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S isch Faasnacht, s isch Faasnacht…

So beginnt einer der Verse, mit denen Laufenburger Kinder beidseits des Rheins von den Narronen Essbares heischen

Die Basler Fasnacht mit dem Morgestraich ist längst von Touristikern international vermarktet, die Tschättermusik der Laufenburger Narronenzunft dagegen hat kaum jemand über Laufenburg hinaus wirklich erlebt. Oder auch: der Chienbäse-Umzug in Liestal, einer der spektakulärsten Feuerbräuche Europas zieht jährlich viele Tausend an, während die Neuwiller beim Reedlischwinge am Funkensonntag im Elsass unter sich bleiben.

Elzacher Fasnacht: zwei Schuttig mit Saublootere und Streckschere © Fredy Prack

Warum nicht mal woandershin fahren, wo grad Fasnacht, Fasnet, Carnaval ist, warum nicht als Zuschauer freundlich akzeptiert eine alemannische Fasnacht erleben? Mit dem neuen Buch der Kulturjournalistin Edith Schweizer-Völker gibt es nun einen Fasnachtsführer zu „Maskeraden im Dreiland“, wie der Untertitel von „Fasnacht ohne Grenzen“ heisst. Die Autorin – die mir vor Jahrzehnten im Goschdym und mit Piccolo „uf dr Gass“ begegnete – kennt das Fasnachtsfieber am eigenen Leib so intensiv, dass ihr der Besuch von allen möglichen Fasnachten ein Bedürfnis wurde. Das Ergebnis dieser Recherchen ist jetzt zwischen Buchdeckel zu haben.

Morgestraich in Basel © Fredy Prack

Beiläufig lernen wir die Unterschiede von Herrenfasnacht und Bauernfasnacht kennen, erfahren, dass archaische Figuren wie mit Tannenreisern oder Schneckenhäuschen vermummte Gestalten hier zur Fasnacht, dort zu Osterbräuchen gehören und wo überall zwischen Rottweil und Sissach das Feuer am Funkensonntag oder später im Brauchtum auftaucht. Ausserdem stecken die Informationen voller historischer Hinweise, Fasnacht ist älter als hundert Jahre. Beispiel: Felix Platter (1536-1614) erinnert in seinem Tagebuch, dass er als Zehnjähriger in Neuenburg am Rhein die närrischen Tage verkleidet als Mädchen erlebte.

In der Stadt Basel ist der Rhein nicht Grenzfluss, in Rheinfelden und Laufenburg auch nicht – während der Fasnacht. Hüben und drüben feiert man seit Jahrhunderten gemeinsam. In der Narro-Altfischerzunft 1386 sind Deutsche und Schweizer dabei, sie tragen dasselbe traditionelle Häs aus farbigen Blätzli, dieselbe handgeschnitzte Larve aus Lindenholz – aber mit individuellem fröhlichem oder auch schrecklichem Gesicht. Wenn die Trommeln bei Dunkelheit ihr archaisches Lied d Müllere het si het erklingen lassen, und zwischen den Häusern gemessen-feierlichen Schritts der Zug der Narronen auftaucht, schüttelt es einen vor Ergriffenheit.

Wenn di Narren jedoch am Fasnachtsdienstag rückwärts schreitend den heischenden Kindern („s isch Faasnacht, s isch Faasnacht, d Puure frässe Würscht, und wenn si alli gfrässe händ, denn löön si langi Füürz») Schoggi, Orangen oder anderes zuwerfen, sind sie – die Larve zurückgelegt auf den Kopf – freundliche Männer im Narrenkleid.

