StartseiteMagazinKolumnenDer Blues mit einer neuen Landeshymne

Der Blues mit einer neuen Landeshymne

Unzeitgemäss sei sie, unsere vertraute Landeshymne, die eigentlich ein Psalm ist. Darum müsse ein neuer Text her. Heil dir Helvetia, hast noch Probleme ja…

Nein, es war kein Primarschulwettbewerb, es waren mehr als 200 bestandene Mannen und Frauen, welche mit Griffel und Tastatur ihre Gehirnwindungen animierten, einen «neuzeitgemässen» Text zu schreiben, damit inskünftig Rütli-Schweizer, Fussball-Ikonen und Analphabeten gleichermassen befugt sein sollten, unserem Land die Reverenz zu erweisen. Leider kommt der Sieger aus Zollikon sprachlich nicht über ABC-Weisheiten hinaus, ja noch schlimmer, das Resultat ist ein Jammer, sprachlich armselig, was da von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) prämiert wurde.

Worum geht es eigentlich? Alberich Zwyssig, Zisterziensermönch des Klosters Wettingen, komponierte 1841 den Schweizerpsalm auf einen Text von Leonhard Widmer. Darin werden wir zum Gebet zu Gott,  dem Herrn, «im hehren Vaterland» aufgerufen. Was ist daran veraltet? Wie unzeitgemäss ist ein waltender Gott oder eine etwas pathetische Sprache? Gerade recht, um auf dem Abfallhaufen der Geschichte zu landen? 1961 beschloss der Bundesrat, die damalige Nationalhymnne «Rufst du, mein Vaterland», welche zur Melodie zu «God save the Queen» gesungen wurde, durch eine eigenständige, unverwechselbare Schöpfung zu ersetzen. Erst 1981 erhielt der Psalm obrigkeitlichen Segen, und seither wogen Zustimmung und Missbehagen in zyklischen Debatten und Himmelfahrtsbewegungen hin und her.

Natürlich sind Geschichte, Sprache und auch unser Glaubensverständnis «sempre reformanda», also dem Brennglas der Tauglichkeit ausgesetzt und haben immerwährenden Reformbedarf. Aber genau hier bedarf es der Relatierung. Die alten Griechen und Römer waren genau so angejahrt, als sie die Renaissance als kostbaren Kultur- und Sprachschatz wieder ins Bewusstsein riefen. Und Goethe, Schiller, die Romantik und das 19. Jahrhundert könnte man (und tut es auch immer öfter unbedarft) getrost als sprachlich veraltet, moralinsauer und «unzeitgemäss» abtun und die Gegenwart als allein zukunftweisend glorifizieren. Was ist Bildung anderes, als die Werte der Vergangenheit stetig zu prüfen und auch für eine Neuzeit zu bewahren, solange sie sinnstiftend sind und uns an die grossartigen Errungenschaften unserer abendländischen Kultur erinnern?  Es wäre Picasso wohl auch nie in den Sinn gekommen, Leonardo da Vinci oder Michelangelo als überholt zu qualifizieren, nur weil er mit dem Kubismus neue künstlerische Ausdrucksformen erprobte.

Man muss nicht einmal gläubig sein, um hinter dem zugegeben etwas gar verklärenden Hymnus eine Demut und Dankbarkeit zu würdigen, die auch die 1. August-Ansprachen mehrheitlich thematisieren. Alte Zöpfe abschneiden, gewiss, aber bitte nicht auch noch das Gehirn amputieren. Der Literaturwissenschaftler Peter von Matt sprach in einem Radiointerview mit Hansjorg Schultz jüngst von zunehmendem «biblischem Analphabetismus» bei jungen Leuten und davon, dass für das Erfahren und Begreifen unserer kulturellen Tradition in Literatur, Theater und bildender Kunst die Bibelkenntnis unerlässlich sei. Lesen Sie den unsäglich trivialen Siegertext im Seniorweb-Beitrag «Sommerwelten» von Josef Ritler (2. August), um eine Parallele zu ziehen zum aktuell grassierenden Kulturverständnis.

Leider ist Paul Burkhard schon lange tot. Er hätte es verstanden, im Sinne von «Oh, mein Papa» oder  der «Zäller Wiehnacht» eine schlichte und doch ans Herz rührende Alternative zu verfassen. Oder weshalb bittet man Polo Hofer nicht, im Stil der «Alperose» einen schmissigen Song zu Papier zu bringen? Eine Strophe für die Sennen und Schwinger, eine für die Kiffer, eine für die Ewiggestrigen und eine für die Sterndeuter des 21. Jahrhunderts? Das wäre zumindest ein Gaudi und nicht einfach nur ein Grabgesang.

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