Kant?! Der weltberühmte deutsche Philosoph Immanuel Kant, geboren 1724 in Königsberg und dort auch 1804 gestorben und begraben? Richtig.
Während des 7-jährigen Krieges (1756-1763) in Europa, befand sich die Stadt Königsberg in den Jahren 1758 bis 1762 schon einmal im so genannten Bestand des russischen Imperiums, und somit war Immanuel Kant genau viereinhalb Jahre lang russischer Staatsangehöriger.
Als damals die Russen Königsberg eroberten, handelten die Bürger der Stadt mit dem russischen General (wie man in der Stadtgeschichte lesen kann) eine friedliche Lösung aus, bevor man ihm im Rahmen eines Festaktes die Stadtschlüssel übergab. „Alles andere blieb beim Alten“, heisst es da. Dann kamen die Preussen wieder.
Ebenfalls überliefert ist, dass in jenen Jahren der 34jährige Kant russische Offiziere privat in verschiedenen Fächern unterrichtete. Auch hatte er sich im ersten Kriegsjahr bei der russischen Zarin Elizaveta um einen Lehrstuhl an der Universität in Königsberg beworben. Allerdings vergebens. Kant bekam eine Absage mit dem Verweis auf sein geringes Dienstalter.
Also dann doch wieder zurück nach Wesjolowka, Judtchen genannt? In diesem kleinen Dörfchen, rund 70 km östlich von Königsberg, gab es eine Kirche und ein Pfarrhaus. Nachdem Kants Vater verstorben war, musste er das Studium aus Geldmangel aufgeben. Er ging nach Wesjolowka und lebte in den Jahren 1747 bis 1750 als «Lehrer für alles» im Haus des Pfarrers Andersch, unterrichtete dessen Kinder. Nach Angaben eines heimatkundigen Forschers auch die Kinder aus dem Ort.
Erst im Alter von 46 Jahren wird Kant ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik. Umgehend machte er sich mit seinem Buch «Kritik der reinen Vernunft» einen Namen, wurden die Königsberger Studenten auf ihn aufmerksam.
Kant hatte dieses Werk {wörtlich}: „Gewidmet Sr. Exzellenz, dem Königl. Staatsminister Freiherr von Zetlitz». Die Widmung endete mit den Worten „… ich bin mit der tiefsten Verehrung Ew. Exzellenz untertänig gehorsamster Diener Immanuel Kant».
Das oben genannte Werk beginnt Kant mit dem Satz: „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse, dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft».
Die wirkliche Rezeption der Philosophie Kants begann in Russland mit diesem Buch, wobei zu bemerken ist, dass es nicht irgendwo in Europa, sondern im russischen Reich gedruckt und herausgegeben wurde. Eine erneute bemerkenswerte und wirksame Rezeption aller seiner Werke geschah, als bekannt wurde, dass der Schriftsteller Leo Tolstoi (1828 bis 1910 ) über eine wunderbare «Kant-Sammlung» verfügt, die er nach intensiver Lektüre selbst zusammenstellte. Dessen besonderes Interesse an Kants Moral- und Religionsphilosophie hat die russische Kant-Forschung nachweisbar nachhaltig beeinflusst.
Im Jahr 2014 meldete aber das Journal «Russland-Aktuell»: «Kants Spuren verschwinden in Kaliningrad», einst Königsberg. Soweit die Überschrift. Im Text heisst es: «Einst hat Immanuel Kant in diesem Anwesen in Wesjolowka gelebt. Nun hausen hier Obdachlose. Die Fensterhöhlen blicken schwarz und leer, die Ziegeln bröckeln, das Dach ist eingefallen. Im Gebiet Kaliningrad verschwindet einer der letzten Zeitzeugen aus der Zeit des grossen deutschen Philosophen».
Die «Mitteldeutsche Zeitung» berichtete in diesem Jahr: «Viele Kaliningrader sind aufgebracht. Kants «Kritik der praktischen Vernunft, sein «Kategorischer Imperativ», seine Antwort auf «Was ist Aufklärung?» oder sein Traktat «Zum ewigen Frieden» mögen den wenigsten etwas sagen. Doch der deutsche Denker, dessen Namen die Universität der Stadt trägt, ist in Kaliningrad so etwas wie der gute Geist der Stadt, wird verehrt als Symbol des alten Königsberg».
Offenbar hat man in Kaliningrad noch nicht vergessen, dass seinerzeit ihre Universität durch Immanuel Kant Anschluss fand an die grosse europäische Geistesbewegung des 18. Jahrhunderts: die Aufklärung.
Es geschah im August 2016, einige Medien vor allem in Deutschland, gaben diese Meldung weiter: «Russlands Präsident Wladimir Putin hat verfügt, das frühere Wohnhaus des deutschen Philosophen Immanuel Kant im Gebiet Kaliningrad wiederherzustellen. Das inzwischen zur Ruine verkommene Gebäude soll für ca. 650 000 € restauriert werden, die Putin aus seiner Präsidentenreserve bereitgestellt hat. Mit dem Projekt wurde das Kulturministerium betraut. Zudem sprach sich der Präsident dafür aus, Kants Werke in russischer Sprache herauszugeben».