StartseiteMagazinGesellschaftZürich war in Sklaverei verstrickt

Zürich war in Sklaverei verstrickt

Die Stadt Zürich stützte die Sklaverei und den Sklavenhandel im 18. Jahrhundert finanziell und war an der Verschleppung von tausenden Afrikanerinnen und Afrikanern beteiligt. Zürich war zudem über das Baumwollgewerbe mit der Sklaverei verwickelt, wie eine Studie von Historikern der Universität Zürich im Auftrag der Stadt Zürich zeigt.

Sklaverei und Sklavenhandel waren vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zentrale Institutionen der Neuzeit. Allein über den Atlantik wurden rund 12,5 Millionen Menschen aus Afrika verschleppt und versklavt. Wie die Stadt Zürich in diese belastete Vergangenheit eingebunden war, haben die Historiker Marcel Brengard, Frank Schubert und Lukas Zürcher vom Lehrstuhl von Prof. Gesine Krüger im Auftrag des Präsidialdepartements der Stadt Zürich untersucht.

Ihre Studie zeigt, dass sich Zürich wie andere Städte an der Finanzierung des transatlantischen Sklavenhandels beteiligt hat. So kaufte Zürich im 18. Jahrhundert Anteile der «South Sea Company», einer englischen Gesellschaft, die im Sklavenhandel aktiv war. In der Zeit der Zürcher Beteiligung verschleppte die «South Sea Company» 8636 Afrikanerinnen und Afrikaner über den Atlantik nach Amerika. Im selben Zeitraum verschiffte sie zudem 27’858 Sklavinnen und Sklaven vornehmlich von britischen Inseln wie Jamaika und Barbados ins spanische Kolonialgebiet. «So war die Stadt Zürich finanziell an der Verschleppung von insgesamt 36’494 Afrikanerinnen und Afrikaner beteiligt», sagt Studienautor Frank Schubert.

Direkte und indirekte Finanzierung

Weiter investierte die Stadt Zürich über die halbstaatliche «Zinskommission Leu» in die Sklavereiwirtschaft. Sie kaufte dänische Staatsanleihen, die der Finanzierung der Sklavereiwirtschaft auf den damaligen Dänischen Antillen dienten. Dort arbeiteten mehrere tausend Sklavinnen und Sklaven und eine der Inseln, St. Thomas, entwickelte sich zu einem Umschlagplatz für den Sklavenhandel. «Durch diese Engagements finanzierte Zürcher Kapital einen kleinen aber nicht unbedeutenden Teil des Sklavenhandels und der kolonialen Plantagen- und Sklavereiwirtschaft», bilanziert Frank Schubert.

Versklavte Kinder und Erwachsene marschieren an Hals und Händen gefesselt durch den Busch. («A Coffle», Slavery Images: A Visual Record of the African Slave Trade and Slave Life in the Early African Diaspora, accessed September 23, 2020, http://slaveryimages.org/s/slaveryimages/item/420)

Neben diesen Direktinvestitionen war die Zürcher Textilwirtschaft strukturell mit der Sklaverei verbunden. So waren die im 18. Jahrhundert auch in Zürich produzierten Indienne-Stoffe ein zentrales Tauschgut für den Kauf von Sklavinnen und Sklaven in Westafrika. Zudem bezog die Zürcher Baumwollindustrie im 19. Jahrhundert ihren Rohstoff vor allem von den Sklavenplantagen im Süden der USA. Aus diesem Sektor gingen Industrie- und Wirtschaftsbetriebe hervor, die sich im 20. Jahrhundert zu führenden Unternehmen der schweizerischen Volkswirtschaft entwickelten und massgeblich zum Wohlstand der Schweiz beitrugen.

Verwicklungen der Familie Escher

Die Familie Escher ist das prominenteste Beispiel aus einer recht grossen Anzahl Zürcher Familien, die mit der kolonialen Welt und häufig auch mit der Sklaverei in unterschiedlichster Art verbunden waren. Zwar besass Alfred Escher, einer der Gründerväter der modernen Schweiz, weder Plantagen noch Sklaven. Doch sein Grossvater Hans Caspar Escher war der Financier mindestens eines Sklavenschiffes, sein Vater Heinrich ein erfolgreicher Händler und Investor in den USA und sein Onkel Friedrich Ludwig der Betreiber der Kaffeeplantage Buen Retiro mit mehr als 80 Sklavinnen und Sklaven auf Kuba. Die Familie Escher war daher auf vielfältige Weise in die Sklaverei verwickelt. Dennoch wehrte sich Alfred Escher vor Gericht gegen eine in den damaligen Medien ausgetragenen Debatte über die Beteiligung der Familie Escher am Sklavenhandel, in einer Zeit, als Sklaverei moralisch als nicht mehr akzeptabel galt.

An koloniale Vergangenheit erinnern

Die Studienautoren regen aufgrund ihrer Erkenntnisse und im Kontext der national wie international geführten Debatte um Denkmäler und die Erinnerung an die Sklaverei an, dass die Stadt Zürich ihrer Beteiligung an Sklavenhandel und Sklaverei in angemessener Form gedenkt ein Anliegen, dass die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch teilt: «Wir dürfen die Augen vor der kolonialen Vergangenheit der Stadt Zürich nicht verschliessen. Die Stadt will nun prüfen, wie das Thema im öffentlichen Raum in zeitgemässer Form sicht- und erinnerbar gemacht werden kann.»

Link: 200902_Sklaverei_Bericht_UZH_def

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1 Kommentar

  1. Wir Menschen der heutigen Generation tragen ja keine Verantwortung über das frühere Geschehen. Was wir aber heute tun können und daraus lernen können, ist, dafür zu sorgen, dass die noch weltweit – vor allem in Entwicklungsländern- verbreitete Kinderarbeit verschwindet und die Kinder zur Schule gehen können. Vielleicht werden dann gewisse Artikel des täglichen Gebrauchs – wenn sie nicht mehr von Kindern gefertigt werden – etwas teurer? Sollen wir nicht mehr durch den Gotthard fahren weil Alfred Escher auch nicht luppenrein sein soll?

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