StartseiteMagazinKolumnen2019: das Jahr der Proteste

2019: das Jahr der Proteste

Die Weihnachtsfeste sind gefeiert, das Jahr geht seinem Ende entgegen. Und wir erleben gerade heute, gerade jetzt unmittelbar die „Zeit zwischen den Jahren“. Es scheint so, als würden die Uhren angehalten, um uns Zeit zu geben zu überlegen: Was war, was wird sein?

War es ein so schreckliches Jahr, in dem alles drüber und drunter ging? In dem in den USA ein Berserker alles umzupflügen versucht, in dem China nach der Weltherrschaft strebt, Putin sein Russland zu neuer Macht führt, die USA als Weltpolizisten zu ersetzen versucht, in der Türkei, in den Osteuropäischen Staaten Ungarn, Polen und auch anderswo Männer an der Macht sind, die eines anstreben: ihre Alleinherrschaft?

Oder war es ein Jahr der Proteste? War es die Strasse, auf der manifest wurde, was vielen Menschen widerfährt: ihre Machtlosigkeit? Oder waren es schlicht Menschen, die ihr Schicksal selber in die Hand nehmen wollen, die das Jahr 2019 prägten?

Waren es in Frankreich die Gelbwesten, welche gegen den hohen Dieselpreis während Wochen auf die Strassen gingen, genauso wie Tausende Iraner, die den von der Regierung verordneten Benzinpreis in ihrem Ölland nicht mehr zahlen können? Oder die Chilenen, die nicht mehr zuschauen wollen, wie sich die Einkommens-Schere zwischen Reichen und Armen immer weiter öffnet, genauso in Bolivien, genauso in afrikanischen Staaten? Oder in Algerien, wo immer noch die Armee bestimmt, wer regiert, obwohl es den Protestierenden auf der Strasse gelang, den von der Armee gestützten Präsidenten Abdelaziz Bouteflika aus dem Amt zu drängen?

Oder sind es aktuell die von Gewerkschaften gestützten Franzosen, die es nicht zulassen wollen, dass ihre Pensionsprivilegien abgeschafft werden, dass beispielsweise Lokomotivführer nicht wie bisher bereits mit 52 Jahren in Pension gehen können? Ihre Proteste sind so nachhaltig wie unverständlich, zeigen aber auf, welche Kräfte von der Strasse ausgehen können.

Oder sind es die Menschen in Hongkong, die sich nicht unterkriegen lassen, die unablässig und immer wieder mit neuen kreativen Demonstrationen die Herrscher in Peking herausfordern? Menschen, die nach mehre Demokratie dürsten, die es nicht zulassen wollen, dass China auch ihre grosse Stadt wie das Festland selbst unter den Druck des Regimes in Peking setzt. Und das mit einem engen Netz von Überwachungskameras tun, um die eigenen Leute und was sie tun zu beobachten, letztlich auszuspionieren. Ein kommunistisches Regime, das die Uiguren, die grösste turksprachige Ethnie im chinesischen Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang, in „Ausbildungslager“ einsperrt, foltert, um sie linientreu zu Peking umzuerziehen.

Oder ganz andersrum. Waren es die Jugendlichen, die Freitag für Freitag streikten, auf die Stasse gingen, um auf die grösste Herausforderung unserer Zeit aufmerksam zu machen: auf den Klimawandel? War das eine verkehrte Welt, in der die jungen Menschen uns, die Erwachsenen, darauf hinweisen mussten, was wir sträflich verpasst haben: zu unserem Planeten Sorge zu tragen. War es also ein 16jähriges Mädchen, war es Greta Thunberg, die mehr bewirkte als die grossen Klimakonferenzen? Ein Mädchen, das vom „Time“-Magazin zu Recht zur Person des Jahres ernannt wurde. Gerade auch deshalb, weil viele, vor allem ältere Männer, sie nicht leiden können, ihr unterstellen, von geheimen Kräften in den Vordergrund geschoben zu werden.

Und selbst in der sonst eher ruhigen Schweiz war es der Protest der Frauen, die zu Tausenden auf die Strasse gingen, um für die Gleichberechtigung, für gleiche Löhne wie für Männer zu kämpfen, die zusammen mit den Klimabewussten die nationalen Wahlen markant beeinflussten.

Sind es also die Proteste auf der Strasse, die mehr bewirken als die Institutionen, die Parlamente, die Regierungen? Sind es also die Proteste selbstbewusster Menschen, die demokratisch verfasste Staaten in Verlegenheit, halb diktatorische und diktatorische Regime in arge Schwierigkeiten bringen?

Was wird? Die Proteste werden nicht nachlassen. Im Gegenteil. Hongkong könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass Pekings Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass eines auch im Riesenreich langfristig nicht verhindert werden kann: der weltweite Informationsfluss über das Internet. Auch und insbesondere durch die voranschreitende Digitalisierung. Selbst die Image-Kampagne, mit welcher die kommunistische Partei in China über die „Weltwoche“ und mit einer Beilage in der „Luzerner-Zeitung“ auch in der Schweiz für sich zu werben versucht, wird nicht verhüllen können, dass im Reich der Mitte die Menschenrechte mit Füssen getreten werden, dass Angst und Staatsterror herrscht, ein entfesselter Staats-Kapitalismus um sich greift, der keinen demokratischen Rechtsstaat voraussetzt.

Ist es also klug, den Herren in Peking die Zeitungspalten zu öffnen, um von Geld aus China zu profitieren? Eine kritische Betrachtung von Chinas Ambitionen wäre da weit sinnvoller. Einer tut es: Donald Trump. Macht er also nicht alles ganz falsch, gerade gegenüber China? Das kommende Jahr wird darauf eine Antwort geben. In dieser unübersichtlichen Zeit können wir eigentlich nur eines tun: Bleiben wir wachsam, hegen und pflegen wir unsere demokratischen Errungenschaften.

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1 Kommentar

  1. Diese Tour d’Horizon über den halben Erdkreis hinweg zeigt eindrücklich auf, wie Protestbewegungen uns ermutigen sollten, den herrschenden Verhältnissen ein «Trotzdem» und eine selbstbewusste freie Meinungsäusserung entgegenzuhalten, die auch Diktatoren in die Knie zwingen oder zumindest in ihrem Machtanspruch zurückbinden können. Resignation wäre ein schlechter Ratgeber, der Protest ein zu verteidigendes, eigentlich unantastbares Menschenrecht.

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