StartseiteMagazinKolumnenEin überwältigender Mai

Ein überwältigender Mai

Für das Gemüt ist der Mai der wichtigste Monat. Ich weiss wohl, dass es Menschen gibt, denen ein schöner Herbst besser gefällt oder ein strahlender Winter mit Schnee. Aber ein Mai mit unaufhörlichem Regen und verdunkeltem Himmel ohne Sonnentage würde belasten, viel mehr als ein regnerischer April. Die erwartete Pracht der blühenden Bäume würde ausbleiben. Blass und müde senkten die Blüten ihre Köpfe und die Äste würden geradezu melancholisch an den Bäumen hängen. Das überstehende Gras läge geknickt zu Boden und wartete vergeblich auf den Bauern, der es mähen sollte. Uns Menschen würde die spriessende, leuchtende Natur mit ihrem Blütenrausch in allen Sinnen fehlen. Wer hat nicht schon einen ähnlichen regnerischen Mai erlebt?

Dieser Mai aber enttäuschte nicht. Er goss ein wahres Füllhorn an Blütenpracht und Farbigkeit aus. Er erschien mir wie die heiteren Impromptu von Franz Schubert. Die Obstbäume zeigten voller Stolz, mit welcher Kraft sie sich darauf vorbereiteten, im Herbst die schönsten Früchte zu tragen. Der Lindenbaum an der Strasse duftete so sehr, dass er den Benzingestank für eine Weile zu übertrumpfen vermochte. Bekannte, die Abstand hielten, lächelten einander zu, als ob sie sagen wollten: «Wie wunderbar dieser Blütenzauber!» Sie schauten zum Himmel und seufzten: «Wenn es aber nur endlich regnen würde.» Und tatsächlich regnete es bald ergiebig. Die Natur explodierte, die Wälder wurden dunkler und vitaler. Der besorgte Blick wich einem verheissungsvollen.

Auf einer Fahrt durchs Mittelland entlang der Wellenbewegung der Landschaft durfte ich im späten Mai den ausgedehnten, grün-bunten Teppich bewundern. Zwischen dem unterschiedlichen Grün der jungen Kornfelder lagen bereits gemähte Wiesen. Neben hellen und dunklen, blass- und sattgrünen Flächen stachen Äcker heraus, die wiederum mit gelben Rapsfeldern kontrastierten. Eine Impression in Grün und Gelb, an der sich Paul Klee orientiert haben musste. Waldreiche Ränder fassten die Wiesen und Dörfer ein. Grossartige Bilder einer gepflegten Landschaft! In der sanften Tiefe sich wölbender Täler schlängelten sich  kleine und grössere Bäche durch die Landschaft, gesäumt von unterschiedlichsten Bäumen und Sträuchern. Die grosse Emme, die zur Aare zieht, schien den Fahrtweg zu weisen. Freistehende Linden und Eichen krönten Hügel und die Obstbäume trugen inzwischen das saftig grüne Blätterkleid. Die Fahrt führte auch durch Wälder, in denen die Buchen ihr frisches, leichtes, fast keuschgrünes  Kleid trugen und die immergrünen Nadelbäume geradezu in den Hintergrund drängten.

Noch bleiben die letzten Tage im Mai, und immer wieder neue Düfte und Farben vermögen den aufmerksamen Wanderer zu beglücken. Um Pfingsten herum blüht der Holunder. Er löst den verblühenden Flieder ab, der lange die Duftherrschaft über Thymian, Rosmarin und Minzen inne hatte. Wer würde am Holunder vorbeigehen können, ohne seinen Duft tief einzuatmen und sein unvergleichliches Aroma zu loben? Gärten quellen geradezu über von prachtvollen Ziersträuchern. Wie kleine Wasserfälle überströmen sie die Mauern. Ginster- und Schwarzdornhecken leuchten in der Sonne. Rosen, Hortensien und Pfingstrosen blühen zwischen kräftig blauer Iris und violettem Lavendel. Sie lösen die Spieren und Forsythien ab, die sich in ihr sommerliches Grün zurückgezogen haben.

Wer langsam wandert und unter dem Holunder eine Weile stehen bleibt, erlebt das kleine Wunder  der stillstehenden Zeit. Er tritt in die Oase des wunderbaren Duftraums ein. Der Duft ist träge, aber er weckt die Nase mit ihrem Spürsinn. Begeht der Wanderer einen Waldweg, riecht er den Fuchs, der kurz vor ihm den Weg kreuzte. Frisch gefällte Fichten verströmen ihr eigenes Aroma, das sich klar von dem der Eiche unterscheidet. Der Duft von  Bäumen, Strauch- und Krautschicht hält gefangen; und wer fähig ist, achtsam zu gehen und eine Weile inne zu halten, spürt den Atem des Waldes und wird überrascht vom Zwitschern, Trillern und Piepsen der Vögel, die den lustvollen Klangteppich unter das Maienwunder legen. Er spürt die Kraft und Wonne und möchte lauthals und lustvoll singen, “Alles neu macht der Mai“, wie damals in der Kindheit.

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1 Kommentar

  1. Soeben zurückgekommen aus einem 5-tägigen «Coronas-Aus» habe ich noch gestern Nacht die sensationellen Artikel von Frau Stamm, Herrn Schaller sowie von Ihnen, Herr Iten, gelesen. Was für gelungene, blumige, wenn auch an meine intelligente Obergrenze gelangende Artikel .Ein echter Genuss für das wieder in die Normalwelt, oder zumindest fast (?) Nachhause kommen nach meinem Traumaufenthalt mit einer «sehenden Freundin» in Neuchàtel . Nebst all dem von Herrn Iten Beschriebenen erfreuten wir uns der «Areuse-Schlucht», dem Mini-Dörflein Cortaillod, offenen und guten Fischbeizen in den Herrlichkeit versprechenden Weindörfern. Neuchàtel habe ich zu allen Lebenszeiten besucht, aufgefallen ist mir dabei die zunehmende Aermlichkeit, vermischt mit sehr viel Lebensfreude und Lebendigkeit der Einheimischen. Unser Hotel, direkt am Seeufer gelegen glänzte in alter Pracht, trotz den bestens eingehaltenen Regeln. Grosse Ansammlungen von schneeig weissen Schwänen belohnte unser gähnendes Aufstehen des Morgens. Unsere Heimfahrt, keinen Kilometer über die Autobahn, bescherte uns als Abschluss, ein Highlite beim Umweg nach dem Städtchen Willisau, mit seinem traumhaften Charme und den noch immer existierenden kleinen Läden. Den Corona-Frust haben wir nunmehr hinter uns gelassen. Ein heute eher seltener Besuch in unserer Kirche haben wir benützt um der Dankbarkeit des Ueberlebens zu widmen. Mit «alles Leben strömt aus Dir» wünsche ich Ihnen eine gute Neuzeit !! Vivianne

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