StartseiteMagazinKolumnenWollen wir Siezis machen?

Wollen wir Siezis machen?

Satirische Gedankensplitter: es darf geschmunzelt werden!

Damals, als wir Kinder waren, sagten sich die Erwachsenen grundsätzlich und per Definition Sie: Am Arbeitsplatz im Büro sagte man sich Sie, die Nachbarn waren per Sie, Bundes- oder Regierungsräte siezten sich an ihren Sitzungen ebenso wie die Lehrer im Lehrerzimmer, selbst unter den Studenten war die distanzierte Höflichkeitsform üblich.

Alles andere war die Ausnahme, und es war jeweils beiderseits viel Wohlwollen und Achtung nötig, wenn man nach langem Sich-Kennen schliesslich Duzis machte. Selbst nach dem Einrücken in die Rekrutenschule brauchte es eine kurze Angewöhnungsphase daran, dass sich alle angehenden Soldaten Du sagten. Zur historischen Erinnerung: Die Offiziere sprachen sich mit «Herr Kamerad» an…

Und heute? Die Manieren unserer flexiblen Gesellschaft scheinen sich um 180 Grad gedreht zu haben, und die Feststellung ist bloss ganz leicht übertrieben, dass sich die Erwachsenen mittlerweile grundsätzlich und per Definition Du sagen – und alles andere die Ausnahme ist. So duzen sich ganze Quartiere (meist einschliesslich der Kinder), die Eltern duzen die Lehrer (gelegentlich tun‘s auch die Schüler), die jungen Mütter duzen sich im Muki-Turnen-Schwimmen-Babyhüten, die Senioren beim Wandern-Jassen-Trinken-Singen. Wehe jenem, der auf die unselige Idee käme, die Arbeitskollegen per Sie auf erträglicher Distanz zu halten – zum Aussenseiter gestempelt würde der leicht angejahrte Vorgesetzte, der auf die Nonchalance des neuen, blutjungen Lehrmädchens am ersten Arbeitstag «Hallo Jack, ich bin die Bettina – nenn‘ mich einfach Betty!» mit müdem Protest zu reagieren versuchte.

An Festivitäten jeder Art wird das Du in Form einer Zwangsvollstreckung dekretiert, ob es den Gästen passt oder nicht: Das erste, das der Brautvater beim Apéro einer Hochzeit verkündet: «Heute sind wir sooo glücklich, wir sagen uns alle Du!» Nächstens wird man sich nach Begräbnissen auch beim Leichenmahl duzen müssen. So oder so ist es immer wieder peinlich, kurze Zeit später solchen Kollektivduzfreunden zu begegnen – und sie haben keine Ahnung, wer sie da weshalb anspricht und erst noch duzt…

Ein Problem in dieser allgemeinen, grassierenden Duzerei wird immer grösser: Wie kann man Menschen, die man wirklich und von Herzen mag, in einen Sonderstatus erheben, ihnen zeigen, dass sie nicht einfach bloss Durchschnitt sind, sondern als etwas Spezielles betrachtet werden?

Ich für mich habe die Lösung gefunden. Wenn meine Gattin und ich nächstens meinen alten Kumpel Jakob und seine Erna besuchen, werde ich nach dem Essen das Glas erheben und mein Anliegen vorbringen: «Wir kennen uns nun schon so lange, haben viel zusammen erlebt und mögen uns (so scheint es mir wenigstens) wirklich gut, unsere Freundschaft ist doch etwas ganz Besonderes – wollen wir uns nicht in Zukunft Sie sagen?»

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