StartseiteMagazinGesellschaftLoblied auf ein verkanntes Genie

Loblied auf ein verkanntes Genie

Sie sind in der Küche eine kulinarische Allzweckwaffe: Immer erhältlich, vielseitig verwendbar und im Kühlschrank problemlos lagerfähig – die Tomate. Sei es als rote Dekoration auf einem langweiligen Salatteller, als Ketchup in der Flasche, auf Pizza und Pasta, alle lieben die rote Frucht.

Eine Liebeserklärung hat sich die bei uns ganzjährig angebotene Frucht allerdings meist nicht verdient. Zu fade ist sie, zu säuerlich, zu beliebig. Mehr Blickfang als Gaumenfreude.

Die Liebe ist den jetzt im eigenen Garten gepflückten oder auf Märkten erhältlichen sonnengereiften Tomaten vorbehalten. Denn anders als ihre roten, prallen und dank fester Schale ungemein robusten Schwestern beim Grossverteiler bietet eine sonnenwarme, frisch gepflückte Tomate ein einmaliges Geschmackserlebnis, ist einfach Sommer pur.

Voller Geschmack, voller Genuss

Natürlich bringt ein Insalata Caprese auch mit im Treibhaus gezüchteten Tomaten etwas südliches Flair auf den heimischen Tisch – wenigstens optisch. Aber wer jetzt sonnengereifte Tomaten kaufen oder im Garten ernten kann, dazu Basilikumblätter frisch vom Strauch pflückt und vielleicht noch einen seidenzarten Büffelmozzarella aufschneidet, alles mit etwas Salz und Pfeffer bestreut und mit einem guten Olivenöl beträufelt, der hat auf seinem Teller eine wahre Duft- und Geschmackssinfonie. Eine kulinarische Arie von Verdi sozusagen.

Tomaten sind uralte Kulturpflanzen aus Mittel- und Südamerika, die erst von Kolumbus und seinen Nachfolgern nach Europa gebracht wurden. Zunächst galt das Nachtschattengewächs als giftig – die verwandte Kartoffel machte ja, roh genossen, auch Bauchweh – und ihr Genuss soll sogar zu Todesfällen geführt haben.

Todesfalle Tomate

Dieser schlechte Ruf muss allerdings relativiert werden. Es waren nicht die Tomaten, die giftig waren, sondern der bleihaltige Hartzinn, aus dem Teller und Schüsseln in vornehmen Häusern gefertigt waren. Die Säure der Tomaten löste eine chemische Reaktion aus, bei der Blei freigesetzt wurde. Betroffen von solchen Unfällen waren denn auch nur der Adel und die wohlhabenden Bürger. Wer, wie das einfache Volk, von Holztellern ass, hätte die Tomaten gut vertragen. Nur bekamen die die exotische Frucht gar nie zu sehen.

Sieht zwar schön aus, kann aber gefährlich werden. Die Säure der Tomate löst Blei aus dem Hartzinn. Also besser Porzellan- oder Glasteller verwenden für die nächste Insalata Caprese. (b.r.)

Dass unreife Tomaten, wenn auch nicht zu Todesfällen, aber doch zu Verdauungsstörungen führen können, trug wahrscheinlich dazu bei, dass die roten Früchte nur langsam beliebter wurden. Zumal ihr Anbau nur im Süden Europas ohne weiteres möglich war.

Ein Hansdampf auf allen Tellern

Erst im 20. Jahrhundert wurde die Tomate zur beliebten Handelsware. Die holländischen Züchter mit ihren Gewächshäusern sorgten dafür, dass Tomaten zu einem weit verbreiteten Nahrungsmittel wurden. Paradeiser oder Paradiesäpfel heissen die Tomaten in Österreich, Pomodori, also Goldäpfel im Italienischen. Tomate leitet sich vom aztekischen Xitomatl ab – die Frucht hat sich in vielen Sprachen und Küchen ihren Platz erobert.

Wer Tomaten selber anbauen möchte, muss allerdings einiges beachten. Zwar keimen die grossen Samen leicht und auch Setzlinge gibt es im Fachhandel in vielerlei Sorten zu kaufen. Aber dann wollen die Pflanzen so richtig verwöhnt werden.

Tomaten brauchen einen nahrhaften Boden. Früher, als ich meine Tomatenpflanzen noch im grossen Garten anbaute, schaufelte ich jeweils tiefe Löcher, füllte diese mit Schnittgut von Brennnesseln und Beinwell, gab eine rechte Portion Kompost dazu und füllte die Löcher zur Hälfte mit Gartenerde auf.

Verführerisch rot ist sie immer, aber jetzt ist sie, frisch gepflückt, auch geschmacklich ein Erlebnis. (pixabay)

Da hinein kamen die Tomatenpflanzen zu liegen. Ja, zu liegen, denn so konnte ein Grossteil des, natürlich entblätterten, Stengels eingegraben werden. Er bildete dort zusätzliche Wurzeln aus. Nur die Blattschöpfe schauten aus den nun aufgefüllten Pflanzlöchern hervor. Das sah auf den ersten Blick ziemlich mickrig aus. Aber nach ein paar Wochen schalteten die Pflanzen den Turbo ein und wuchsen innert Kürze zu kräftigen, gesunden, dunkelgrünen Büschen heran.

Ein Pilz, der immer wieder kommt

Heute pflanze ich aus Platzgründen nur noch zwei, drei Tomatenstauden in Töpfe ein. Natürlich ohne «Futtervorrat» wie im Garten. Deshalb müssen sie regelmässig organisch gedüngt werden. Die Töpfe stehen am Rande des Wintergartens, damit sie bei längeren Regenperioden ans Trockene geholt werden können.

Denn vor mehr als 20 Jahren wurde mit Phytophthora infestans ein Pilz virulent, der vielen Hobbygärtnern die Tomatenzucht gründlich verleidete. Nicht nur, dass bei Pilzbefall die Tomaten braun und ungeniessbar wurden, der Pilz überwinterte auch im Boden und breitete sich im nächsten Jahr bei der ersten grösseren Regenperiode wieder aus.

Verhindert werden kann die Pilzkrankheit mit konsequentem Schutz der Blätter vor Nässe. Wer also ein vorspringendes Dach oder einen gedeckten Sitzplatz oder eben einen Wintergarten hat, der wird weitgehend verschont. Tomatenhäuschen aus Plastik dagegen sind suboptimal. Weil sich darin Kondenswasser ansammelt.

Dass sich die Tomate von einer exotischen Rarität zu einem global bekannten, alltäglichen und billigen Nahrungsmittel gemausert hat, zeigt auch der Umstand, dass Tomaten ab und zu als Wurfgeschosse dienen und im Sommer oft in so verschwenderischer Fülle anfallen, dass ganze Tomatenschlachten geschlagen werden. Die bekannteste, die Tomatina, im spanischen Bunol. Da lobe ich mir die Tomatenschlacht in der Küche!

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