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Der Hund aus dem Schaufenster

«Zuhause bleiben» war die Devise der Stunde. Mit der Zeit schränkte ich diese etwas ein. Einmal im Tag ein Rundgang im Quartier, unter Einhaltung der Vorsichtsmassnahmen, würde nicht schaden. Und ich entdeckte mein Quartier ganz neu.

Auf der Seite des Luzerner Theaters stiess ich beim Notausgang auf eine kleine Bank, die den Raucherinnen und Rauchern unter den Theaterangestellten dient. Sie war selten besetzt. Also holte ich mir in der nahen Bäckerei einen Pappbecher mit Kaffee und genoss ihn «open air». Bald gesellte sich eine Freundin aus der Nachbarschaft dazu. Mit Klappstuhl und Metermass selbstverständlich, in angemessenem Abstand. Wir sind beide politisch sehr interessiert und entwickelten an der frischen Luft noch mehr Ideen für die Verbesserung der Welt, als wir dies in unseren Telefongesprächen jeweils tun.

Hund im Schaufenster

Wochenlang war ich am Schaufenster des Spezialgeschäftes vorbeigeeilt und hatte ihn nicht gesehen. Den Hund mit dem treuen Blick und dem braunen Fell. Bis ich meinte, zu verstehen, was er mir mitteilen wollte: «Hol mich hier raus. Es ist mir so langweilig».

Wer kann denn schon diesem süssen Hundeblick widerstehen? Zumal er so gut zu der Ledergruppe im Wohnzimmer passt.

Ich war etwas schwer von Begriff. Aber er liess nicht locker. «Mit meinem braunen Fell passe ich ausgezeichnet zu Deiner uralten Ledergruppe im Wohnzimmer. Die solltest Du schon lange auffrischen», suggerierte er mir. «Mit mir kannst Du sie aufhübschen». Dieser Gedanke war gar nicht so abwegig.

Ich holte ihn wirklich heraus. Und als erstes knipste ich ein Bild von ihm mit dem Handy. Die Neuigkeiten im Bekanntenkreis waren sowieso rar. Und so ein Bild von einem jungen, treuherzig blickenden Labrador würde sicher die Stimmung überall verbessern.

Die Reaktionen blieben nicht aus. Es kam auch ein Bild zurück. Mit zwei Tierköpfen drauf. Einem Hundekopf und einem Schweinekopf. Und der Frage: «Why love one and eat the other?” Gute Frage, dachte ich.

Was soll man da antworten auf diese Frage oder Feststellung.

Dann kamen mir die Bilder in den Sinn, die ich vor längerer Zeit in den Guckkästen betrachtet hatte, die mir schwarzgekleidete Menschen mit Fawkes-Masken vor einiger Zeit auf dem Kornmarkt hingestreckt hatten. «Cube» nannte sich die Aktion. Die Teilnehmenden wollten auf die unhaltbaren Zustände in unseren Schlachthäusern hinweisen. Ich habe auf Seniorweb darüber geschrieben.

Motion Jositsch

Aber es stieg noch eine andere Erinnerung auf. Hatte ich nicht kürzlich von einer Motion gelesen, die im eidgenössischen Parlament im Zusammenhang mit Schlachthöfen eingereicht worden war? Im Internet fand ich die richtige Spur. Natürlich, Ständerat Daniel Jositsch hat am 2. März 2020 eine Motion mit dem Titel: «Einführung obligatorischer Videoüberwachungen in Schlachtbetrieben» eingereicht. Damit will er den Tierärzten ihre Kontrollfunktion erleichtern. Durch die Videoüberwachung sollen Verstösse gegen den Tierschutz verhindert oder, wenn sie trotzdem passieren, zuhanden der Kontrollorgane dokumentiert werden. Allerdings geht es in der Motion nicht um den ganzen Betriebsablauf, sondern um das korrekte Betäubungs- und Entblutungsverfahren.

