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Tauchgang in die Steinzeit

Eine App auf dem Smartphone macht’s möglich, dass wir im Pfahlbauerdorf auf dem Sechseläutenplatz zu Besuch gehen können. Dahinter stecken mehr als fünf Jahrzehnte Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich und ein Jahrzehnt «UNESCO-Weltkulturerbe Pfahlbauten um die Alpen».

Zum 10-jährigen Jubiläum der Aufnahme der «Pfahlbauten um die Alpen» ins UNESCO-Weltkulturerbe lädt die städtische Unterwasserarchäologie die Bevölkerung ein, die Welt der Pfahlbauten am Zürichsee zu entdecken. Sie präsentiert die Ausstellung «Pfahlbauarchäologie in Zürich – 10 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe» sowie die Augmented Reality App «pastZurich».

Besuch bei Pfahlbauers dank Augmented Reality.

Nach den Höhlenbewohnern haben die Pfahlbauer unser Land besiedelt, das lernten schon unsere Grosseltern in der Schule. Wie unsere Vorfahren vor rund 6000 Jahren bis vor rund 3000 Jahren in Holzbauten auf Pfählen am Wasser lebten und arbeiteten, können wir alle mit dem Handy oder Tablet dank Augmented Reality selbst erkunden. Die zum Jubiläum geschaffene App pastZurich machts möglich. Was für uns hochspannende Einblicke in prähistorische Zeiten sind, samt witzigen Ansichten am Sechseläutenplatz als Kollateralschaden, kann in der Ausstellung Pfahlbauarchäologie in Zürich – 10 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe mit Fakten über die Taucharbeit der Archäologen und über die Rettung, die Dokumentierung und Konservierung von menschengemachten Überresten aus vorgeschichtlicher Zeit unter Wasser vertieft werden.

Ausstellungsansicht: Akribisch müssen die Funde vom Taucher markiert werden.

Im Haus zum Rech am Neumarkt, wo das baugeschichtliche Archiv der Stadt untergebracht ist, empfängt eine Figurine im Tauchanzug schwebend die Neugierigen und weist auf ein gigantisches, grünliches Foto, eine Unterwasserszenerie, wo ein Taucher dabei ist, Fundstellen und Funde zu markieren. Besonders wichtig bei Grabungsarbeiten ist es nämlich, haarklein zu dokumentieren, wo was in den Sedimenten steckte, um sich ein Bild des Lebens vor Urzeiten zu machen und es für die Nachwelt zu erhalten.

Vitrine mit Originalen und Repliken von der Fundstelle Alpenquai.

Ein Topf oder eine Speerspitze aus der Bronzezeit, die im Schaufenster eines Antiquitätenhändlers stehen, sind praktisch wertlos – weil sie ihre spezifische Geschichte nicht mehr erzählen können. Einige der ausgestellten Objekte sind Kopien, aber wo genau der Fundort des Originals liegt, ist festgehalten, der Fund ist kartiert und konserviert.

Vor allem zwei Pfahlbausiedlungen werden in der Ausstellung, kuratiert von Andreas Mäder, Archäologe und Leiter der Unterwasser- und Dendroarchäologie, gezeigt: Der Kleine Hafner, eine der ältesten Siedlungen aus der Jungsteinzeit, bei der die Methodik der Unterwasserarchäologie entwickelt werden konnte, und die Fundstelle Alpenquai beim Arboretum, die in der Bronzezeit, rund 1000 vor Christus besiedelt war. Hier lebten Bauern, die Getreideanbau und Viehzucht betrieben.

Blick in die Ausstellung: Links die aktuelle Tauchausrüstung, rechts der erste Trockentauchanzug von 1969.

Die Zürcher Taucher haben Pionierarbeit geleistet und die Unterwasserarchäologie, angesiedelt beim Hochbauamt, hat sich inzwischen zu einem Kompetenzzentrum entwickelt, welches längst auch international im Einsatz ist. Bei der Aufnahme der Pfahlbau-Fundstellen im ganzen Alpenraum von Frankreich bis Slowenien ins Weltkulturerbe der UNESCO spielte Zürich daher eine wichtige Rolle. Allein in der Schweiz sind es 111 Fundstellen, im Kanton Zürich deren sieben.

