StartseiteMagazinKolumnenEine 45jährige Politbeziehung - mit Christoph Blocher

Eine 45jährige Politbeziehung – mit Christoph Blocher

In den letzten zwei Kolumnen habe ich mich mit Christoph Blocher auseinandergesetzt, genauer mit seiner Forderung nach der nachträglichen Auszahlung eines bundesrätlichen Ruhegehalts und der damit verbundenen Kontroverse. Eine Geldforderung, die nur schwer zu verstehen ist, die nicht zu ihm passt, nicht zu seiner Persönlichkeit, nicht zu seiner bis jetzt praktizierten Politik, zu der man stehen kann, wie man will. Die Kolumnen blieben nicht ohne Reaktionen. „Herr Schaller, abgrundtief muss ihr Hass und Neid gegenüber Christoph Blocher sein“, schrieb Ernst+Schmid (wohl sein Markenzeichen im Internet) in seinem Kommentar. Was mögen die Beweggründe des Kommentators sein? Will er Christoph Blocher schützen, in dem er mir Hass und Neid unterstellt und damit vom eigentlichen Problem abzulenken versucht? Kann er sich nicht vorstellen, dass sich zwei Zeitgenossen, ein Politiker und ein Journalist, immer wieder begegnen, während beinahe 50 Jahren. Dass beide ihrer Passion, ihrer Aufgabe nachgehen, der eine handelt, politisiert, der andere misst das Handeln an der entsprechenden Wirkung, an Erfolgen oder Misserfolgen, an den Widersprüchen in dessen Politik? Ist es unverständlich, dass sich die beiden mit Respekt auf Augenhöhe begegnen, dass beide sowohl auszuteilen als auch einzustecken vermögen?

Unser Verhältnis war immer von den verschiedenen Rollen her geprägt, nüchtern, sachlich, manchmal überraschend kameradschaftlich. Später im Nationalrat, in der Wirtschaft und Abgabe-Kommission WAK, wo er sich oft vertreten liess und nur erschien, wenn es ihm wichtig war, unterstützten wir uns beispielsweise gegenseitig  bei Anträgen zum Kleinkredit-Gesetz.

Unsere Politbeziehung hat eine lange Geschichte und viele Stationen. An einige sei erinnert. Es war im Frühling 1975 – nach einem strengen Sessionstag – im Speisewagen von Bern nach Zürich, als mir gegenüber der damalige Nationalrat Theddy Gut, FDP, Verleger der  Zürichssee-Zeitung, von einem aufgehenden Stern am politischen Himmel über dem rechten Zürichsee-Ufer erzählte. Er war an einer Gemeindeversammlung in Meilen gewesen, an der ihm ein junger Politiker aufgefallen sei, ein Christoph Blocher, der als junger Gemeinderat überzeugend aufgetreten sei und das Meilemer Stimmvolk zu überzeugen vermochte. „Über den werden Sie noch staunen, über den werden Sie noch hören, der wird in ihren Sendungen immer wieder zu sehen sein.»

In der Frühjahrssession 1980 war es tatsächlich soweit. Christoph Blocher, der nach den Nationalratswahlen im Oktober 1979 im Parlament Einzug hielt, war tatsächlich in der ersten Sendung „Café Fédéral“ als prominenter Gast gesetzt. In einer Medienmitteilung hiess es damals dazu: «Politik muss nicht langweilig sein», das das Motto im «Café Fédéral», der ersten Live-Sendung aus dem Bundeshaus. Der junge Parlamentarier Christoph Blocher machte als «Café Fédéral»-Gast auf sich aufmerksam. Anton Schaller konfrontierte ihn mit der Frage: «Wer regiert nun eigentlich die Schweiz: das Volk, das Parlament oder der Bundesrat?» Blocher kurz und trocken: «Die Verwaltung!» Wenn ich mich erinnere, war ich zunächst etwas irritiert ob der kurzen Antwort, fand dann aber wieder den Faden, so dass sich Christoph Blocher weiter erklären konnte. „Ein heisses Duell lieferten sich in der gleichen Sendung der Berner Nationalrat Otto Fischer (FDP) als Sparapostel und der populäre Bundesrat Willi Ritschard als der Bewahrer des sozial Erreichten. Fischer zu Ritschard: «Die Bundesfinanzen sind nur durch massive Subventionskürzungen auch in der Landwirtschaft zu sanieren.» Ritschard zu Fischer: «Man kann nicht die Kühe im Himmel füttern und auf der Erde melken.“

Christoph Blocher war also bereits in seiner zweiten Session aufgestiegen in die erste Linie der Parlamentarier und er blieb es. Mehr noch: Er wurde „Oppositionsführer“ im Nationalrat, ständiger Gast in den Politsendungen des Schweizer Fernsehens, meistens begleitet von seiner Frau Silvia Blocher, die auch seinen politischen Terminkalender verwaltete. Sie war auch dafür besorgt, dass die SVP immer prominent vertreten war. Ich erinnere mich an einen Abstimmungssonntag, an dem Christoph Blocher beruflich in die USA verreist war, Walter Frey in Japan bei Toyota weilte. Ich bestand in mehreren Telefongesprächen mit Silvia Blocher auf einen der beiden. Am Sonntagnachmittag erschien Walter Frey. Siliva Blocher hatte entschieden, auch Christoph Blochers berufliche Interessen gewahrt.

