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Junge Kunst im Öltankraum

Das Museum Langmatt in Baden präsentiert zum zweiten Mal das Ausstellungsgefäss „Raumfahrt“.

Das Publikum ist eingeladen, die Kellerräume – neuerdings sogar den ehemaligen Öltankraum – der herrschaftlichen Villa zu erkunden, wo Werke der jüngsten Künstlergeneration ausgestellt sind. Die Ausstellung Raumfahrt II – Bruchstücke präsentiert Momentaufnahmen junger, zeitgenössischer Schweizer Kunst mit Daniel Karrer (*1983 in Binningen, lebt und arbeitet in Basel), Deirdre O’Leary (*1989 in Fribourg, lebt und arbeitet in Basel) und Micha Zweifel (*1987 in Luzern, lebt und arbeitet in Rotterdam). Die Kunstschaffenden reagieren in ihren Arbeiten auf den raschen, grundsätzlichen Wandel, dem das sinnliche Erleben unterworfen ist. In Bruchstücken erzählen sie mit unterschiedlichen bildnerischen Ausdrucksmitteln von Gesehenem und fragmentarisch Erinnertem.

Daniel Karrer vor seinen Hinterglasbildern mit Daniela Minneboo, Kuratorin der Ausstellung

Daniel Karrer zeigt in der Ausstellung Hinterglasmalereien – eine alte volkskundliche Maltechnik, die er in unsere Zeit neu übersetzt. Alltägliche Bildmotive wie Tische, Butter, Spiegeleier finden sich in seinen Bildern ebenso, wie Objekte, die der digitalen Welt entnommen sind. Hecken, die in einem Photoshop-Modul hergestellt wurden und sich im Bildraum auftürmen, kantige Palmen und zackige Umrisse. Die medial vermittelten Bildwelten vermischen sich mit der Wahrnehmung der physischen Welt. Karrers Hinterglasmalereien können als Analogie zu einem Computerbildschirm gelesen werden, der uns als Fenster zur digitalen Welt dient. Der Malprozess der Hinterglasmalerei ist im Gegensatz zur Arbeit auf einem klassischen Bildträger genau umgekehrt. Das Bild wird von vorne nach hinten aufgebaut, in ausgekratzten Stellen erscheinen mitunter zusätzliche Bildelemente oder der Künstler klebt Collagen direkt auf das Glas der Bildvorderseite. So entsteht ein Spiel mit den Bildebenen, die Irritationen schaffen, auch die Neugier und Faszination, genau hinzuschauen.

Deirdre O’Leary liest den Text zu “Drei Figuren”

Auf einer Grossleinwand präsentiert Deirdre O’Leary eine Auswahl von digitalisierten Super 8-Filmen, die auf verschiedenen Reisen der Künstlerin nach Italien, Abchasien und Griechenland entstanden sind. Die kontemplative Kameraführung und Fokussierung auf einzelne Bildmotive kontrastieren mit medialen Produkten der heutigen Zeit. Die alte, analoge Filmtechnik bringt körnige Bilder in einem reduzierten Farbenspektrum hervor. Die Aufnahmen wirken wie Erinnerungen, bruchstückhaft aus einer zeitlosen Vergangenheit, die ohne Handlung und Tonspur als flimmernde Eindrücke wiedergegeben werden. Der Film Dressed in a Kite (2018) entstand während eines Aufenthalts in Athen und zeigt das Flattern einer grossen Stoffbahn im Wind. Die Kamera scheint sich aufgrund fehlender Distanz im wehenden Stoff zu verfangen. Die so entstandenen Bilder wirken abstrakt, erinnern dann aber auch wieder an diffuse Wellen und Wolken. Es sind Impressionen von heute, hergestellt von einer jungen Künstlerin mit einer Kamera aus der Vergangenheit. Deirdre O’Leary zeigt in einer weiteren Arbeit Drei Figuren, bestehend aus verschiedenen Teilen eines Kostüms aus gefärbter Fischhaut und Quarz. Der dazugehörige Text lässt sie als Requisiten eines Stücks begreifen, die auf einer imaginären Bühne interagieren.

Micha Zweifel, Installation und Reliefs im ehemaligen Öltankraum der Villa Langmatt

Micha Zweifel hat eine raumgreifende Installation in den ehemaligen Tankraum gebaut, der zum ersten Mal als zusätzlicher Ausstellungsraum zur Verfügung steht. Wo bis vor kurzem noch ein riesiger historischer Öltank lagerte, inszeniert der Künstler einen Wohnraum mit Möbeln aus den Beständen des Museums Langmatt, ergänzt von einigen Palmen in Töpfen. An den gelb und silbrig bemalten Wänden hängen Gipsreliefs von Micha Zweifel, die Strassenszenen in Los Angeles zeigen. Die rauen Oberflächen und blassen Farben der Reliefs entstehen aus einem Arbeitsprozess, bei dem das Bild negativ in Ton geformt und koloriert wird, um es dann in Gips abzugiessen.

Eins von Micha Zweifels Los-Angeles-Gipsreliefs im Öltankraum

So wird im Abguss nicht nur die Form, sondern auch die Farbe übernommen. Die Gipsabdrücke sind eigentliche Bruchstücke und entstanden nach fotografischen Vorlagen. Sie lassen das staubige, raue Klima der Grossstadt erfahrbar werden und kontrastieren zum zierlichen Mobiliar im Raum. Das Interieur kann durchaus als Referenz an die Langmatt als Wohnmuseum verstanden werden. Und in den Bildmotiven finden sich Assoziationen zu den Stadtbildern der Impressionisten, wie dem Boulevard Montmartre von Camille Pissarro.

Teaserbild: Daniel Karrer, Untitled 2017, Hinterglasmalerei (Ausschnitt)
Fotos: Andreas Wolfensberger, Winterthur
Bis 23. September 2018

Zur Ausstellung Raumfahrt II- Bruchstücke im Museum Langmatt hat Kuratorin Daniela Minneboo einen Begleittext verfasst.

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