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Das Bauhaus – eine Wirkungsgeschichte

Das Zentrum Paul Klee dokumentiert in neuartiger Form einen umfassenden Forschungsbericht.

Nach jahrelanger Vorbereitungsarbeit ist an verschiedenen Orten der Welt die Ausstellung bauhaus imaginista zu sehen. Anlass ist das Jubiläum «100 Jahre Bauhaus». Die als Schule für Gestaltung ursprünglich angedachte Einrichtung wurde 1919 in Weimar vom Architekten Walter Gropius (1883-1969) gegründet. Zu den ersten Meistern zählten die Berner Johannes Itten und Paul Klee. Obschon die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung 1933 das Bauhaus schlossen und Lehrer wie Studierende vertrieben, ist es zum Inbegriff der Erneuerung von Kunst, Architektur, Design und Gestaltung geworden und bis heute geblieben.

Neues entsteht aus Bewährtem

Eine neue Sicht auf das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft lag nach dem Ersten Weltkrieg gewissermassen in der Luft. Das Bestreben war Teil einer allgemeinen gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Neu- oder auch Rückbesinnung. Auch wenn sie nicht durchwegs eine Verbesserung brachte, wie der weitere Verlauf der Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt. Interessant sind die Wurzeln des Konzeptes «Bauhaus». Lyonel Feininger (1871-1956) schuf mit Kathedrale (1919) das Titelbild des Bauhaus-Manifestes von Gropius. Es enthält einiges an Symbolik. Der Begriff «Bauhaus» geht aus den mittelalterlichen Bauhütten hervor, wo die Handwerker und Künstler jahrzehnte- oder jahrhundertelang an den grossen Kathedralen und Domen wirkten. Meister, Gesellen und Lehrlinge waren es, wie es in den Zünften Brauch war, und das Bauhaus-Manifest nennt die Lehrer Meister, die Schüler Lehrlinge und Gesellen.

Die Gründer des Bauhauses wollen eine Schule von Praktikern für Praktiker schaffen. Das bisherige Konzept der Ausbildung zum Künstler solle durch ein neues ersetzt werden, das auch rein (kunst-) handwerkliches Gestalten einschliesst. Die Künstler aller Sparten sollen «Handwerker für den Bau der Zukunft» werden. Deshalb sprechen Feininger und Gropius, gestützt auf das erwähnte Titelbild, von der «Kathedrale der Zukunft». Die ersten Bauhaus-Meister und in Varianten ihre späteren Nachfolger überall in der Welt bis heute verpflichten sich der Fähigkeit, Idealismus und praktische Anwendung zu verbinden und damit Raum für experimentelle Praxis, aber auch für Forschung zu schaffen.

Bauhaus imaginista – ein Forschungsbericht in Form einer Werkschau

Der Katalog: bauhaus imaginista. Die globale Rezeption bis heute. Herausgegeben von Marion von Osten und Grant Watson. Scheidegger & Spiess, Zürich 2019.

Der Forschungsbericht über die Rezeptionsgeschichte des Bauhauses überall in der Welt könnte anschaulicher nicht dargestellt werden. Grafiken, Gemälde, Druckpublikationen, Videos, Filme, Möbel, Teppiche, Gebrauchsgegenstände, Bilder von Gebäuden, Ansichten von Vorlesungssälen… Man setzt sich an Tische und blättert in den Periodika, die aufliegen. – Eine Fülle von Anschauungsmaterial und Hintergrundinformation. Alles stammt buchstäblich aus allen Gebieten der fünf Erdteile unserer Welt.

Normalerweise sind Rezeptionsgeschichten als wissenschaftliche Werke in mehr oder weniger umfangreichen Wälzern dargestellt. Die Kuratoren Marion von Osten und Grant Watson, für das Zentrum Paul Klee erweitert mit Fabienne Eggelhöfer, der ZPK-Chefkuratorin, haben mit ihrer Konzeption in Zusammenarbeit mit der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar, dem Goethe Institut und dem Haus der Kulturen der Welt Berlin eine besondere Form gewählt.

Universität Ife (Obafemi Awolowo-Universität), Iffe-Ife, Osun, Nigeria, Ende der 1960er-Jahre. Arieh Sharon Digital Archive, the Yael Aloni Collection

Die Ausstellung im Paul Klee Zentrum zeigt sich als eine Art «begehbarer Wälzer». An jeder Wand, in jedem Winkel wird die Neugier geweckt; immer wieder stösst man auf verblüffende Gegenstände, erhellende Informationen, bewegte Bilder auf Bildschirmen und Leinwänden. Man staunt darüber, wie eine Idee, von kreativen Menschen weiter getragen, trotz dem abrupten Ende des Bauhauses im nationalsozialistischen Deutschland nach nur 14 Jahren, zu einer die ganze Welt bewegenden kulturellen Kraft wird. Begegnungen mit Namen und Geschichten, von denen vorher keine Ahnung über ihre Verknüpfung zum Bauhaus bestand, sind mit ihrer Rolle in diesem «Weltkulturerbe» (meines Wissens nicht als solches bei der UNESCO registriert) dokumentiert.

Schon der kleinformatige Ausstellungsführer, vielmehr noch der gewichtige (im doppelten Sinne) Katalog enthalten viele zum Verständnis dieser ganzen Ausstellung einer Wirkungsgeschichte hilfreiche Informationen. Gleichviel, ob man als kunstinteressierter Laie die Räume im ZPK durchstreift oder als neugieriger angehender oder fortgeschrittener Kenner das Ausstellungsgut und die Hintergrundinformationen über die Bauhaus-Geschichte genauer erfahren will: Die Ausstellung lohnt mindestens einen, aber auch mehrere Besuche und bestimmt auch eine Reise nach Bern, ins Monument im Fruchtland.

Josef Albers (1888–1976) Variant, 1947. Öl auf Löschpapier, 42 x 56,7 cm. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern © The Josef and Anni Albers Foundation / 2019, ProLitteris, Zurich.

Sheila Hicks (*1934) Ventana III, 1962. Schlitzwirkerei; Wolle-Streichgarn, 65,7 x 59,5 cm. Museum für Gestaltung Zürich / Kunstgewerbesammlung / Zürcher Hochschule der Künste © 2019, ProLitteris, Zurich.

Titelbild: Otto Lindig (1895–1966) Teekanne, vor 1933. Keramik, 16,7 x 18 cm. Museum für Gestaltung Zürich / Kunstgewerbesammlung / Zürcher Hochschule der Künste.

 

Gleichzeitig als Ergänzung im Kunstmuseum Bern: Johannes Itten, Kunst als Leben und Leben als Kunst: In SENIORWEB

Die Ausstellung dauert bis 12. Januar 2020.
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