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Ältere differenziert wahrnehmen

Corona-Krise: Der kantonale Seniorenrat St. Gallen dankt, gibt Anregungen und schaut in die Zukunft.

Der kantonale Seniorenrat St. Gallen (KSR-SG), der sich unlängst zu einer Plenumsversammlung in St. Gallen getroffen hat, hält zu den Erfahrungen aus der Corona-Krise in einer Medienmitteilung Folgendes fest: 

  1. Dank

Der kantonale Seniorenrat bedankt sich beim Bundesrat, dem BAG, der Armee, dem Zivilschutz, aber auch bei den kantonalen und kommunalen Gremien für die bestmögliche Eindämmung der Corona-Pandemie durch umsichtiges Handeln. Herzlichen Dank auch allen in den Heimen und Spitälern beruflich Tätigen, den betreuenden Angehörigen, Nachbarn und Freiwilligen, die spontan oder eingebunden in Organisationen wie Pro Senectute, Rotes Kreuz, Kirchen und Vereine die Einschränkungen durch den Lockdown erträglich gemacht haben. Ein besonderer Dank geht an unzählige Jüngere, die frisch und munter zupackten und so den Älteren halfen, ihren Alltag zu meistern.

  1. Anregungen

Es war sicher richtig, darauf hinzuweisen, dass Ältere durch Covid-19 besonders gefährdet sind. Auch wenn in der Anfangsphase viele Unklarheiten über das Wirken des Virus bestanden, war es aus der Sicht des kantonalen Seniorenrats problematisch, die über 65-Jährigen generell zu einer Risikogruppe zu erklären, sie aufgrund ihres Alters in einen Topf zu werfen, denn Seniorinnen und Senioren sind völlig unterschiedlich unterwegs: Während Hochbetagte und durch Krankheiten geschwächte Personen und Menschen mit Vorerkrankungen eines besonderen Schutzes bedürfen, sollten fitte, unternehmungslustige und engagierte Alte nicht aufgrund ihres biologischen Alters weggesperrt und diskriminiert werden. Sie leisten nach wie vor einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag als Grosseltern, als Freiwillige in Vereinen, in der Betreuung von hochaltrigen Personen und können ihre Lebenserfahrungen mit Jung und Alt in Wirtschaft und Gesellschaft zum Wohle aller teilen.

  1. Aus den Erfahrungen lernen

Die Corona-Krise hat aufgezeigt, wie wichtig Gesundheit, Solidarität und der Einsatz für das Wohlergehen aller ist. Dabei geht es darum, möglichst gut für sich und andere zu sorgen im Blick auf eine enkeltaugliche Zukunft.

Ältere sollten in ihrer Vielfalt differenziert wahrgenommen werden und sich nicht aufgrund ihres Alters abqualifizieren lassen. Sehr viele können ihren Alltag selbstbestimmt und verantwortungsvoll gestalten und verscheuchen Sinnleere und Langweile nicht durch oberflächliche Ablenkungen. Wichtig ist, soziale Kontakte zu pflegen im persönlichen Austausch, per Telefon und digital. Erfreulich und erfüllend ist es zu helfen, sich aber auch bei Bedarf helfen zu lassen, ohne sich zu schämen. Denn alle, ob jung oder alt, haben das Recht, in Würde zu leben.

Medienschaffende und Kommunikationsverantwortliche in Politik und Gesellschaft sollten dazu beitragen, dass Vorurteile gegenüber Älteren abgebaut werden, indem die äusserst spannende und anspruchsvolle Lebensphase nach 65 differenziert wahrgenommen und kommuniziert wird.

Öffentliche und private Anbieter von Pflegeleistungen in Spitälern und Heimen mögen das Zusammenspiel von medizinischen, pflegerischen und betreuenden Aktivitäten zum Wohl der Patienten verbessern unter Wahrung der Würde, der sozialen Bedürfnisse und einer möglichst grossen Selbstbestimmung der ihnen anvertrauten Personen. Eingeschlossene, einsame und fremdbestimmte Patienten darf es nicht geben.

Gemeindebehörden sollten aufgrund der Erfahrungen mit der Corona-Krise überprüfen, ob die Website der Gemeinde Infos zu altersspezifischen Problemen bedienerfreundlich und aktuell zur Verfügung stellt; ob es für ältere Personen genügend barrierefreie und bezahlbare Wohnungen in altersgerechten Quartieren gibt; ob zur Optimierung der ambulanten und stationären Pflege das Potential von professionellen und freiwilligen Mitarbeitenden unter Einbezug von  Spitex, Pro Senectute, Rotes Kreuz, Quartier- und anderen Vereinen gut genutzt wird. Wie werden informelle Nachbarschaftshilfe, intergenerationelle und interkulturelle Kontakte gefördert und wie wird der Übergang in die Nacherwerbsphase durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Unternehmen zum Wohle aller gestaltet?

Für Alters- und Gesundheitspolitik zuständige kantonale Gremien sollten mit geschärftem Blick aus den Corona-Erfahrungen überprüfen, ob von kantonaler Seite mehr für die Gesundheitsförderung und die Gesundheitsprävention getan werden muss. Kann die Barrierefreiheit zu öffentlichen Verkehrsmitteln noch verbessert werden? Wie können Intensivpflege und Palliativmedizin in Spitälern für Ältere und deren Angehörige optimiert werden? Ältere sollten in der Alterspolitik und in Pflege-Institutionen besser partizipieren und mitbestimmen, um so Betroffene zu Beteiligten zu machen.

  1. Ein Blick in die Zukunft

Tragen wir dazu bei, dass es keine „zweite Welle“ der Pandemie gibt durch Abstand halten und Hände waschen und wenn nötig durch weitere Schutzmassnahmen.

Nehmen wir wertvolle Erfahrungen aus dem Lockdown mit: Weniger Stress, mehr Zeit füreinander, mehr Solidarität untereinander, mehr Musse für Schönes auf dieser Welt. Tragen wir Sorge zur Natur und zu Mitmenschen, sodass auch unsere Nachkommen auf diesem Planeten ein erfreuliches Leben führen können.

Setzen wir uns dafür ein, dass die Wirtschaft uns und nicht wir der Wirtschaft dienen, dass ökonomische Interessen nicht soziale und ökologische Rücksichten gefährden.

Engagieren wir uns für die Benachteiligten dieser Welt mit Wohlwollen, Kreativität und Hochhalten unserer humanitären Tradition.


Der Kantonale Seniorenrat St. Gallen (KSR-SG) ist ein parteipolitisch unabhängiges und konfessionell neutrales Gremium. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der älteren Generation in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu verstärken und ihre Interessen gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten. In alterspolitischen Fragen geht es dem Rat darum, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Präsident des Kantonalen Seniorenrates ist Eugen Fricker, St. Gallen.

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