StartseiteMagazinGesellschaft«Einige Pöstler mögen’s manchmal vielleicht etwas heiss»

«Einige Pöstler mögen’s manchmal vielleicht etwas heiss»

Die 2010 noch etwas belächelten Elektro-Dreiradroller der Pöstler erweisen sich als Erfolgsgeschichte: Sie sind nicht nur ökologisch, beliebt bei Mitarbeitenden und Kundenohren, sondern auch äusserst langlebig und wartungsarm. Das zeigt ein Blick über die Schultern des Stör-Mechanikers Bänz Heiniger.

Wenn der 44jährige Töffmechaniker Bänz Heiniger nach dem Morgenessen sein Tagwerk beginnt, so sind nicht Hubraum, Luftfilter in der Airbox, die Nockenwelle oder die Zylinderbank im Mittelpunkt seiner Arbeit. Vielmehr kümmert er sich als Mitinhaber der bekannten Töff-Moto Strahm AG Madiswil um Dauermagneten, Ankerspule oder Rotor oder noch profaner um den Wechsel von Rädern, Bremsbeläge, Lager aber auch Glühbirnen. Sein Fahrzeug im Service ist auch keines der roten zweirädrigen PS-Boliden aus Italien oder grünschwarzen aus Japan, sondern ein gelber Elektro-Dreiradroller der Post. Er erhält seine regelmässige Pflege und Wartung. Damit die Fahrzeuge rasch und möglichst ohne Unterbruch für die Zustellung repariert oder gewartet werden können, geht Bänz Heiniger auf «Stör» – auch nachts, wenn die Postgefährte auftanken. Die 400 Fahrzeuge der Post allein in seinem Einzugsgebiet werden nicht in die Werkstatt gebracht, sondern der Mechaniker Heiniger kommt zum Standort des Fahrzeuges – so wie im nahen Emmental und Entlebuch im Südosten von Madiswil der Schnapsbrenner oder der Störmetzger im Winter zu Besuch kommen. Nur gerade bei komplexeren Reparaturen holt Heiniger die Fahrzeuge ab.

Töff-Mechaniker Bänz Heiniger und Barbara Zahnd analysieren – auch mit Laptop – den Zustand des DXP-Rollers, damit dieser als Gefährte des Pöstlers weitere 5000 Kilometer Briefe und Pakete im Oberaargau pünktlich in die Haushalte fahren kann.

«Die Roller sind robust und nicht zimperlich». So lautet Heinigers Fazit seiner mittlerweile schon achtjährigen technischen Betreuung der dreirädrigen Postfahrzeuge. Derweil wechselt er behände ein Hinterrad in der Einstellhalle unter der Poststelle Burgdorf. Jedes Fahrzeug in der Region Emmental, Oberaargau und Teile des Seelandes kommt mindestens nach rund 5000 Kilometer einmal im Jahr in seine Hände. Der harte Post-Alltag bei Wind und Wetter, Kälte und Hitze aber auch unzählige «Stopp and Go» vor den besuchten Häuser, Schläge von Trottoir-Randsteinen oder holperigen Feldwegen gehen zwar «nicht spurlos an den Fahrzeugen vorbei», sagt Heiniger. Kleinere Wartungsintervalle oder der gehäufte Austausch von ramponierten Teilen fallen dabei aber nicht an. «Einige Pöstler mögen’s manchmal vielleicht etwas heiss», schmunzelt Heiniger mit dem Verweis auf abgefahrene Pneus bereits nach 500 Kilometer Laufleistung. Stufenloses, bärenstarkes Drehmoment eben. Eine Eigenschaft der Elektromotoren, die auch Pöstler im Alltag zu elektrisieren vermag – «etwas behutsamere Bremsmanöver und Beschleunigungen bringen bis zu 2000 Mehrkilometer», meint der passionierte Motorradfahrer Heiniger trocken.

Länger im Einsatz als geplant

Zunächst ging es bei den ersten Fahrzeugen ab 2010 um die Überwindung der Kinderkrankheiten und laufende Anpassungen an den Postalltag. Denn das Postzustellfahrzeug DXP ist eine Weiterentwicklung des elektrischen Senioren- und Behindertenfahrzeug Classic DX der Schweizer Firma Kyburz aus Freienstein. Heute ist auch Hugo Jakob zufrieden mit dem Erreichten. Jakob von der Posttochter CompanyCars AG ist für die Organisation des Fahrzeugunterhalts zuständig. Er ist damit fast täglich im Kontakt mit den übers Land verteilten 60 Partnergaragen. «Die Fahrzeuge sind hart im Nehmen. Der Postalltag ist eine wahre Herausforderung für die gut 6000 Fahrzeuge», resümiert Jakob. Seit 2010 mit der ersten Bestellung von 60 Fahrzeugen» sind die Dreiräder im Einsatz – einst mit Akkus mit 100 Amperestunden. Heute sind es bereits 240 Amperestunden. Das reicht für eine Fahrt von 50-60 Kilometern problemlos. Beladen mit bis zu 120 Kilogramm Postsendungen auf dem Dreirad und rund 150 Kilo im Anhänger drehen sie mit Pöstler oder Pöstlerin ihre Runden – insgesamt gegen 26 Millionen Kilometer im Jahr. «Die Fahrzeuge haben sich so gut gehalten, dass wir sie statt nur sieben Jahre gar neun Jahre im Einsatz behalten», freut sich Hugo Jakob.

Ein Stapel neu bereifte Räder gehört zum wichtigsten Sortiment, das Stör-Mechaniker Bänz Heiniger von Moto Strahm AG Madiswil in die Poststelle Burgdorf mitnimmt.

46’000 Tonnen CO2 eingespart

Die Elektrofahrzeuge übertreffen auch die Erwartungen von Renato Ercolani. Er eruierte, testete und begleitet als Fahrzeugverantwortlicher für PostMail die Fahrzeuge seit 2009. Obwohl sie in der Anschaffung gut viermal teurer sind, als die einstigen Benzinroller und sie «diesen Nachteil mit tieferen Betriebs- und Wartungskosten nicht wettmachen können», ist Ercolani ebenfalls des Lobes voll: «Die Dreiradroller sind genügsame Lastesel. Mit dem dreifachen Ladegewicht gegenüber den früheren Benzinroller konnten wir die ganze Organisation der Zustelltouren ändern – das spart Zeit und Zusatzwege. Darin liegt das eigentliche Sparpotential der gut 6000 Elektroroller», sagt Ercolani. Und das rechnet sich auch für die Umwelt: Gespiesen mit zertifiziertem «Naturmade-Strom» aus der Schweiz sparten die Elektroroller seit Beginn ihres Einsatzes gut 46’000 Tonnen CO2. Dies entspricht dem CO2-Ausstoss von 28 Flügen Zürich-New York oder dem Jahresausstoss einer kleinen Stadt mit 10’000 Einwohnerinnen und Einwohner.

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