Warum die Unvernunft oft über eine vernünftige Lösung dominiert.
Faust und sein Diener Wagner sind auf dem Osterspaziergang. «Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden belebenden Blick…» Die Menschen sind frohgemut vor der Stadtmauer unterwegs. Unter der Linde tanzen und singen sie. Faust plaudert mit seinem Famulus. Am Ende ihres Rundgangs umkreist die beiden ein schwarzer Pudel. «Der Kreis ist eng, schon ist er nah!» Wagner nennt den Hund ein pudelnärrisch Tier. Faust bewegt hingegen eine seltsame Ahnung. Kaum wieder in seinem Studierzimmer angekommen, dringt der Pudel in sein Haus ein und entpuppt sich als Mephisto. «Das also ist des Pudels Kern!» Mephisto wird von da an das Leben von Faust begleiten. Die Tragödie nimmt ihren Anfang.
Das Wort wird zum Sprichwort und zur Frage, was des Pudels Kern einer Sache oder eines Menschen sei? Worin zeichnet sich sein Charakter aus? Sind seine Absichten ein Täuschungsversuch? Lügt er oder sagt er die Wahrheit? Täuscht er Dinge vor, die von den Tatsachen ablenken? Die Politik ist das bevorzugte Feld von Ablenkungsmanövern, von Machtspielen und Verführungskünsten. Darum stellt sich für den mündigen Bürger in einer Sache stets die Frage nach des Pudels Kern. Reklame, Propaganda, Schlagworte versuchen zu überzeugen. Des Pudels Kern wird zur Metapher, die Fragen aufwirft.
Gerade herrscht ein Streit über das EU-Waffenrecht, das mit Konzessionen auch für die eidgenössischen Schützen gelten soll. Es ist ein vernünftiger Vorschlag, den die EU macht. Dennoch wird er vehement bekämpft. Es wird sogar behauptet, seine Übernahme ins Schweizer Recht sei der Anfang für die Entwaffnung der Schweiz, und dies in einer Umwelt, in der alle Staaten aufrüsten. Warum aber handelt der Mensch, der den Vorschlag durchaus als vernünftig anerkennen muss, nicht vernünftig und lehnt ihn ab? Kein seriöser Schweizer Schütze wird daran gehindert, eine Waffe zu erwerben. Er muss gewisse Waffenkäufe beim Erwerb registrieren lassen und nach fünf Jahren Auskunft geben, wo sich diese Waffe befindet. Sie soll nicht in beliebige Hände gelangen. Das dürfte doch für Schützen eine Angelegenheit der Routine sein.
Das Thema wird nun aber hochstilisiert zur Aussage, die Schweiz werde ein Vasall der EU. Aber ist das wirklich des Pudels Kern? Verliert die Schweiz ihre Eigenständigkeit? Diese Frage darf getrost verneint werden. Sie hängt zusammen, mit der Mitgliedschaft im Schengenraum. Man darf von der Annahme ausgehen, dass die meisten Schützen, die eine Waffe kaufen, im Grunde das Waffenrecht für vernünftig halten. Aber warum lehnen sie und mit ihnen eine Partei den Vorschlag dennoch ab? Das führt zur Frage, nach des Pudels Kern, denn vernünftig denken und dennoch unvernünftig handeln ist paradox. Geht es wirklich um das Waffenrecht oder um andere Absichten? Die Frage soll hier nicht beantwortet, vielmehr soll darauf aufmerksam gemacht werden, bei jeder Abstimmung nicht zu vergessen, nach des Pudels Kern zu fragen. Was verbirgt sich hinter den Schlagworten? Es handelt sich meist um Einfluss und Macht. Die Analyse des Pudels Kern könnte klären, warum es den Parteien wirklich geht.