Als die Arena 2003 ihr zehnjähriges Bestehen feierte, war klar, dass Christoph Blocher, der meist eingeladene Gast, nicht fehlen durfte. Dass ich dabei eine unerwartete „Ehre“ erfuhr, als er laut verkündete, ich hätte ihm die Türen zum Fernsehen geöffnet, gehört zur unserer Geschichte wie manch andere Begebenheit.

Besonders in Erinnerung bleibt mir aber auch ein Erlebnis bei Tele Ostschweiz, wo wir wegen  technischer Probleme auf die Aufzeichnung einer politischen Diskussionssendung warten mussten. Animiert von Toni Brunner, im Schlepptau Christoph Blocher und wir, die andern Gäste, überbrückten miteinander die Wartezeit mit Anekdoten aus gemeinsam Erlebtem in Politik, Wirtschaft, im Leben und erzählten Witze, die neue Witze locker machten. Eine Stunde bester Schweizer Politsatire. Von einem „abgrundtiefen Hass“ war auf keiner Seite etwas zu spüren. Von einem gegenseitigen „Aufziehen und lockerem Sticheln“ schon.

Und noch dies: Dass sich seniorweb.ch mit der aktuellen Politik auseinandersetzt, gehört zum Sinn und Zweck der breitangelegten Informationsleistung unserer Plattform für uns ältere Menschen, zu denen auch Christoph Blocher gehört.

Er hat sich aber auch im Alter weiterhin an seiner Politik messen zu lassen, im Guten wie im Absonderlichen. Zu lange hat er die Politik in der Schweiz mitgeprägt, mitverantwortet, als dass er jetzt im Umgang mit ihm Altersmilde von seinen kritischen Beobachtern erwarten kann. Wie damals in Bern und jetzt in Herrliberg. Und nicht zuletzt im Vorfeld über die Abstimmung zur „Kündigungs-Initiative“ seiner Partei, die am 27. September 2020 zur Volksabstimmung gelangt. Er wird wohl noch einmal auf die politische Bühne steigen und sich einmal mehr der Beurteilung durch das Schweizer Stimmvolk stellen. Noch etwas früher wird er mit Argus-Augen zusehen oder im Hintergrund – wohl eher wahrscheinlich – handeln, wenn es am 22. August in der SVP gilt, einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin  zu wählen. So kommt er der eidgenössischen Politik noch nicht so schnell abhanden. Und unsere gemeinsame Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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11 Kommentare

  1. Nach diesen Worten könnte man fast meinen, Christoph Blocher sei der Ziehsohn von Anton Schaller. Welch eine Selbstüberschätzung!

  2. Zuviel der Ehre Herr Schaller, mich in ihrem Kommentar persönlich zu erwähnen.
    Aber wie heisst es doch in diesem Sprichwort » Wenn man dem Hund auf den Schwanz tritt dann bellt er».
    Damit ist dieses Thema für mich abgehandelt.

  3. danke anton schaller. es gibt zwei elemente: es gibt den fast 80jährigen sehr erfolgreichen patron, der mit herrn ebner auch waghalsige finanzaktionen unternahm und mäzen, der u.a. ankerbildli sammelt. es ist sonst ein mensch wie wir. ich muss ihn ja nicht mögen.
    aber es gibt auch den politiker blocher. der, welcher begriffe wie sozialschmarotzer. scheininvalide, weichsinnige, «classe politique», u.a.m in die welt gesetzt hat. das parlament u die justiz verhunzte. den bundesrat als unfähig erklärte. die schweiz als maroden bürgerkriegstaat verhunzte.
    er wurde abgewählt. welche schmach. und nun finden wir uns bei filippi wieder mit der unsäglichen kopfab-initiative.
    ich glaube, herr blocher hätte gerne die demokratie abgeschafft.
    aus einem toleranten land hat er, mithilfe seiner klientschaft, deren versicheringsgesellscjaft die svp ist, eine fremdenfeindliche schweiz kreiert. und das müsste in den geschichtsbüchern stehen.
    als mensch: bleiben sie gxund, herr blocher, aber treten sie ab.

  4. Danke Hugo Lehmann. Er hat nachweislich das Schweizervolk (mit seinen Traktätchen), das Parlament und den Bundesrat belogen. Er trägt auch eine grosse Verantwortung für das starke Wachstum der Schweizer-Bevölkerung. Dank seiner Sparhysterie hat die Schweiz zu wenig und die Bildung investiert. Dadurch wurden wir gezwungen viele Fachkräfte (mit ihren Familien) in die Schweiz zu holen, was mindestens so viel wie die Flüchtlingsproblematik zum starken Bevölkerungswachstum beigetragen hat. Darum ist die Begründung der Kündigungsinitiative verlogen.
    Ob man ihn wegen des Zusammenkaufs von Anker- und Hodler-Bildern als Mäzen bezeichnen will ist Ermessensfrage.
    P.S. Ich finde das Gewicht, das Anton Schaller Blocher einräumt, völlig daneben

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