Bei einem Rundgang mit dem Kurator, der auch Denkmalpfleger und Taucher war, wird einsichtig, warum die Unterwasserarchäologie so viele Disziplinen der Kulturgeschichte und der Naturwissenschaften interessiert: In Siedlungsresten und im Siedlungsabfall, die Tausende Jahre unter Sauerstoff-Ausschluss lagerten, sind auch organische Materialien erhalten geblieben: Blätter, Pollen, Samen, nicht zu reden vom Holz, können herangezogen werden, wenn es um Klimageschichte geht, bei Werkzeugen sind nicht nur die Bronzeteile erhalten, sondern auch die Holzgriffe, in Töpfen lässt der Inhalt auf den Gebrauch schliessen.

Links ein Querschnitt durch verschiedene Schichten im Untergrund.

Ein Foto der Schichten beim Kleinen Hafner zeigt die Sedimente, zuoberst eine Seekreideschicht, die sehr zäh ist und keinen Sauerstoff durchlässt. Hier wurde die Methodik der Grabung unter Wasser in den 60er Jahren entwickelt. Zum Vergleich gibt es auch einen Querschnitt aus einer Baustelle an Land. Neben Objekten, Fotos, Videos und Infotafeln stehen auch Taucher(-Puppen) im Raum, die eine im aktuellen roten Outfit, die andere in den allerersten Trockenanzug gehüllt, der im gleichen Jahr wie der Raumanzug für den ersten Mondspaziergang, nämlich 1969 entwickelt wurde. Bequemer tauchen, bis die Sauerstoffflasche leer ist, also bis zu drei Stunden am Stück, ist es heute, denn die aktuellen Anzüge lassen sich auch heizen; es wird nämlich auch winters getaucht, und die Tauchtiefe ist zwei bis fünf Meter.

Pfähle weisen den Weg zu einer Fundstätte. Im Alpenbogen von Frankreich bis Slowenien sind es mittlerweile Hunderte von Pfahlbaudörfern, und es werden immer mehr entdeckt.

Wie bei Baustellen an Land kommt es auch unter Wasser regelmässig zu Notgrabungen, denn die Uferregionen werden von Bauten oder Aufschüttungen immer wieder verändert – aktuelles Stichwort: der Neubau der Swiss Re.

Wusste man in den Anfangszeiten, dass im Sediment nachsehen dann lohnt, wenn noch Pfähle an der Oberfläche sichtbar waren, ermöglichen heute auch akustische und Radiokarbonmessungen das Feststellen von Fundorten. In der Ausstellung steht weniger die Urgeschichte als die Unterwasserarchäologie im Fokus: Da ist Zürich bis heute innovativ, beispielsweise wurde neu ein GPS für die Nutzung unter dem Wasserspiegel entwickelt.

Dank der pastZurich-App wird das Pfahlbauerdorf auf dem Sechseläutenplatz sichtbar, während im Hintergrund weiterhin die Engel auf der Oper zum Flug ansetzen.

Bei der Pfahlbauergeschichte stellt sich die Frage, warum sie um 800 vor Christus endet. Vermutet werden klimatische oder gesellschaftliche Änderungen. Für die Forschung bleibt also noch viel zu tun, während unsereiner sich zum Sechseläutenplatz begibt und mit der App nacheinander in die acht Holzhäuser auf Pfählen eintritt, das Herdfeuer beobachtet und die Werkzeuge begutachtet. Was mich übrigens völlig faszinierte, ist der Griff einer Sichel – so ergonomisch, wie ich ihn mir wünschen würde, aber heutzutage nirgends kaufen kann.

Titelbild: Visualisierung der Pfahlbausiedlung am Sechseläutenplatz
Alle Bilder: Amt für Städtebau Stadt Zürich
bis 12. Juni
Hier geht es zur App pastZurich
Informationen zur Ausstellung im Haus zum Rech gibt es hier
UNESCO-Weltkulturerbe Pfahlbauten um die Alpen

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