StartseiteMagazinKolumnenEin Lob den Würmern

Ein Lob den Würmern

Als ehemaliger Politiker äussere ich mich in meinen Kolumnen selten politisch. Man zählte mich in gewissen Kreisen zu den Linken und den Netten. Nun da das Apfel-Wurm-Plakat erschienen ist und in den Zeitungen mehrmals als Inserat abgedruckt wurde und weiterhin wird, macht es mich ein wenig launisch. Ich habe noch keinen Menschen als Wurm bezeichnet. Für mich selber überlege ich, ob ich mitgeholfen habe, die Schweiz zu zerstören, wie das Plakat verkündet? Ich habe fast immer bürgerlich gestimmt und gewählt. Nur pflege ich einen etwas anderen Begriff von Bürgerlichkeit, in dem Menschen nicht als Würmer bezeichnet werden. Der Stil des Plakats überrascht mich nicht, wir haben uns allmählich an ihn gewöhnt. Über den Stil in der Politik brauche man sich nicht aufzuhalten, sagte mir einst ein Chefredaktor. Aber, antwortete ich ihm, der Stil sei auch Inhalt. Er charakterisiere auch den Menschen und gebe zu erkennen, wes Geistes Kind einer sei.

Heute weiss ich, dass Würmer nützliche Tiere sind. Es gibt Horizontalbohrer und Vertikalbohrer. Sie fressen Blätter, Tannennadeln und andere Reste, von denen sie sich ernähren. Sie lassen diese Nahrung durch ihren langen Leib gehen und stossen die Reste als Humus aus. Ohne Humus gäbe es keine Schweiz und keine fruchtbaren Böden, demnach auch keine Bauern und Gärtner. Aus der Naturkunde wissen wir, dass die Würmer nicht an Äpfel ran gehen, wie sollten sie auch. Die Früchte hängen frisch an den Bäumen. Würmer kehren nicht bei einem «Wirte wundermild» ein, wie Ludwig Uhland in seinem schönen Gedicht schreibt: «Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste. Ein goldner Apfel war sein Schild an einem lange Aste …» Hingegen macht sich der Apfelwickler ein Vergnügen, bei ihm einzukehren, setzt seine Eier an der glatten Oberfläche ab. In einer Metamorphose wandelt sich die entstehende Larve zu einem zierlichen Schmetterling und entfernt sich aus seinem Wirtshaus wie ein Zechpreller.

Bleibe ich noch einen Moment bei der Unterteilung der Würmer in Vertikalbohrer und Horizontalbohrer, gerate ich in die Versuchung, die Menschen in diese zwei Kategorien einzuteilen. Beide tun etwas für die Menschen, aber auf unterschiedliche Art und Weise. Sie hinterlassen Humus. Die Vertikalbohrer sind etwas kritischer, etwas skeptischer. Sie bringen eigene Werke und Werte hervor. Zu ihnen zähle ich Philosophen, Schriftsteller und alle, die sich den Wissenschaften verschrieben haben. Sie fliegen wie die Apfelwickler oft auch recht stolz und schön gezeichnet herum. Die Horizontalbohrer sind aber nicht weniger wichtig. Sie erarbeiten, was für den täglichen Gebrauch nötig ist. Sie bauen an Häusern, sie pflanzen Wiesen und Äcker, verkaufen Produkte, sie schreiben Rechnungen und sie vergeben Hypotheken.

Nun gibt es ausser ihnen eine dritte Kategorie Menschen. Es sind die Verführer und jene, die ihnen nacheifern. Es sind Leute, die nicht neugierig sind und Dinge einfach übernehmen, ohne sie zu Humus zu verarbeiten. Es sind die Nachsager, die bedenkenlos einer Meinung folgen und sie übernehmen. Mit einem Wort von Albert Camus sind es Menschen ohne Neugierde, denen ihr Wissen, das sie besitzen, verleidet. Wissen zu wollen, was sie nicht wissen, neugierig zu sein, ist für sie eher lästig. Zu denken, dass es auch anders sein könnte, als es ihnen vorgesagt wird, strengt sie zu sehr an. So einer hat mir gerade ein Buch empfohlen, das ihm, was er weiss, bestätigt. Mir aber sagt die Empfehlung, dass ich im Grunde schon weiss, was in dem Buch steht. Ich lese ja Zeitungen und studiere auch Plakate.

Das Apfel-Wurm-Plakat wirkt mit einem hässlichen, «mit eme grüüsige» Bild. Schon immer war mir klar, dass hässliche Bilder lügen, natürlich auch zu sehr beschönigende. Sie verbreiten «Fake news», wie das Modewort heisst. Beim hier erwähnten Plakat sind Falschaussagen augenfällig. Schon die ersten Reaktionen darauf erklärten, dass buntfarbige Würmer nicht aus einem Apfel kriechen. Öffnet man aber die «wurmstichige» Frucht, findet man nur weiss-gelbliche Larven. Das Wort wurmstichig ist ein volkstümlicher Ausdruck. Die Grafiker und Besteller des Inserates wollten zeigen, dass die anderen Parteien wurmstichig sind. Wie sollte ich über diese Annahme nicht lachen. Gerne bestätige ich, dass mich die offensichtlichen Lügen nicht beeindrucken. Das Plakat behindert mich nicht, wissen zu wollen, was ich noch nicht weiss.

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