Der Ständerat hat an seiner heutigen Sitzung den indirekten Gegenvorschlag des Nationalrats in zentralen Elementen abgeschwächt. So wird die Vorlage kaum dazu beitragen, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern und den Fachkräftemangel zu verhindern. Soll der Gegenvorschlag eine reale Alternative zur Pflegeinitiative darstellen, braucht es Korrekturen. Nun ist wieder der Erstrat gefordert.
Die Schweiz ist auf genügend und gut ausgebildetes Pflegepersonal angewiesen, wie auch die Corona-Krise eindrücklich aufzeigt. Die Arbeitgeber der Pflege haben sich deshalb von Anfang an für die Erarbeitung eines Indirekten Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative eingesetzt. Dies mit dem Ziel, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern und dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen. Die durch den Nationalrat vorgeschlagenen Massnahmen zur Unterstützung von Aus- und Weiterbildungen sowie erweiterte Kompetenzen für das Pflegepersonal erachten wir als wichtige und geeignete Mittel, damit die Pflege auch künftigen Bedürfnissen gerecht werden kann.
Insbesondere für Menschen in der letzten Lebensphase sind Pflege und Betreuung in guter Qualität entscheidend, um möglichst selbstbestimmt und in Würde zu leben. Angesichts der demographischen Entwicklung werden gemäss Schätzungen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) bis zum Jahr 2030 rund 65’000 zusätzliche Pflegepersonen benötigt. Wie Berechnungen der OdASanté zeigen, ist die Zahl der Bildungsabschlüsse auf Tertiärstufe aber um mehr als die Hälfte zu tief, um den jährlichen Bedarf an Nachwuchskräften zu decken.
Im Rahmen der heutigen Debatte hat der Ständerat die Vorlage stark abgeschwächt, indem er
- den Verpflichtungskredit zur Förderung der Ausbildung in der Pflege um 100 Millionen auf 369 Millionen Franken senkt;
- mit einer «kann»-Formulierung die Ausbildungsunterstützung den Kantonen überlässt;
- die längst fällige Kompetenzerweiterung für das Pflegepersonal an eine Vereinbarung mit den Krankenversicherern knüpft (obwohl der Bundesrat dies im Dezember 2019 als schweren Eingriff bezeichnet hat)
- auf eine Verankerung der Aus- und Weiterbildungskosten im Krankenversicherungsgesetz als Teil der Pflegekosten verzichtet.
Aus Sicht der Arbeitgeber der Pflege hat es der Ständerat verpasst, gerade in dieser zusätzlich anspruchsvollen Zeit für das Gesundheitswesen, die richtigen Signale auszusenden und die Pflege nachhaltig für die kommenden Jahre zu stärken.
Der Nationalrat hat es in der Hand, diese schädlichen Elemente wieder rückgängig zu machen und die kleine Kammer von der Dringlichkeit des Handelns zu überzeugen.
Der obige Beitrag ist eine Stellungnahme der Leistungserbringer-Verbände H+, curaviva, Spitex Schweiz, senesuisse und ASPS. Die Verbände sind sehr enttäuscht, dass der Ständerat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und den indirekten Gegenvorschlag des Nationalrates entscheidend abgeändert hat. Dabei sei spätestens nach Covit-19 allen klar, wie wichtig es wäre, die Pflegeberufe substantiell zu stärken. (Red.)