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Wenn die SRG zerschlagen wird…

…droht ein kultureller Kahlschlag. Und: der Verlust der Kohäsion der Schweiz. 

Wenn es sie jetzt und schon seit 1931 nicht gäbe, müsste sie jetzt erfunden und gegründet werden: die SRG, die Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft. Und zu den Gründermüttern müsste die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli gehören, die sich jetzt im Zuge der No-Billiag-Initiative aber anschickt, die SRG zu zertrümmern. Sie und mit ihr die SVP, der Schweizerische Gewerbeverband setzen immer wieder und auch lautstark auf die Unabhängigkeit, die Neutralität, auf die direkte Demokratie, auf die Eigenständigkeit der Schweiz, auf nationales vor internationalem Recht. Kurz: auf „Schweiz zuerst“. Nur bei den Medien wollen sie den gigantischen Medienkonzernen, Facebook, Google, den ausländischen Fernsehstationen rund um unser Land, ihrem Schweizerischen Bollwerk, kein mediales Bollwerk der Eigenständigkeit entgegensetzen. Im Gegenteil: Sie wollen mit der Zustimmung zur No-Billag-Initiative einheimischem Schaffen den Garaus machen, indem sie der SRG die 1,2 Mia. Franken Gebührengelder entziehen wollen. Und sie damit in den Abgrund stossen. Bei den rund 6000 Mitarbeitenden bei der SRG geht die Angst um. Bei einem Ja am 4. März 2018 zur Initiative müsste die SRG, das mediale Bollwerk der Schweiz, wohl oder übel liquidiert werden.

Nur: Wer könnte sie in ihrer heutigen Qualität auch nur annähernd ersetzen? Gähnende Leere. Den internationalen Sendern wären Tür und Tor geöffnet. Auch der schweizersiche Werbemarkt würde von aussen bearbeitet und abgeschöpft. Schon jetzt stösst die SRG an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Ohne internationale Kooperationsverträge wäre das heutige Fernsehangebot gar nicht möglich, könnte nicht jeden Sonntagabend ein „Tatort“ ausgestrahlt werden. Die Tagesschau, 10vor10, eingebunden in den Internationalen News-Exchange, könnten nicht hochaktuell über die internationalen Entwicklungen anschaulich berichten. Und es ist wie ein Wink aus der Vergangenheit, dass in der letzten Woche die Sendung Aktenzeichen XY ihr 50. Sendejahr feiern konnte. Das Fernsehen SRF erschien während Jahrzehnten als Ko-Produzentin mitten in der Sendung, in der jeweils nach Zürich zum nachmaligen SVP Nationalrat Werner Vetterli, später zu Konrad Tönz geschaltet wurde. Schon damals war der schweizerische Beitrag derart bescheiden, so dass mich als Verantwortlicher des Schweizer Fernsehens in einer gemeinsamen Redaktionskonferenz in Dresden der damalige Intendant des ZDF bei meiner Intervention um mehr soziale Aspekte zurechtwies und meinte: Herr Schaller, sie wissen ja wohl, wer die Sendung bezahlt und welches der Beitrag der Schweiz ist (ein bescheidenes Moderations-Honorar an Eduard Zimmermann, ausbezahlt an seine Bank im Wallis, ein eigener Beitrag und alle drei Jahre die Ausrichtung der jährlichen Redaktionskonferenzen zwischen dem ZDF, dem ORF und der SRG).

Der Ausstieg aus der koproduzierten Sendung war wohl ein erster Schritt hin zu mehr Eigenständigkeit, die sich im Verlaufe der letzten Jahre immer stärker fortsetzte, die aber auch ein immer besseres Programm brachte. Uns wurde in den 70- und 80-ger Jahren vorgehalten, ein zu urbanes, ein zu engagiertes, gar ein zu weit linkes Programm zu machen. Immer wieder gab es nicht zuletzt deshalb Versuche, der SRG Konkurrenz entgegen zu setzen. Alle Versuche scheiterten kläglich, der von SVP-Politiker und Kiesunternehmer Felix Mathis mit seinem Business-Channel, der von Margrit Trappe, der von Tamedia. Überlebt haben lediglich die Regionalsender. Ein eigenständiges Programm gestalten und sich richtig über Wasser halten kann nur Tele Züri, der Zürcher Regionalsender, der jetzt zum Medienkonzern von Peter Wanner gehört.

Das immer besser werdende Programm, die nun immer noch andauernde lange konkurrenzlose Zeit brachten es mit sich, dass SRF immer selbstbewusster, die Spitze der SRG immer selbstsicher wurde, ihr bis vor kurzem amtierende Chef, Generaldirektor Roger de Weck, immer selbstgefälliger agierte, nicht in die Niederungen der Politik hinabstieg, sich der Lobbyisten bediente, um Stimmung für die SRG zu machen. Das Gegenteil trat ein. Die SRG geriet immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik. Jetzt muss Gilles Marchand, der neue Mann der SRG, die Kastanien aus dem Feuer holen. Unterstützt wird er von Jean-Michel Cina, dem beschlagenen CVP-Politiker aus dem Wallis, der bestens mit der Mechanik in Bundesbern vertraut ist.

Allein werden sie es aber nicht schaffen. Die Umfragen sagen ein Ja zur No-Billag-Initiative voraus. Es ist also höchste Zeit, alle Kräfte zu sammeln. Insbesondere die Sender von SRF können mit ihren Programmen glänzen, können zeigen, dass sie auch in dieser schwierigen Situation eines verstehen und beherrschen: ein unabhängiges, eine gutes, ein spannendes Programm zu gestalten. Die SRG-Spitze hat zu erklären, was die SRG ausmacht, dass sie bereit ist, mit den Zeitungs-Verlegern ein Arrangement einzugehen, dass sie bereit ist, den privaten Anbietern zumindest das Werbeumfeld im Internet zu überlassen. Insbesondere haben aber auch die Verantwortlichen in der deutschen Schweiz in die Öffentlichkeit zu treten. Andreas Schefer, der Präsident des Deutschschweizer Verwaltungsrates der SRG, und Ruedi Matter, der Direktor von SRF, sollten erkennbar werden; sie haben Vertrauen zu schaffen. Dass bei SRF zudem der Chefredaktor, die Programmverantwortlichen – ausser Jonas Projer – unbekannte Wesen sind, hat bis jetzt jedenfalls nicht zum Vertrauen in der Öffentlichkeit beigetragen. Und den Politikerinnen und Politikern, denen die Kohäsion der Schweiz ein Anliegen ist, denen ein gutes TV-Programm am Herzen liegt, haben zu verteidigen, was ja die SVP ja so sehr wünscht: schweizerische Eigenständigkeit. Sie haben anzutreten gegen den Schweizerischen Gewerbeverband, gegen Deutschschweizer Wirtschaftsleute, gegen SVP-Politiker, vereint mit den geeinten Westschweizer Miteidgenossen, denen ihr Westschweizer Fernsehen im Gegensatz zur politischen Klasse in der deutschen Schweiz ans Herz gewachsen ist. Und heute ist schon klar: wenn die No-Billag-Initiative angenommen wird, kommt es zu einem kulturellen Kahlschlag, zu einem tiefen Graben zwischen der West- und der Deutschschweiz, die freundeidgenössische Kohäsion würde zerbrechen.

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