StartseiteMagazinKulturBlinde Passagiere ans Licht geholt

Blinde Passagiere ans Licht geholt

Das Aargauer Kunsthaus zeigt, welche Schätze im Zwischendeck der Schweizer Malerei seit 1850 mitgereist simd.

Es sind nicht nur Begabung, Kreativität und der lange Atem, die einem Künstler zum Durchbruch verhelfen, ebenso wichtig sind Kuratoren, der Kunstmarkt – und erst recht der Zufall. Anker, Hodler, Giacometti und Tinguely oder aktueller Fischli/Weiss und Pippilotti Rist sind international berühmt, während viele ihrer Zeitgenossen es bestenfalls zu kurzem Höhenflug oder regionaler Bekanntheit brachten.

Die Kuratoren Peter Suter (rechts) und Thomas Schmutz führen durch die Ausstellung

Peter Suter, Künstler und Autor aus Basel begann schon während seiner Ausbildung, Malerei und Grafik zu sammeln: „Anfangs suchte ich auch bei Trödlern und auf Flohmärkten,“ sagt er auf meine Frage nach dem Finanziellen, erfreut ob der Vielfalt und Qualität die mir in den Ausstellungsräumen begegnet. Nein, es gibt keine Story vom unentdeckten Rembrandt, Peter Suter sammelte von Anfang an Schweizer Kunst; so wie es seit der Gründung auch Sammlungspolitik des Aargauer Kunsthauses ist. Zum zweiten Mal veranstalten Suter und Kunsthaus-Kurator Thomas Schmutz ein Joint Venture, um Schätze aus Schweizer Ateliers der letzten 150 Jahre zu präsentieren, 2013 lief die Schau unter dem Titel Stille Reserven, jetzt zeigen sie Blinde Passagierein den Ausstellungsräumen.

Die Bilderflut alphabetisch von Max Alioth bis Irène Zurkinden oder auch chronologisch von Arnold Böcklin bis Anton Bruhin, hat den beiden Kuratoren wohl einiges Kopfzerbrechen bereitet: Wie baut man eine kohärente Ausstellung aus guten und ausgezeichneten Bildern von No Names aus vielen Jahrzehnten.

Hans Emmenegger: Gordon-Bennett-Wettfliegen, 1909. Sammlung Peter Suter, Basel

Das Resultat lässt sich sehen, führt einen auf eine Entdeckungsreise durch die Schweizer Malerei, auch wenn die eine oder andere Überschrift zu den einzelnen Räumen vorerst verblüfft. Aber die Absicht, dass die Werke miteinander kommunizieren und durch den Dialog eine mitunter unerwartete Wirkung bekommen, funktioniert besser als erwartet. Verstärkt wird die Wirkung der Räume durch das Fehlen der Täfelchen mit Titel, Urheber, Jahr, Material und Eigentümer neben jedem Bild. Also: zuerst hinschauen, einen Raum nach dem andern erkunden, das Ensemble wirken lassen, erst später auf der Liste der mit diskreten Nummern versehenen Objekte nachsehen, von wem das oder jenes Porträt, diese oder jene Landschaft stammt.

Amédé Barth: Stilleben, um 1922. Sammlung Peter Suter, Basel. Foto: ullmann.photography

Ausserdem sind nicht nur vergessene und verkannte Unbekannte versammelt; selbst Besucherinnen und Besucher ohne vertiefte kunsthistorische Kenntnisse stossen auf alte Bekannte wie den Expressioniste Hermann Scherer oder den Vertreter der Neuen Sachlichkeit Niklaus Stoecklin. Zu entdecken ist auch ein kaum bekanntes Bild von Cuno Amiet: Pastellfarbene Mietskasernen vor städtischer Kulisse in einer blassgrünen Landschaft mit winzigen dunklen Autos und Fussgängern. Das Bildsteht im Dialog mit anderen Gemälden von kleinen Formaten mit bäuerlich-vorstädtischen Motiven, urbanen Architekturen von Paul Camenisch und Stadtimpressionen aus Marseille von Coghuf (Ernst Stocker), der in die Avantgardeszene vom Paris der Zwanziger Jahre eingetaucht war. Den Raum nannten die Kuratoren Zum Stadtrand.

