Was ist komisch?

Eine Zeitungsnotiz erinnerte mich an das letzte grosse Werk von Agnes Heller*, der ungarischen Philosophin, die im Juli dieses Jahres im hohen Alter gestorben ist. Sie beschäftigt sich darin mit der Frage, was komisch sei. Sie untersucht literarische Werke, aber auch den Witz. Sie kommt zur Erkenntnis, dass sich das Wesen des Komischen nicht definieren lässt. 

In Cortina d`Ampezzo, las ich, sei ein Hirsch in einen Dirndlladen eingedrungen und habe eine Verkäuferin, die mit Dekorationsarbeiten beschäftigt gewesen sei, überrascht. Sie griff offenbar erschreckt zum Handy und rief die Polizei an, die zusammen mit Tierärzten sofort eingetroffen sei. Sie hätten den Hirsch betäubt und in den Wald zurückgebracht. Diese Szene belebt meine Imagination. Ich liebe Hirsche und male mir die Szene aus. Es wird sicher kein Spiesser gewesen sein, ein Jungtier, das gerade das Geweih geschoben hat. Nein, es muss sich um einen Kronenhirsch gehandelt haben, zumindest um einen Zwölfender. Das ist schon ein recht stattliches Tier, das Eindruck macht. Der Zwölfender war sicher kein Mönch, den Jäger so nennen, wenn er das Geweih abgeworfen hat. Ich war einmal auf der Durchreise im mondänen Tourismusort und stellte an Hand der Autos fest, dass dort zahlreiche Kronenhirsche verkehren. Aber so einer kauft für seine Geliebte kaum ein Dirndl. Dieser Hirsch, der dort im farbigen Laden der grün, weiss und rot ausstaffierten Kleider herumschnüffelte, schenkt mir jetzt gerade ein Lächeln.

Diese Szene bringt mich auf die Frage, warum ein solches Vorkommnis komisch ist und mich zum Schmunzeln reizt? Da weicht ein Tier vom Gewöhnlichen und Erwarteten ab und gerät in eine verführerische Szenerie. Er wird gewiss an den Türen der Häuser geleckt haben, um Salziges zu erhaschen. Da der Hirsch sich gerne im Dickicht des Waldes versteckt, wird es dem Verirrten zwischen den Röcken solange wohl gewesen sein, bis ihn der Schrei der Dekorateurin aufschreckte. Aber da waren die Tierärzte schon bald da und schossen ihm ein Betäubungsmittel in die Lenden. Niemand wird bestreiten, dass dieser Irrweg des Tieres komisch wirkt, jedenfalls auf mich, der sich dies alles vorstellt. Aber was ist komisch?

Die Geschichte der Menschheit ist voller Komik. Die Philosophen gehören gewiss zu den komischen Vögeln, sonst würde der Spott der thrakischen Magd über Thales von Milet (624-546 v. Chr.) schon lange vergessen sein. Thales, der Geometer und Astrologe, ging nachts über eine Wiese und guckte zu den Sternen. Da stolperte er und fiel in einen Brunnen. Die Magd, die ihn beobachtete, spottete, ihr Meister blicke in die Ferne, aber er sehe nicht, was Not tue in der Nähe. Immerhin war Thales auch ein Praktiker. Er fand zur Freude der Schüler heraus, dass alle Winkel über dem Halbkreisbogen rechte Winkel sind.

Was also ist komisch? Betrachte ich solche Geschichten, dann fallen sie dadurch auf, dass sie vom Gewohnten oder Gewöhnlichen abweichen. Ein Philosoph, der stürzt, weil er sich zu den Sternen guckend vergisst, muss der Dienstmagd komisch vorkommen. Ein Hirsch, der in ein Geschäft mit Dirndln eindringt, ist ein seltener Fall. Die Unbeholfenheit eines Loriot, der vor lauter Rededrang eine Nudel im Gesicht nicht bemerkt und seiner Partnerin keine Chance lässt, ihn auf das Missgeschick aufmerksam zu machen, wirkt komisch. Das Komische ist ein unendlich weites Feld, so dass Agnes Heller den Versuch unternahm, sein Wesen zu ergründen.

Es handelt sich um ein Phänomen, das zu den Lebensäusserungen des Menschen gehört. Viele menschlichen Phänomene wie Spiel, Liebe, Lebenssinn, Wahrheit können nicht genau bestimmt werden. Sie lassen sich nicht auf eine Definition festnageln. Zu solchen Phänomen gehört auch das Komische. Es berührt beständig die Grenzen des Nicht-Komischen. Der Mensch strauchelt. Der Beobachter lacht und spürt sofort, dass das Straucheln gefährlich ist. Don Quijote zieht mit einer langen Lanze in den Krieg gegen Windmühlen. In dieser merkwürdigen Handlung tritt metaphorisch zu Tage, dass der Schein den Menschen täuschen kann und er sich leicht täuschen lässt. Bei Witzen taucht oft ein Doppelsinn auf. Eine lustige Pointe kann Scham erzeugen, wenn nach dem Lachen bewusst wird, dass Menschen in ihrer Schwäche ungerecht und boshaft verspottet wurden. So haftet dem Komischen etwas Ambivalentes an und ist Ausdruck des menschlichen Lebens. Der Hirsch im Dirndl-Geschäft hingegen löst ein unschuldiges, freies Lachen aus, das nicht nach weiteren Überlegungen verlangt und keinen Doppelsinn besitzt.

* Agnes Heller: Was ist komisch? Edition Konturen 2018

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