StartseiteMagazinKulturAlte Dame malt wie junger Punk

Alte Dame malt wie junger Punk

Das Museum Langmatt in Baden zeigt die Malerei von Rose Wylie erstmals in der Schweiz. Sie gehört zu den bedeutendsten britischen Künstlerinnen der Gegenwart, obwohl sie den internationalen Durchbruch erst im hohen Alter erreicht hat.

Mit siebenundachtzig Jahren malt Rose Wylie frei und unbeschwert und doch steckt in ihren Bildern die ganze Zerbrechlichkeit eines Lebens. Ihre grossformatigen Gemälde oszillieren zwischen surrealem Pop und wildem Punk. Aus einem breiten Repertoire von Motiven aus Populärkultur, Zeitungsmeldungen und Alltagsleben destilliert die Künstlerin prägnante Szenen, die humorvoll, manchmal auch kritisch das aktuelle Zeitgeschehen kommentieren.

Rose Wylie in ihrem Atelier, 2017. Foto: Joe McGorty. Zeitungen und Journale inspirieren die Künstlerin. Hat sie ein Thema für ihre Malerei gefunden, schmeisst sie die zerknüllte Vorlage auf den Haufen.

Ihre Bilder erzielen auf dem Kunstmarkt Höchstpreise, trotzdem lebt Rose Wylie äusserst bescheiden. Sie wohnt in einem windschiefen Handwerkerhäuschen in Kent, wo sie im niedrigen Atelier im Obergeschoss malt. Es ist erstaunlich, wie sie in dem kleinen Raum die grossen Leinwände bearbeiten kann. Da nur ein Paneel aufs Mal Platz hat, müssen sie für breite Formate einzeln gemalt und hinterher zusammengesetzt werden. Hier im Atelier besuchte Markus Stegmann die Künstlerin im November 2019. Der Direktor des Impressionisten Museums Langmatt ist interessiert an zeitgenössischer figürlicher Malerei für sein Haus.

Rescue Horse, Orange Border, 2018. Courtesy of Annie Morris and Idris Khan, Foto: Jo Moon Price. Das Pferd und der Schwan führen in der Begleitpublikation durch die Bildwelt der Künstlerin.

Rose Wylie (*1934) stammt aus der südenglischen Grafschaft Kent und studierte anfangs der 50er Jahre Kunst in Dover. Sie heiratete den Kunstmaler Roy Oxlade (1929-2014). Für ihre drei Kinder stellte sie die Malerei zurück und nahm mit fünfundvierzig Jahren das Studium am Royal College of Arts in London wieder auf.

Ihre Bilder reichte sie regelmässig und ohne Erfolg bei Kunstinstitutionen ein. Trotzdem verfolgte sie unbeirrt ihren künstlerischen Weg und entwickelte ihre persönliche Sprache. Sie sagte einmal in einem Interview: «Erfolglosigkeit gibt dir Freiheit. (…) Du kannst tun, was du willst.» Erst im hohen Alter kam der Durchbruch und sie gilt heute als Superstar: 2013 stellte sie in der Tate Britain aus, 2015 wurde sie Mitglied der Royal Academy of Arts, 2017 folgten Ausstellungen in der Serpentine Gallery in London, zurzeit in Seoul/Korea. Und nun ist ihr Werk erstmals in der Schweiz in einer Einzelausstellung zu sehen.

Map Painting (Boat), 2019. Courtesy of a private collection, the artist, and David Zwirner, Foto: rv.

Map Painting von 2019 geht auf eine eigene Erfahrung zurück. Wylie, die kaum ausgeht, war zum Nachtessen auf ein Schiff eingeladen. Sie bekam eine mündliche Wegbeschreibung, wo sie das Schiff finden würde. Doch sie verirrte sich und fand es erst nach verzweifeltem Suchen.

