Eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Gedenkfeiern sind zum 100. Geburtstag des Schweizer Komponisten und Musikpädagogen Armin Schibler geplant. Sich an ihn zu erinnern eröffnet und schärft uns den Blick auf einen Musiker, der auf der Suche nach der Essenz des Wahrhaftigen und nach sich selbst zeitlebens ein rastlos Suchender war.
1920 in Kreuzlingen geboren, studierte Schibler in Zürich bei Paul Müller, Walter Frey und Willy Burkhard, später bei Wolfgang Fortner und Ernst Krenek. Sein Brot verdiente er bis zu seiner Pensionierung als Musiklehrer am Gymnasium Rämibühl, wo er wegweisende Werkstattaufführungen und Singspiele aus der Taufe hob und der Einbezug körperhafter Schlagtechniken im Bereich von Rock, Folk, Blues und Jazz zu seinem Markenzeichen wurde. Selbst das Aufkommen elektronischer Musik wollte er mit Hilfe von Bruno Spoerri erproben. Leider ist er 1986 allzu früh verstorben.
Schibler war aber immer auch ein politischer Mensch, dem der Ost-West-Konflikt, die Machtbesessenheit, die Gefährdungen natürlicher Lebensgrundlagen und die kulturelle Kommerzialisierung stets ein Greuel waren. Die Verbindung von Crossover-Musik und gesellschaftskritischen Sprachzeugnissen gelangten in Opern und Hörwerken zu mahnenden Botschaften. Die Suche nach einem medialen Gesamtkunstwerk unter Einbezug von Musiktheater, Bild (Film) und Tanz (auch Pantomime) beflügelten den Tüftler. „Die Messe für die gegenwärtige Zeit“ war ein musikpädagogischer Höhepunkt am Rämibühl.
Aufführungen in der Aula Rämibühl 1978/79
Dem Streit unter den Dogmatikern der Avantgarde zwischen Schönbergs Zwölftontechnik und der Diatonik, der Grundlage der abendländischen Musik mit ihrem Dur-Moll-System, begegnete er mit seinem typisch ironischen Lächeln und ging unbeirrt seiner Wege. Zwischen allen Stühlen schien es ihm wohl zu sein, und namhafte Dirigenten und Solisten nahmen sich seiner Werke immer öfter an. So komponierte er auch ein hochexpressives Violinkonzert für Yehudi Menuhin. Schiblers Vision war eine umfassende Tonsprache, welche die bunte Vielfalt der Musikidiome abbilden sollte.
Armin Schibler widmete Yehudi Menuhin sein Violinkonzert
Er war auch schöpferisch in der Filmmusik, was sich u.a. in einer Schellenursli-Vertonung und in einem Alberto-Giacometti-Porträt widerspiegelte.
Klangchronik von Armin Brunner im Theater Rigiblick
Armin Brunners Klangchroniken sind legendär. Dass er nun mit musikalischen und biographischen Beiträgen an das Schaffen des leider früh ad acta gelegten Schweizer Komponisten erinnert, zeigt auch seine Unbeirrbarkeit, nicht dem Mainstream zu folgen, sondern die bedrängenden Zeitfragen Schiblers in unser Bewusstsein zu rufen. Ein Tagebuch-Eintrag Schiblers aus dem Jahre 1958 verdeutlicht sein Ringen um zeitlose Fragen: „Wo Musik verstummt, wüssten auch die Götter nicht weiter. Ihre Resignation führt auch den Aufgeklärten in die Demut der religiösen Ahnung zurück, ihre Hoffnung verleiht auch dem Grauen und der Nacht unserer Existenz einen Schimmer kosmischen Sinns.“
Auftakt zum 100. Geburtstag von Armin Schibler:
Theater Rigiblick, 3. Dezember 2019, 20.00: „Nichts Musikalisches ist mir fremd“, eine Klangchronik von Armin Brunner.
Weitere Veranstaltungen (eine Vielzahl folgen später im Jubiläumsjahr):
Musikkollegium Winterthur, 18.1.2020: Armin Schibler „Nobody knows“, Suite für Kammerorchester
Im LOKAL Zürich Fluntern, Hommage zum 100-jährigen Jubiläum, 25.2.20: Werke und Texte von Armin Schibler mit dem Trio Oreade.
Sinfonieorchester Basel, 27./28.3.20: Musik zum Film „Schellenursli“ von Armin Schibler
Literatur:
Armin Schibler: Das Werk. Selbstdarstellung – Werkliste und Werkdaten – Dokumente zur Realisation – Werkstattexte – Biographisches. Alkun-Verlag, Adliswil/Lottstetten 1985.
Gina Schibler: „Wenn das Tönende die Spur der Wahrheit ist…“ Das Werk des Komponisten und Musikdramatikers Armin Schibler in seiner Bedeutung für die Gegenwart. Peter Lang, Bern 2000
Tatjana Schibler: Doppelfuge: Mein Leben mit dem Komponisten Armin Schibler: 1942-2004. filos, Erlangen 2009
Arthur Spirk, Dokumentarfilm 2016, auf Youtube greifbar: „Wenn das Tönende die Spur der Wahrheit ist…“ Ein Lebensbild, gezeichnet von Tatjana Schibler