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Vernehmen wir Bidens Worte

Manchmal ist es nur ein Wort, manchmal sind es ein, zwei oder drei knappe Sätze, die in die Geschichte eingehen, einen politischen Prozess einläuten, zu Verstimmung unter Partnern führen, öffentlich machen, was eine Staatsfrau, ein Politiker zwar so nicht sagen wollte, aber vor einem hartnäckigen Journalisten doch noch äussert. Oder ganz anders: Es gibt Sätze, die ganz bewusst von politischen Akteuren der Weltöffentlichkeit zu Protokoll gegeben werden, um zu dokumentieren, was jetzt zu geschehen hat: so Gorbatschow mit dem legendären Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte“. Gorbatschow überlagerte damit die von ihm erdachten und formulierten Visionen „Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung)“; sie wurden Wirklichkeit. Die Sowjetunion fiel auseinander, das getrennte Deutschland sah sich von den Menschen in Ostdeutschland in einer sanften Revolution gefordert und von Gorbatschows Gnaden vereinigt.

Und später: Angela Merkels „Wir schaffen das“ (2015) war ein Appell an ihr Volk, an die Bewohner Deutschlands; sie sollen Verantwortung übernehmen, die Flüchtlinge integrieren. Sechs Jahre später sind die rund 1,2 Millionen Flüchtlinge erstaunlicherweise weit besser integriert als je angenommen wurde. Natürlich gab und gibt es Nebenentwicklungen. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland AFD, die von der Flüchtlingspolitik Merkels profitiert, vermag zwar nur in den Ländern der DDR eine politische Rolle zu spielen, beeinflusst aber immer wieder die bundesdeutsche Politik und aktuell wohl auch die anstehenden Bundestags-Wahlen im September. Und vor Terroranschlägen blieb unser Nachbarland nicht verschont.

Obamas „Yes We Can“, Trumps „America First“ prägten das Politikverständnis der letzten beiden US-Präsidenten. Beide versuchten, ihre Sicht der Politik in ein paar Worte zu fassen. Jetzt ist Joe Biden an der Macht. Er, der in seiner ersten Rede vor dem Kongress immer „wir“ und nicht „ich“ sagte wie sein Vorgänger, prägte gleich einen neuen Slogan: „Amerika bewegt sich wieder“. Ein Satz, der seine Präsidentschaft begleiten wird. Und er hatte auch drei Sätze parat, die nicht in die Annalen der Weltgeschichte eingehen werden, die aber ein kleines Land mitten ins Herz trafen: die Schweiz. Wörtlich meinte er: „Viele Unternehmen hinterziehen auch Steuern durch Steueroasen in der Schweiz und auf den Bermudas und den Cayman Islands. Und sie profitieren von Steuerschlupflöchern und Abzügen für das Offshoring von Arbeitsplätzen und die Verlagerung von Gewinnen nach Übersee. Das ist nicht richtig“.

Da sind wir also wieder und in bester Gesellschaft: in der Reihe der Länder, die profitieren, ohne dafür etwas geleistet zu haben, ausser der Gehilfenschaft. Zwölf Jahre sind es her, als Bundesrat Hans Rudolf Merz im Jahr 2009 vor der US-Justiz einknickte, Daten von US-Kunden der UBS an die Ermittlungsbehörden der USA frei gab und gleichsam das Bankgeheimnis lüftete, das er noch vor Jahresfrist so vehement verteidigt hatte.

Die Worte aus den USA müssen uns aufhorchen lassen. Es sind nicht nur Worte aus dem fernen Amerika, die uns zur Zeit nicht nur gefallen können. Es sind auch Worte aus Brüssel, Worte aus den östlichen EU-Staaten, die unsern Eigennutz nicht verstehen, die nicht nachvollziehen können, dass wir mitten in Europa leben und wirtschaften, vom uneingeschränkten Marktzugang in die EU profitieren, uns aber nicht an die Normen der Gemeinschaft halten wollen. Und ist es nicht geradezu bezeichnend, dass aktuell der grösste Widersand gegen das Rahmenabkommen aus der Hochfinanz, aus Zug kommt, angeführt von Alfred Gantner, dem milliardenschweren Finanzmann aus der Schweizer Steueroase?

Der Satz Bidens mit dem direkten Bezug zur Schweiz kam nicht unvermittelt in die Rede vor dem Kongress. Solche Reden werden im Weissen Haus mehr als sorgfältig aufbereitet. Dahinter steckt immer auch eine Ansage, die wir in der Schweiz nicht überhören dürfen. Im Gegenteil. Unser Hinweis auf seine Steueroase in seinem Heimatstaat Delaware verfängt sicher fürs Erste, kann uns beruhigen, wird ihn aber wenig kümmern. Von „America First“ hat auch er nicht ganz abgeschworen. Er will aber im Gegensatz zu Trump die ganz grossen Einkommen und auch die riesigen Vermögen stärker besteuern, wo die Gelder auch immer liegen, um seine Billionen-Projekte längerfristig zu finanzieren. Tatsächlich: Amerika bewegt sich wieder. Selbst Richtung Schweiz.

