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Über die Jurahöhen hinaus

Wer auf den Jurahöhen wandert, schaut auf die imposante Alpenkette. Unser Ausflug führt in die andere Richtung, in die Franche-Comté.

Als Kind fanden wir Grenzen spannend. Wir verglichen ganz genau, was auf der anderen Seite, im fremden Land anders schien als bei uns. Heute haben die Grenzen einzig in bestimmten politischen Fragen noch eine Bedeutung. Nur an Kleinigkeiten erkennt man, ob man sich im Jura noch auf Schweizer Territorium oder schon auf der französischen Seite befindet. Und das ist keineswegs erstaunlich, denn wenn auch nicht überall, so bestanden doch immer Kontakte zwischen den Menschen diesseits und jenseits der Grenze. Es ist doch so, dass traditionelle Tessiner Häuser denen in Italien ähneln, nicht wahr? Ebenso ist es auf den Höhen des Jura.

Der junge Doubs

Wenn wir uns auf einen kleinen Ausflug auf die andere Seite des Jura begeben, empfiehlt es sich eher, nach Vergleichbarem zu schauen, nicht nach Trennendem. Nachdem wir durch die Schlucht bei Vallorbe über die Grenze gefahren sind und an Höhe gewonnen haben, überqueren wir den jungen Doubs, der hier durch eine idyllische Hochebene mäandert. Nachdem er sich bei Mouthe aus dem karstigen Jurakalk in einen Quelltopf ergossen hat, fliesst er nun nach Norden, gräbt sich bald ein, bildet dann ein Stück weit die Grenze zum Schweizer Jura, bis er sich schliesslich endgültig nach Frankreich hinwendet. – Der Doubs zeigt, wie wichtig es ist, die gemeinsamen Aufgaben und Anliegen diesseits und jenseits der Grenze zu pflegen: Die Schönheiten des Doubs-Tales und die Sauberkeit des Wassers zu erhalten, dafür müssen beide Seiten sorgen.

Käse, Honig und Pendulen

In den grossen Wäldern und den weiten Wiesen sammeln die Bienen ihren Honig ebenso im Jura der Franche-Comté wie in der Schweiz. Es wird guter Käse hergestellt, die vorherrschende Sorte dort ist Comté, ein äusserst schmackhafter Rohmilch-Hartkäse, den es in drei Qualitäten gibt, je nachdem wie lange er gelagert ist. Die Milch komme, vernahm ich, aus der Region, und zwar von Kühen der Rasse Montbéliard oder – Simmentaler.

Sind das nun Montbéliard-Kühe oder Simmentaler?

Die kleinen Käsegenossenschaften übernehmen die Pflege ihrer Käse selbst, sie lagern und verkaufen ihn in den fruitières. Meine Gastgeberin wusste, dass die Genossenschaft, die sie bevorzugt, eine neue Maschine besass, um die riesigen Käselaiber, die zudem auf hohen Gestellen liegen, zu wenden und zu pflegen, einen «Roboter», wie sie sagte. Das wollte ich mir anschauen. Wir durften in den feuchtkalten Keller hinunter, und der Apparat wurde extra für uns in Betrieb genommen. Eindrucksvoll, wie er die schwere Arbeit akkurat ausführt. Ich erfuhr, wo dieser mechanische Helfer konstruiert worden war: in der Schweiz.

Der Roboter, der die Arbeit mit den Käsen erleichtert

Es gibt auch Spezialitäten, die nur in der Franche-Comté bekannt sind, die Cancoillotte zum Beispiel, eine schwer zu beschreibende «Käsesuppe» – der Begriff «Kochkäse», wie manchmal übersetzt wird, erklärt nichts, sie schmeckt im ersten Moment ungewöhnlich, aber lecker.

In die Franche-Comté gehören auch die Pendulen, les Horloges Comtoises. Das sind sowohl Pendulen als auch Standuhren. Aus der Schweiz kommend, war ich der Meinung, dass alle Uhren aus der Schweiz kämen, nicht nur die raffinierten grossen und kleinen Taschen- und Armbanduhren, die Neuenburger Pendulen also auch. Richtig, aber die Kunstfertigkeit, aus feinen eisernen Rädchen eine Uhr mit zwei Uhrwerken, eines für die Zeit, eines für das Schlagwerk, herzustellen, wurde eben in der Franche-Comté auch schon seit dem späten 17. Jahrhundert gepflegt, besonders im Haut Jura, in Morez und Morbier.

Mächtige Jurawälder – auch darauf sind die Jurassier beidseits der Grenze stolz

Um mich zu überzeugen, dass die horloges comtoises nur im Jura gebaut wurden, erzählte man mir, dass auf dem Zifferblatt oft eine Stadtansicht zu sehen sei, diese aber nicht den Herstellungsort, sondern den Sitz des Uhrenhändlers zeige.

Der Creux du Van und der Cirque de Baume

Wer gern in den Schweizer Jurabergen wandert, kennt wohl den Creux du Van, eine geologische Merkwürdigkeit, die in Kalkgebirgen vorkommt, ein Kessel, der wahrscheinlich in der Eiszeit durch Erosion entstanden ist. Der Creux du Van (Kanton Neuenburg, nahe Waadt) liegt auf einer Höhe zwischen 1200 und 1450 m und steht unter Naturschutz. Viele seltene Pflanzen findet man dort, Steinböcke und Gämsen klettern an den fast senkrechten Felsen. Ein schönes Ziel für eine Wanderung, am besten von Noiraigue (Val de Travers) aus.

Eine vergleichbare Formation finden wir nicht weit von Lons-le Saunier: Das winzige Dorf Baume-les-Messieurs befindet sich in einem ähnlichen Kessel, allerdings nicht mehr auf den Jurahöhen. Seine Talsohle liegt auf ca. 300 m Höhe, die Felswände sind ungefähr 100 m hoch; das Dörfchen hat nur etwa 175 Einwohner, zählt aber zu den «hübschesten Dörfern Frankreichs» – eine französische Bewertung. Entsprechend der geologischen Verwandtschaft entspringt in jedem der Kessel ein Gewässer: Im Creux du Van ist es die Quelle Fontaine Froide, die diesen Namen trägt, da ihr Wasser sommers wie winters 4° kalt ist. Im Cirque de Baume entspringt die Seille, ein Nebenfluss der Saône.

Cirque de Baume

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