Die Malerei von Rose Wylie wirkt auf den ersten Blick roh, schnell hingepinselt, dick aufgetragenes Farbmaterial auf nicht grundierter Leinwand. Die Schriftzeichen und Chiffren erinnern an Comics. Bei näherer Betrachtung enthalten ihre Bilder eigene biographische Bezüge, Genderthemen, nicht moralisierend-politisch dargestellt, sondern kindlich verspielt, auch immer wieder Zitate von Shakespeare.

Wylies Gemälde Bagdad Cafe geht auf den Kinofilm Out of Rosenheim von 1987 zurück. Das heruntergekommene Bagdad Café mit angeschlossenem Motel und Tankstelle steht mitten in der kalifornischen Wüste und ist Brennpunkt verschiedener Protagonisten. Wylie setzt einzelne Momente aus dem Film zeichenhaft im Bild um, etwa im Zentrum die resolute und übellaunige Wirtin, daneben das Mikrofon und das aufgerissene Maul für die Musik, der fliegende Rock für die Fremde aus Rosenheim.

Bagdad Cafe (Film Notes), 2015. Courtesy of the British Council Collection, Foto: rv.

Rose Wylie lässt sich von Motiven aus der Populärkultur, Zeitungsmeldungen, Filmen, Werbung und Alltagsleben inspirieren und kommentiert diese in prägnanten Szenen humorvoll und kritisch. Zentral in ihren Bildern sind Gender- und Rollenfragen, die sie beschäftigen. Sie legte das enge gesellschaftliche Korsett der Konventionen der 1950er- bis 1970er-Jahre ab und transformiert es in eine doppelbödige Bildwelt, unbeschwert und gleichzeitig tiefgründig. Lustvoll und energetisch erzählen ihre Bilder von Leben und Tod, Liebe und Verlust, Freude und Trauer, Zwang und Freiheit.

Blick in die Ausstellung, Foto: rv.

Rose Wylie liebt Geschichten, auch ihre Bilder erzählen Geschichten. Im Gespräch mit Markus Stegmann ist sie glücklich, dass er für die Ausstellung nicht einen nüchternen konservatorischen Ausstellungskatalog plant, sondern ihre Bilder mit einer durchgehenden Erzählung vorstellt. Die zwei Figuren aus dem Gemälde Rescue Horse, das Pferd und der Schwan, reisen durch die Bilder und erleben sie auf fantasievolle Weise, die dazu anregt, die Bildmotive genau zu betrachten.

Arial & Rough Sea (Drawings from the Tempest), 2018. Courtesy of a private collection, the artist, and David Zwirner, Foto: Jo Moon Price.

Mit Ausstellungen zeitgenössischer figürlicher Malerei eckt das Museum Langmatt oft an. Nicht alle Besucherinnen und Besucher verstehen, warum neben den «schönen» Impressionisten so «hässliche» moderne Bilder hängen. Dazu meint Markus Stegmann im Gespräch: «Kunst ist nicht nur da, um schön zu sein, sondern sie zeigt auch menschliche Schicksale, Rollen und soziale Wirklichkeiten.» Die Fabriken und rauchenden Schlote auf den Gemälden von Cézanne oder Monet wurden in ihrer Zeit nicht verstanden und entsprachen nicht dem grossen Publikumsgeschmack. Das war auch noch so, als die Stifterfamilie Brown nach 1908 anfing, Bilder der Impressionisten zu sammeln. In den wechselnden Ausstellungen knüpft Stegmann an die Unerschrockenheit der Sammler an, denn die gehöre zur DNA des Hauses.

 

Bis 24. Mai 2021
«Rose Wylie», Museum Langmatt, Baden, mehr Informationen hier

Publikation: «Grosse Seelen sind einsam – Eine kleine Weltreise zu den Bildern von Rose Wylie», mit Abbildungen, Hrsg. Markus Stegmann, Deutsch/Englisch, Hatje Cantz Verlag, Basel 2021, CHF 28.00.

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