Jasskärtle- und Bändelenarro aus Zell am Harmersbach in Südbaden © Fredy Prack

Während die Verkleidungs- und Lärmriten vor oder nach Aschermittwoch stattfinden, sind die Feuerbräuche im Grunde Winteraustreibungsrituale und können auch mitten in der Fastenzeit stattfinden. So wird am Mittfastensonntag, also drei Wochen vor Ostern in Karsau, Beuggen und Riedmatt am Oberrhein der Miesme (Moosmann) herumgeführt, eine übergrosse Strohpuppe mit Markgräfler Hörnerhaube, und später verbrannt. Den mi-carème feiern die Attenschwiller im Sundgau mit dem Butzimummel, die Buschwiler mit dem Iltis.

Der Iltis aus Buschwiller – unheimlich, wenn er durch die Gassen kommt © Fredy Prack

Beide „überleben“ ihren Umgang, bei dem sie, unterstützt von Gefolge, mit rüden Heischesprüchen Gaben sammeln („und wenn dir uns kaini Aier wänn gäh, so muess euch dr Iltis d Hiener näh“), während das Sissacher Chluri schon am Fasnachtsende verbrannt wird. Der letzte in dieser Reihe wäre der Zürcher Böögg, aber der liegt ausserhalb des Forschungsgebiet von Edith Schweizer. Noch was „verbindet“ den Zürcher Zunftumgang mit der alemannischen Fasnacht: die Musik. Der Sechseläutenmarsch heisst original Alter Jägermarsch und wird bei vielen deutschen Fasnachten, auch in Rottweil zu Beginn des Narrensprungs geblasen.

Rottweils Narren sind so vielfältig wie traditionell: Die Larven und Kostüme werden in den Familien aufgehoben, aber immer kommen neue dazu, genau nach Vorbild. Beispielsweise das Gschell: eine freundliche Barocklarve, ein Leinenkleid mit handgemalten Figuren und vor allem Schellenriemen über den Schultern mit 48 Rollen. Oder der Federehannes: er trägt Hauer im Gesicht ein Gewand mit aufgenähten Federn und einen Stab mit einem parfümiertem Kälberschwänzchen am Ende. Auch Berittene gibt’s, einerseits die Brieler Rössle, die den Geisseln der Treiber entkommen wollen sowie der Guller, zu deutsch Gockel oder Hahn.

Das Büchlein über Fasnachten vom Oberrhein über den Sundgau bis in den Schwarzwald ist vom Basler Grafiker und Laternenmaler Fredy Prack illustriert. Zum Glück keine Fotos, freut sich die Leserin an den wunderbaren Helgen, unter anderem dem Guller aus Rottweil, den Hexen und Teufeln aus Waldkirch, dem Hutzgüri mit den Eierwiibli aus Sissach, dem Butzesel und den Wüeschte aus Villingen. Aber bei aller Liebe zur Volkskunde und zur Region, wenn es ums Fasnachtsfieber geht, scheiden sich die Geister frei nach Goethe:
Wenn ihr’s nicht fühlt
ihr werdet’s nicht erjagen.

Das Buch zur Fasnacht in der Regio Basiliensis und drüber hinaus eignet sich perfekt als Reiseführer: Jedesmal steht am Ende der Fasnachtsbeschreibung der passende Stundenplan sowie eine Web-Adresse, und als Register hat Edith Schweizer einen Veranstaltungskalender vom 11. November über die feissen Donnerstage bis zum Mittfastensonntag erstellt. Zäsur zwischen Herren- und Bauernfasnacht ist der Aschermittwoch.

Alle Zeichnungen mit freundlicher Genehmigung des IL-Verlags, Basel

Edith Schweizer-Völker: Fasnacht ohne Grenzen.Maskeraden im Dreiland. Reiseführer zu Fasnachtsbräuchen in der Region Nordwestschweiz – Südbaden – Elsass.  IL-Verlag, Basel, 2015. 29 Franken

Lesungen: 
Kulturhaus Bider & Tanner, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel. 
Montag, 25. Januar 2016, 19.30 Uhr. Eintritt frei. Tickets beim Veranstalter

Dreiländmuseum Lörrach, Freitag, 29. Januar 2016, 19 Uhr.

 

 

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