Fritz Baumann: Der Sackträger um 1913/14. Sammlung Peter Suter, Basel

An der Arbeit heisst ein Raum mit Darstellungen aus dem Arbeitsalltag. Die Spannweite geht von dem kleinen Bild Kuh, 1860, von Rudolf Koller, dem Maler der berühmten Gotthardpost, bis zu den Arbeiter-Darstellungen von Rudolf Maeglin aus den Dreissiger und Vierziger Jahren. Während Kunsthaus-Kurator Thomas Schmutz die spannungsvolle Komposition von Karl Glaus‘ Bauarbeiter von 1944 hervorhebt, ist für Co-Kurator Peter Suter Der Sackträger von Fritz Baumann von 1913/14 „bester Kubismus.“ 1919 war es vom Kunstkritiker der NZZ anlässlich einer Ausstellung gelobt worden. Später übermalte es Baumann. Peter Suter hat es hinter einem anderen Bild wiederentdeckt.

Unübersehbar im Saal mit den sanften Hügeln sind Die vier Jahreszeiten im Uerkental, die Giuseppe Canova als zehn Meter lange Panoramen vom immer gleichen Standpunkt aus 1975 malte. Er hat sie in einem alten Zirkuswagen in Bottenwil gezeigt, jeweils die passende Jahreszeit. Nun sind alle auf einmal zu sehen.

Karl Heinrich Hindenlang, Frau und Katze, 1926. Privatbesitz

Der Überblick über anderthalb Jahrhunderte Kunst aus einheimischen Ateliers gewinnt Spannung durch das Zusammenfügen einer künstlerisch motivierten Privatsammlung mit einer öffentlichen Museumssammlung. Der Schwerpunkt liegt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Katalog, erschienen bei Scheidegger & Spiess (59 Franken) eröffnet eine weitere Dimension der Bildbetrachtung: Die Ausstellungsmacher haben die Autoren Klaus Merz, Michel Mettler und Stefanie Soulier gebeten, zu Bildern ihrer Wahl einen literarischen Text zu verfassen. Auch von Peter Suter gibt es literarische Bildlegenden oder Bildbetrachtungen. Nicht nur einmal äussert er sich zum gleichen Bild wie Klaus Merz. Leseexemplare liegen jeweils an Stehpulten bereit, das Zusammenspiel von Text und Bild kann vor Ort entdeckt werden.

Installation von Cédric Eisenring, Manor Kunstpreis 2018. Foto: ullmann.photography

Gleichzeitig mit dieser Übersicht über die Schweizer Kunst hat das Kunsthaus dem Gewinner des Manorpreises, Cédric Eisenring im Untergeschoss eine Einzelausstellung eingerichtet, oder vielmehr hat der Künstler die Räume inszeniert, mit farbigen, halbtransparenten Köpfen als Türen, Wandmalereien und Tafeln, Industrieabfälle aus Stanzereien, die er bearbeitet, ausgestattet, so dass eine Bühne für seine Geschichten entstanden ist. Weitergeführt wird auch die Reihe Caravan, in der junge Kunst präsentiert wird. Diesmal zeigt Andriu Deplazes irritierende menschliche Figuren in meist düsteren Naturlandschaften, überhöht mit fluoreszierendem Rot.

Andriu Deplazes, Körper, Baum und blaue Blüten, 2018

Teaserbild: Niklaus Stoecklin, Foscola. 1918. Sammlung Peter Suter, Basel
Bis 15. April
Hier finden Sie weitere Informationen über alle Ausstellungen sowie das Begleitprogramm, Führungen und Öffnungszeiten.

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