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Maskenpflicht in Freiheit

Corona lässt uns nicht in Ruhe, wenn selbst Donald Trump zur Maske greift, sie zumindest vor der Presse im Weissen Haus in den Händen hält und gar auf die Feierlichkeiten um seine offizielle Präsidentschafts-Nominierung durch die Republikaner verzichtet, wird weltweit klar: Das Virus ist nicht verschwunden. Im Gegenteil. Die Zahl der Neuinfizierten steigt gerade auch in der Schweiz wieder an. Und trotzdem steht eigentlich nur ein Wunsch auf den Agenden aller: Wie kommen wir endlich zur Normalität zurück? Genauer: Wann darf wieder vor Zuschauern Fussball gespielt werden, wann dürfen wir an Grossveranstaltungen teilnehmen, uneingeschränkt das Kino, Konzerte, Opernhäuser besuchen, an Demonstrationen mitmarschieren, weltweit in die Ferien verreisen? Im Grunde genommen stellen wir uns insgeheim nur die eine, ganz zentral Frage: Wann wird uns endlich die uneingeschränkte Freiheit zurückgegeben?

In Wahrheit steht uns aber das Gegenteil bevor. Zu lasch sind wir mit den so stark geforderten und dann auch umgesetzten Lockerungen umgegangen, zu schnell ist auch der Bundesrat von seiner am Anfang der Krise eingeschlagenen Linie abgewichen, hat dem Druck aus Parteien und Wirtschaft nachgegeben, den Kantonen das Regieren überlassen, die dazu nur begrenzt in der Lage waren; er hat schlicht auf die Eigenverantwortlichkeit von uns Bürgerinnen und Bürger gesetzt.

Ich war Ende Juni, Anfang Juli für eine Woche beruflich in Deutschland, im Raume Stuttgart. Ich war erstaunt darüber, wie konsequent mit der Maskenpflicht umgegangen wird, kein Ladenbesuch, keine Fahrt im öffentlichen Verkehr ohne Maske. Als ich in einem vorgelagerten Kiosk eines Grossverteilers eine Zeitung kaufen wollte, wurde ich brüsk zurückgewiesen: „Keine Zeitung ohne Maske“.

Seit einer Woche weile ich in der Toskana, genauer in Lucarelli, in der grossen Gemeinde Radda in Chianti. In der es bis jetzt keinen Infizierten gab. Und ich bin erstaunt, wie konsequent die Maskenpflicht auch hier in Italien eingehalten wird. Selbst auf der Strasse wird sie vor allem von den älteren Menschen konsequent getragen. Als ich im Schwimmbad in Castellina in Chianti nach einer Abkühlung suchte, musste ich auf einem Formular alle meine Daten eintragen, an der Rezeption wurde mir der Termometro, der Fiebermesser an die Stirn gehalten. Die Liegewiese ist in Sektoren aufgeteilt, mit Pflanzentöpfen werden die Begrenzungen markiert, der Abstand garantiert.

Anders erlebte ich in der Zwischenzeit die Schweiz, genauer Zürich. Keine Maskenpflicht in den Läden, keine Registrierung im Seebad  „Tiefenbrunnen“, keine Abgrenzungen, sondern lediglich Hinweise auf Tafeln, was alles einzuhalten sei: Hygiene, Abstand halten. Appelle an die Eigenverantwortlichkeit.

Und jetzt: Österreich, das so stolz auf seine  Lockerungen war, führt die Maskenpflicht in den Läden wieder ein. Genf als erste Schweizer Stadt tut es auch.

Deutschland bietet den Urlaubheimkehrern gratis Covid19-Tests in den Flughäfen an und diskutiert vehement darüber, ob das auch genügt, sollten die Tests nicht zur Pflicht werden?

Auch in der Schweiz kehren sie zurück, die Ferienreisenden und bringen möglicherweise mit, was sie selber nicht wissen: eine Infizierung. Derweil fragt der Zürcher Regierungsrat die Bevölkerung nach seinem Image während der Corona-Zeit, und Jaqueline Fehr, die Justizdirektorin, vernimmt sich in einem etwas seltsamen Artikel über eine Ampelweisung  für das Maskentragen. Stattdessen ist es doch wieder Zeit, die Pflicht des Maskentragens auszuweiten, die Wiederkehr der Ferienreisenden präzis zu regeln.


Der Ökonom Ernst Fehr, Professor für Volkswirtschaft am UBS Center for Economics in Society an der Uni Zürich, meint in einem Interview in der  Samstag-Ausgabe des Tages-Anzeigers:

Was wir aus der Forschung wissen: Die Bereitschaft, einen Beitrag zu einem öffentlichen Gut zu leisten, hängt davon ab, wie viele andere es auch tun. Wir nennen das soziale Ansteckungsprozesse. Deshalb war es auch so einfach, den Schalter umzulegen: Als Masken im öffentlichen Verkehr obligatorisch wurden, stieg der Anteil jener, die sie tragen, sagen wir von 5 auf 95 Prozent. Das ist für mich keine Überraschung. Ohne Pflicht wäre es aber nicht gegangen.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ausser: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Und wenn beide das begriffen haben, ist die Freiheit auch bei einer Maskenpflicht nicht in Gefahr. Im Gegenteil.


 

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1 Kommentar

  1. Endlich eine Stimme der Vernunft. Was anderes als konsequentes Einhalten der Maskentragpflicht ist denn geboten? Wir sollten längst aus dem Alter heraus gewachsen sein, während dem wir uns fragten: wie sehe ich aus, was denken andere usw.
    Was zählt ist: Maske aufs Gesicht in jedem Geschäft und auch draussen bei Menschenansammlungen. Das halte ich so, seit Anfang der Lockerung des lock downs. Ich setze mir keinen Heiligenschein auf, denke jedoch ab und an an den Kondukteurder sich bedankte, dass ich „freiwillig“ Maske trug. Es gibt keine Erwartung an andere, mich zu schützen, ausser an mich.

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