Thailand hat mehr zu bieten als Badeferien oder das prickelnde Leben in Bangkok.
Kurz vor Sonnenaufgang sind wir auf dem See Thale Noi, dem kleinen Teil des schier unermesslichen Songkla-Sees in Südthailand. Die Wasserfläche wirkt noch grösser, da die flachen Ufer am Horizont verschwinden. An diesem Tag ist nicht der Sonnenaufgang das Spektakulärste, sondern Fauna und Flora im und auf dem Wasser. Unzählige grosse und kleine Vögel sehen wir, in der Ferne Reiherkolonien, Wasserbüffel lassen sich nicht stören, und dann fahren wir durch weite Flächen voller Lotusblumen. Dabei ist jetzt im Mai nicht einmal die Hochsaison der Lotusblüte, wie unsere Reiseführerin Nagmo erklärt.
Wasserbüffel in ihrem Element
Der Songkla-See, grösser als Bodensee und Vierwaldstättersee zusammen, ist das grösste Binnenmeer Südasien, dessen nördlicher Nebensee Thale Noi ist als Feuchtgebiet im internationalen Ramsar-Verzeichnis aufgeführt und geschützt. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Fischer mehr gäbe. Hier fischt man von zuweilen wackligen Holzgestellen aus mit grossen Netzen, die einfach ins Wasser gelassen und später wieder hochgezogen wurden. Nagmo, die in dieser Gegend aufgewachsen ist, erzählt, dass es eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen als Kind war, mit dem Boot zu einem solchen Holzgestell zu fahren, Fisch zu fangen und den gleich dort mit der mitgebrachten Sauce zu verspeisen.
Morgendämmerung und Fischernetze auf dem Thale Noi
Wir essen Reis, und zwar in allen Variationen. Schon zum Frühstück gibt es Reis auf vielerlei Art zubereitet, Reissuppe zum Beispiel sieht milchig aus und ist ungewöhnlich gewürzt, aber gar nicht scharf. Apropos scharf: In Thailand isst man für unseren Gaumen höllisch scharf. Zu Beginn fragte uns die Reiseleiterin, wie scharf wir gerne essen würden, gemessen auf einer Skala zwischen Null und Zehn. Wer wie ich Fünf angegeben hatte, änderte sein Urteil schnell auf Zwei – oder doch lieber auf Eins? Auch bei fehlender Schärfe kocht man sehr schmackhaft. Das konnten wir in vielen der ländlichen Restaurants feststellen.
Wie Reis gepflanzt, bewässert und nach der Ernte gestampft und von der Spreu getrennt wird, beobachteten wir bei einem kleinen Bauernstand. Diesen hatte schon der Vater eingerichtet, sein Sohn ist inzwischen ein älterer Mann. In Bangkok aufwachsende Kinder wissen vielleicht nicht mehr, wie ihre alltägliche Speise wächst. Wir probierten, den Reis in einem flachen Flechtteller so geschickt zu schütteln, dass die Körner drinbleiben und die Spreu rausfliegt – gar nicht so einfach.
Die Frauen der Promlok Community bieten uns die leckersten Früchte an.
Die schmackhaftesten Früchte gab es in der Promlok Community, einer ländlichen Genossenschaft am Fusse des höchsten Berges von Südthailand, dem Khao Luang mit einer Höhe von immerhin 1835 m. Er liegt in einem der vielen thailändischen Nationalparks. Anziehungspunkt ist ein Wasserfall, der sich in vielen Stufen von der Bergflanke herunterstürzt. Man kann neben den unteren Abschnitten durch den Wald auf einem glitschigen Pfad hochklettern, und anstrengend ist es auch, denn Feuchtigkeit und Hitze setzen uns Europäern zu! Exotische Schmetterlinge, Vögel, kleine Echsen erblickt man, wenn man zum Luftholen und Ausruhen stehenbleibt. Sogar Wildbienen in einem grossen geschwungenen Nest zeigte uns die Reiseführerin hoch oben in einem Baum.
