausstellung im Kunstmuseum Bern, die denselben Titel trägt und noch bis am 2. August 2015 dauert.
Der ganze wissenschaftliche Hintergrund dieser Berner Ausstellung ist vielseitig dokumentiert und bemerkenswert, zeigt er doch auch Aspekte auf, die nicht spontan einleuchten. Wie genau hat der Maler seine eigene Situation wirklich beurteilt? Das Symbol für Aufstieg und Absturz ist die Geschichte des Ikarus. Gubler selbst hat sich mit ihm verglichen; sein Bild „Hängender Fasan“ um 1956/57 ist durchaus symbolisch zu verstehen.
Spannend ist es also, sich mit Max Gublers Lebensgeschichte auseinander zu setzen. Ebenso spannend jedoch ist es, der „Lebenslinie“ zu folgen, die durch die blauen Wände der Ausstellungsräume signalisiert ist, und die Form und Farbe gewordene Lebensgeschichte mit den Hauptthemen in den entsprechenden Räumen zu vergleichen.
Es gibt ein grosses Hauptthema im Leben und Schaffen des Malers, seine Frau Maria. Unzählige Bilder gibt es von ihr, und ungezählte mit ihr. Gerade deshalb ist es erschütternd zu sehen, wie in der kranken Zeit der Depression dieses Bild sich wandelt. Was für ein geisterhaft durchschienenes Haupt auf diesem Bild! Wie schmerzlich die hexenhaften sich verkrallenden Hände! Die blassen Farben berühren und erschüttern intensiv.
Maria Gubler,
1959, Unterengstringen
Öl auf Leinwand, 130 x 97 cm
© Eduard, Ernst und Max Gubler-Stiftung, Zürich
Auf dem Doppelbildnis mit Katze hier, auf vielen andern Bildern mit Atelier-Interieurs, auf manchen Portraits aus der glücklichen Schaffenszeit sieht das viel lebensnaher aus. Satt in den Farben, mit eigenwilliger Blickführung von rechts nach links. Nicht als Zurückblicken scheint das gemeint zu sein, viel mehr als das Sichtbarmachen eines gewissen Stolzes: Da ist ein unkonventionell Schauender und Schaffender, der sich gewohnt ist, Dinge auf seine Art zu sehen und auch auf seine Art auszudrücken.
Doppelbildnis mit Katze,um 1952, Unterengstringen
Öl auf Leinwand, 162 x 130 cm
Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen,
Kunstverein Schaffhausen
© Eduard, Ernst und Max Gubler-Stiftung, Zürich
Grosses Interieur bei Nacht, 1939, Unterengstringen Öl auf Leinwand, 129 x 160 cm
Kunstmuseum Solothurn, Max Gubler-Stiftung
© Eduard, Ernst und Max Gubler-Stiftung, Zürich
Gublers Gemälde im Überblick zeugen von seiner Zerrissenheit, die bis zur Geisteskrankheit geführt hat. Wie das Verhältnis zu seiner symbiotischen Lebenspartnerin (die wohl viel mehr als die Rolle der angepassten Dulderin in seinem Leben und Schaffen gespielt hat) bedrohlich gestört wurde, kann man nur ahnen. Was ihm durch die Szene der etablierten Künstler und Kunst-“Kenner“ wie Kunstkritiker angetan worden ist – damit wird er nicht fertig. Es stürzt ihn in Selbstzweifel, dann in Wut- und Gewaltausbrüche. Vom Lichtgipfel der uneingeschränkten Anerkennung und grossen Bewunderung wie in Hölderlins Schicksalslied „jahrlang ins Ungewisse hinab“ zu stürzen, ist hart. Dass er dennoch auch in seiner dunklen Zeit immer wieder mit hellen, durchscheinenden, lichten Farben sein innerliches Verdämmern mit sinnlicher Kraft in den Gemälden überwindet, weckt stille Bewunderung für den am Ende wohl sehr einsamen Lebenskampf Gublers.
Blick auf Kloster Fahr durch kahle Bäume, 1946, Unterengstringen
Öl auf Leinwand, 33,4 x 41,3 cm
Kunstmuseum Bern, Legat Ruth und Hans-Rudolf Kull, Schweiz
© Eduard, Ernst und Max Gubler-Stiftung, Zürich
Die erst seit 2014 wieder verfügbaren Bilder, die Gubler von 1959 bis 1961 gemalt hat, sind weniger den klaren konzeptionellen Linien und der übersichtlichen Raumaufteilung verpflichtet. Der klaren Abstraktion der „positiven Zeiten“ folgt nun eine solche, die in manchen unruhigen Partien der Strichführung und des Bildaufbaus eine getrübte Sicht der Dinge vermittelt. Wenn Kunst „ein Innerliches äusserlich sichtbar“ macht, wie eine ihrer vielen Definitionen lautet, ist dieses Phänomen bei Gubler erstaunlich sichtbar. Schon die „Anbrechende Nacht“ von 1957 lässt darauf schliessen. Im Leben gibt es selten klare Gegenschnitte, öfters aber weiche Überblendungen; man wird deshalb ein noch in der „positiven Zeit“ entstandenes Bild durchaus als Beleg dafür heranziehen, wie sich die Zerstörung des existenziellen und künstlerischen Selbstverständnisses im Werk Gublers niederschlägt.
Anbrechende Nacht, 1957, Unterengstringen
Öl auf Leinwand, 130 x 162 cm
Privatbesitz
© Eduard, Ernst und Max
Gubler-Stiftung, Zürich
Max Gubler im Kunstmuseum Bern