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6 Kommentare

  1. Statt sich schuldig zu bekennen und Besserung zu geloben, fällt der Schweiz nichts weiter ein, als den Spiess umzudrehen mit Stichwort Delaware. Endlich sagt es auch der mächtigste Mann der Welt in aller Deutlichkeit, dass die Schweiz weiterhin mithilft, Milliarden vor dem Fiskus zu verstecken. Dies tut sie übrigens auch im Inland, wo das Steuerhinterziehungs-Bankgeheimnis alle ehrlichen Steuerzahler wie Trottel aussehen lässt. Dazu kommt noch der unselige Wettbewerb mit den zu niedrigen Unternehmenssteuern.

    • die üblichen linken Märchen. Die Schweiz gehört mit einem Unternehmenssteuersatz von 18% längst nicht mehr zu den Steuerparadiesen. Ein gutes dutzend europäische Staaten haben deutlich tiefere Sätze. u.a. Irland mit 10%, das sich als grösster Pharmastützpunkt der Welt etabliert hat. Übrigens haben auch unsere grossen Weltunternehmen längst «Contingency Pläne» in der Schublade, die sie umsetzen können, wenn sich die Schweiz selbst ins abseits manövriert: Heisst isoliert und den Standort Schweiz mit immer noch mehr Regulierung und linken Maximalforderungen selber kaputt macht! Roche, Novartis und Co. fragen dann nicht zuerst das Vok, wenn sie ihre Headoffices nach Dublin verlegen.

  2. wir müssen uns bewusst sein, dass die kantone die steuerhoheit haben. praktisch alle stände haben rechtsbürgerliche regierungen. dort liegt der hase begraben.

    • Fakt ist, dass die Kantone mit der höchsten Steuerbelastung für Privatpersonen und Unternehmen alle von Linksmehrheiten in Exekutive und Legislative regiert werden! NE (3 SP, 2 FDP), JU (2 SP, 1 CSP von 5), BS (3 SP, 1 GLP von 7), VD (3 SP, 1 GPS von 7) – Dass in den Augen der Linken hohe Steuern etwas gutes sein soll… Hauptsache die Tüchtigen und Erfolgreichen abzocken und umverteilen… ist auch nicht neu. Und kein einziger Kanton hat eine «rechtsbürgerliche Regierung» wie der Schreiberling hier behauptet. Denn «rechtsbürgerlich» ist höchstens die SVP. Die FDP ist längst eine Mittepartei und mittlerweile die staatsdevoteste Partei, die von der Energiewende, neue Sozialwerke bis zum CO2 Gesetz alles durchwinkt.

  3. Das sind alte Geschichten, die Biden gegen die Schweiz auftischt! Die Zeiten des Bankgeheimnisses und der ominösen Nummerkonten aus James Bond Filmen sind längst tempi passati. Die Schweiz hat unilateral all das schon lange, ohne global Reziprozität zu verlangen, aufgegeben. Zudem unterliegt unser Finanzplatz dem mitunter strengsten Geldwäschereigesetz. Dass weltweit noch um die 70 unregulierte Offshore Bankplätze exisiteren, die alles tun, was in der Schweiz seit über 20 Jahren längst verboten ist, scheint die Amis nicht wirklich zu stören, da sie diese Offshoreplätze, vorallem auch ihre eigenen Firmen (!!), am regsten benutzen! GB betreibt mehr als 20 dieser Offshorplätze und wurde auch als EU-Mitglied, weder von der EU noch von den Amis, unter Druck gesetzt. Die Schweiz gibt immer grad sofort nach, wenn sie unter Druck gesetzt wird. s. namenlose Konten, wo nicht mal die Hälfte des von den Banken geäufneten 3 Mrd. Fonds ausbezahlt wurden. Die Amis, wie China, betreiben globale Machtpolitik und Klienstaaten wie die Schweiz eignen sich als Ziel für Angriffe sowieso, solange die Zitrone noch Saft gibt. Ja die Schweiz risikiert global ins abseits zu geraten, wenn sie meint sie könne, auch mit unserem grössten Handelspartner der EU, immer den Fünfer und das Weggli haben und auf Tutti gehen. Dass linksliberale Altpolitiker dieses Machtspiel Bidens nicht durchschauen und zu Unrecht auf die Schweiz einhauen, ist bedenklich und zeigt deren Uninformiertheit.

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