Die Umsetzung dieser Motion würde nur wie ein Tropfen auf den heissen Stein wirken, wurde ich belehrt. Und was wäre der Zeithorizont für die Umsetzung des gut gemeinten Anliegens? Aus eigener Erfahrung musste ich zugeben, dass es Jahre gehen kann, bis aus dem Anliegen einer Motion ein entsprechendes, anwendbares Gesetz beraten und verabschiedet ist.

Grundfrage

Viel effizienter wäre es, die Grundfrage zu überdenken und zugunsten aller Tiere zu entscheiden: «Why love one and eat the other?” Nicht nur Hundewelpen mit einem gutmütigen Blick, auch Schweine, Kälber und viele andere Tiere, die wir «nutzen», sind liebenswerte Wesen. Und vor allem: auch sie leben gerne.

Übrigens, der junge Labrador, von seinem Schaufensterdasein erlöst, bekam natürlich auch einen Namen. Aus aktuellem Anlass lautet dieser: «Cory».

Bilder auf Kissen und T-shirt von Judith Stamm.

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5 Kommentare

  1. Schade, dass man nichts über das Zusammenleben mit dem Hund erfährt, stattdessen Langweiliges und Unpersönliches von der Vegifront und aus der Politik.

  2. Ich bin mir absolut sicher, dass wir noch viel mehr von «cORY» zu hören kriegen. Mittlerweile wünsche ich dem Mami und der Cory eine wunderbare, sicherlich kaum stressfreie Zeit, ja nun, zumindest wird keine Langeweile aufkommen??? Meine gesamthaft vier Chow Chow Hunde, stets ein alter und ein junger Hund zusammen, liessen mein zumeist in Spanien verbrachtes Traumleben noch traumhafter leben. Der letzte meiner geliebten Chows, namens «Guapo» erfuhr dasselbe Glück, indem ich ihn aus einem Käfig in einem Schaufenster errettete. Nun, lebe ich ein hundeloses Leben, da ich einem Nachfolgehund ein trauriges Leid als zu erwartender Waise, ersparen will. Viele, ja allzu viele ältere Menschen erwarten in purem Egoismus, das Vertreiben ihrer eigenen Langeweile, indem sie sich zur zumeist falschen Tieranschaffung, entscheiden. Mit mir freuen sich sicher viele Senioren über eine Fortsetzung dieser liebevollen Story.

  3. Ja, der Hoffnung, noch mehr von Cory zu lesen, möchte ich mich anschliessen, obwohl ich inzwischen gemerkt habe, dass Cory nicht jeden Tag dreimal an die frische Luft muss – obwohl es auch Sofakissen manchmal gut tut, wenn man sie lüftet. Da ich Dich, liebe Judith, persönlich kenne, konnte ich mir im ersten Moment nicht vorstellen, wie Du ein Hundewelpen, und sei es noch so süss, grossziehst. Gassi gehen ist ja nur eine der Verpflichtungen, die man mit einem Hund auf sich nimmt. Aber Cory sieht so lebendig aus, dass ich zuerst dachte, es wäre wohl ein Plüschtier . . . Cory ist vielleicht für andere Inspirationen gut, hoffe ich jetzt mal.

  4. …nur einen Tropfen auf dem heissen Stein aber damit kann – sollte – muss man /Frau doch mal anfangen! Frage die sich mir stellt: Wie könnte man /Frau die Masslosigkeit des (Fleischessens) Konsum’s eindämmen? Oder anders gefragt warum ist ein Mann am Grillherd ein ganzer Kerl, laut Werbung ?! Alles andere ist ‹Beigemüse› lässt grüssen!
    Ich mag das politische in der Kolumne…mag auch Hunde, aber Hundestory’s gibt’s genug.

  5. Sollte sich Judith Stamm in Zug niedergelassen haben, so würde ich diesen super herzigen Hund gerne mal zum Aufpassen mieten!!!!! Dies ist kein Witz!!!! Herzlichst Vivianne

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