Der untere Teil des Wasserfalls am Khao Luang
Nicht hier, sondern an anderen Orten entdeckten wir auch Affen. Einheimische sehen den Kontakt nicht so gern, denn Affen können sehr frech werden, wenn sie darauf aus sind, etwas Schmackhaftes zu ergattern. Sie verstecken sich nicht im Urwald. Einmal sass eine ganze Grossfamilie Rhesusaffen beidseits der Landstrasse, wie aufgereiht, um uns Touristen zu verabschieden.
Schon im Hotel am Thale Noi-See war mir aufgefallen, dass das Hotelmanagement darauf hinwies, es beachte ethische Richtlinien. Diese Region ist weitgehend vom Massentourismus verschont, die Übernachtungsorte, Restaurants und Sehenswürdigkeiten wirken genuin thailändisch. Die Genossenschaft am Khao Luang-Wasserfall produziert zu 100% biologisch und bietet den Besuchenden, darunter Gruppen junger Leute, verschiedene Aktivitäten an. Die Reiseorganisation, die solche Reisen organisiert: lokal alike, setzt auf Nachhaltigkeit und Förderung der lokalen Ressourcen, sie bietet ihre Touren abseits ausgetretener Pfade in verschiedenen Teilen Thailands an.
Der Tempel in Nakhon Si Thammarat – der wichtigste in Südthailand. Gerade war eine Gruppe Wandermönche eingetroffen.
Einen der schönsten und zugleich amüsantesten Schätze Thailands besuchten wir in der Hauptstadt der Region, Nakhon Si Thammarat: ein Schattenpuppentheater, eine alte Kunst, die vor allem in ländlichen Gegenden geschätzt wird. Aber es gibt nur noch wenige, die diese Kunst beherrschen. Meister Wa Ti hat das Theater von seinem Vater übernommen. Er und seine Schwester stellen die Puppen selbst her – es ist ungewöhnlich, dass der Puppenspieler seine Puppen auch selbst herstellt. Meister Wa Ti hat beides als Kind gelernt und ist dabeigeblieben.
Museum der Schattentheater-Puppen
Die Puppen werden aus Kuhhaut hergestellt, die über längere Zeit in Essig eingelegt war. Dadurch erhält die Haut die erforderliche Festigkeit. Dann wird die Figur kunstvoll ausgeschnitten und bemalt, zuletzt werden die beweglichen Teile am Körper befestigt.
Traditionell werden Szenen aus dem ursprünglich indischen Ramayana vorgeführt. Der Puppenspieler ist gleichzeitig Spieler und Sprecher der verschiedenen Rollen. Meister Wa Ti kann aber auch anderes: Uns spielte er einen witzigen Sketch vor, durchaus mit einem modernen Comic vergleichbar.
Die «Bühne» des Schattentheaters – ein weisses Tuch
Auch eine Reise nach Südthailand ist ohne einen Aufenthalt am Meer unvollständig. Nicht nur Phuket, auf der Westseite an der Andamanischen See gelegen, sondern auch am Golf von Thailand lässt sich’s wunderbar baden, wer Glück hat, sogar mit Delphinen. Diese sind zutraulich, denn sie bekommen manchmal Fische zugeworfen. Also stiegen wir noch einmal in eines dieser schmalen langen Boote und fuhren aufs Meer – und konnten wirklich eine Gruppe Delphine entdecken. Ebenso eindrucksvoll waren die Inseln und Felsformationen. Zuweilen dachte ich an einen mächtigen Riesen, der den Fels in seiner Faust wie Papier zerknüllt hatte. Geologisch ausgedrückt: Es sind dies die allerletzten Ausläufer des Himalaya.
Sind dort im Meer vielleicht Delphine oder ist es nur eine kleine Welle?
Diese Reise wurde unterstützt von Local Alike Company, TAT Switzerland (Tourism Authority of Thailand) und Thai Airways anlässlich des 35-jährigen Bestehen der direkten Fluglinie Zürich – Bangkok
Alle Fotos: Maja Petzold